Henryk M. Broder / 01.12.2018 / 06:25 / Foto: Rudolf Stricker / 65 / Seite ausdrucken

Steinmeier und seine geheimen Gäste – Die Auflösung

Erst weigerte sich das Bundespräsidialamt, die Liste der Gäste herauszugeben, die an dem Bankett für Präsident Erdogan im Schloss Bellevue teilgenommen hatten. Das Defilee beim Staatsbankett am 29. September 2018 sei "zwar öffentlich" gewesen, dennoch würden "Namen von Personen und Organisationen, die zu einem Staatsbankett eingeladen wurden und/oder teilgenommen haben, grundsätzlich nicht herausgeben".

Das fand ich ungehörig, denn es handelte sich nicht um eine private Party des Präsidenten aus Anlass seines Geburts- oder Hochzeitstages, sondern um ein Staatsbankett für einen Staatsgast, also ein steuerfinanziertes Event. Und wenn ich etwas mitfinanziere, habe ich das Recht zu erfahren, wer sich da auf meine Rechnung am "Eintopf von Nordseefischen mit Salzkraut und Kaiserhummer " und anderen Köstlichkeiten labte.

Nachdem mehrere Nachfragen ergebnislos blieben, bat ich Rechtsanwalt Joachim Steinhöfel, das Bundespräsidialamt über die Rechtslage aufzuklären. An sich ein unmögliches Ding, dass ich einen Anwalt bemühen muss, um mein Recht durchzusetzen, aber in einem Land, in dem die Staatsmacht die Grenzen nicht kontrollieren kann, kann sie auch nicht mit dem Informationsfreiheitsgesetz unterm Arm herumlaufen. Soll sein.

Fast auf den Tag genau zwei Monate nach der großen Erdogan-Sause, am 26. November, bekam Steinhöfel die Mitteilung, dass man ihm "die Liste der Namen der Personen, die an dem Staatsbankett teilgenommen haben", übermitteln werde. Er sollte sich nur noch einen weiteren Tag gedulden. "Der Grund ist, dass wir die Namensliste wiederbeschaffen müssen. Hier hat es leider eine Verzögerung gegeben." Die Namensliste war zwischenzeitlich offenbar entsorgt worden. Und jetzt ist sie wieder da! Hurra! Hurra! Hurra! Tusch und Vorhang auf, hier ist sie!

Ein Blick auf die Liste verrät, warum sich das Präsidialamt mit der Herausgabe so schwer getan hat. Statt der angekündigten 300 Gäste war es nur etwa die Hälfte, die beiden Präsidenten und deren Frauen mitgerechnet. Dazu eine Handvoll echte Promis wie Rita Süssmuth und ihr Mann, sowie Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrates der Muslime, Michael Frenzel, Präsident des Bundesverbandes der Tourismuswirtschaft und Frau Gabriele. Die üblichen Verdächtigen, die in Berlin zu jeder Vernissage auflaufen, glänzten durch Abwesenheit. Nicht einmal der Regierende Bürgermeister Müller war erschienen. Immerhin ein Zeichen, dass es doch noch eine "Zivilgesellschaft" in Berlin gibt, die lieber zum Türken geht, als dem Präsidenten der Türkei zuzujubeln.

Die Mehrzahl der Gäste gehörte der Entourage von Erdogan an oder rekrutierte sich aus dem Umfeld des Bundespräsidenten. So war es mehr ein deutsch-türkisches Familienfest als ein Staatsbankett, woran auch Andrea Verpoorten, Leiterin Leitungsstab/Politik beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V., trotz einer faszinierenden Vita nichts zu ändern vermochte. 

Dafür wissen wir, wer an dem "Staatsbankett" teilgenommen hat. Jetzt muss das Präsidialamt nur noch die Kosten für die anwaltliche Zurechtweisung übernehmen, und dann sind Frank-Walter Steinmeier und ich wieder ziemlich beste Freunde.

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Helge-Rainer Decke / 01.12.2018

Sehr geehrter Herr Broder, sehr geehrter Herr RA Steinhöfel, die Forderung nach Vorlage der Gästeliste könnte im Repetitorium zum Schuldrecht juristischer Fakultäten, als Synonym folgenden Falles, schmunzelnd behandelt werden. Im Garderobenbereich des Schlosses Bellevue wird eine Kiste Wein der Marke Château Petrus abgestellt, die anlässlich eines Abendmahls Erdogan überreicht wurde. Ein trüber Gast entdeckt den Petrus und nimmt ihn in seiner Eigenschaft als Besitzdiener in Verwahrung. Die Fundsache wird dem Eigentümer Erdogan, der sich an den Gast mit der Frage wandte, ob er den Petrus in Verwahrung nahm, übergeben. Damit hat der Gast die Verfügung über die Sache verloren. Als Besitzdiener war der Fund jedoch dem Schlossherrn, Besitzer des Fundes, zu übergeben, was unterblieb, aber qua Übergabe an den Eigentümer geheilt wurde. Sollte der Eigentümer den Petrus im Garderobenbereich zur freien Verfügung abstellt haben und es sich später anders überlegte, so könnte Irrtum nach 119 BGB greifen. Verwirft das Gericht Irrtum, so muss Erdogan den Petrus dem Schlossherrn aushändigen. Wurde vom Gast im Zuge der Verwahrung ein Angebot gegenüber einem Dritten zum Château Petrus unterbreitet, also handelt es sich nicht um eine invitatio ad offerendum, so entstehen Ansprüche wegen Nichterfüllung. Wer dabei Dritter war, ist unerheblich:-) Unter der Prämisse, die Forderung nach Vorlage der Gästeliste spiegelte auch im nüchternen Zustand die Sach- und Rechtslage zum Château Petrus wider, so wird, syllogisch geschlossen, (Dreitakt von Tatbestand, Subsumtion und Rechtsfolge), das Begehren nach der Gästeliste sogar gerichtsfest und Anwaltskosten sind zu erstatten. Deo volente! Denn auch hier gilt, auf hoher See und vor Gericht ist man in Gottes Hand:-) Irgendwie erinnert das Ganze an Shakespeare. Much Ado About Nothing.

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