Anfang des Monats stellten die Taliban in Afghanistan einen neuen Supersportwagen vor. Das erinnert doch sehr an eine Veranstaltung von Markus Söder im Münchner Hofgarten. Aber lesen Sie selbst.
Anfang des Monats fand in Afghanistan eine friedenstiftende Premiere statt: „Islamisten präsentieren Superauto“ schrieb die Bild-Zeitung. Auf den Bildern sieht man in Landestracht gekleidete Taliban, die sich um einen schwarzen Sportwagen versammelt haben und ihn fachmännisch begutachten wie einen abgeschossenen amerikanischen AH-64 Apache. Das Ding soll aber nicht abstürzen, sondern als Stolz der Nation durchstarten. Der afghanische „Mada 9“ darf nicht mit dem deutschen Marder 1A3 verwechselt werden, ist aber ebenfalls geeignet, nicht an die Ukraine geliefert zu werden.
Grundsätzlich lassen sich für den Autoproduktions-Standort Afghanistan gute Argumente finden. So ist zumindest die Allianz zwischen Technik und Islam historisch belegbar, man lese dazu nur das Standardwerk „Technische Wunder im Islam“. Man habe Religion und moderne Wissenschaft versprochen und das sei nun der Beweis dafür, sagte Abdul Baqi Haqqani, ehemaliger Bildungsminister, bei der Vorstellung des Autos. Der Mada 9 sieht aus wie ein Bugatti, ist aber motorisiert wie ein Toyota-Corolla, was die hiesigen Medien zu einer leicht hämischen bis sublim rassistischen Berichterstattung verleitete. Ich möchte mich daran nicht beteiligen, sonst werde ich noch zum ersten Opfer einer Brumm-Brumm-Fatwa, zumal wir in dieser Beziehung schon durch Newsguard, Correctiv, AFP, Michael Blume, Claudia Roth, Gerald Hensel und den Kurzhaardackel der Redaktions-Putzbeauftragten ausgelastet sind.
Nein, ich hatte auch aus anderen Gründen ein merkwürdiges Gefühl. Da war doch was, da war doch was... Woran erinnerte mich diese Luftnummer bloß? Meine Gedanken kreisten, begaben sich ein wenig in die Vergangenheit und schwebten schließlich drohnengleich über der Münchner Innenstadt. Dort gingen sie im Hofgarten nieder und zwar am 11. März 2019. Die Szenerie sah genauso aus wie die jetzt, vier Jahre später, in einem Park in Kabul. Örtliche Honoratioren in Landestracht, allen voran der örtliche Taliban-Chef, versammeln sich um ein Mobil, das so schnittig aussieht wie der Mada 9, aber sogar fliegen kann. Die Staatskanzlei hatte verdiente Kämpfer zu einer Ausstellung mit dem Schwerpunkt „Flugtaxi und elektrisches Fliegen der Zukunft“ geladen. „Der Einsatz für Flugtaxis ist weder lächerlich noch unrealistisch. Die Technologie ist weit vorangeschritten, erste Prototypen stehen kurz vor den Zulassungen“, sprach Markus Söder. Sowas haben Sie sich nicht einmal in Kabul getraut, aber die müssen ja auch keine Landtagswahlen gewinnen.
Allah möge diese Veranstaltung dem Vergessen anheimstellen
Was Lufttaxis anbetrifft, befinden sich Afghanistan und Bayern jedenfalls auf Augenhöhe, besonders seit die fliegende Fata Morgana von Airbus durch die kalte Küche wieder verabschiedet wurde. Prinzipiell beeindruckt mich bei der Lufttnummer die nicht vorhandene Schmerzgrenze der einbestellten Experten und Wirtschaftsvertreter, sowohl in München als auch in Kabul. Jedem, der noch alle Tassen im Schrank hat, ist das Entsetzen über den Bullshit anzusehen, den der Obermufti da gerade wieder zum Besten gibt. Aber alle halten die Klappe und schicken ein Stoßgebet gen Himmel: Allah möge diese peinliche Veranstaltung und die eigene Anwesenheit dabei doch bitte dem Vergessen anheimstellen.
Wobei die Taliban in puncto Außendarstellung deutlich mehr Glamour bieten. Schauen Sie sich bitte dieses voll aufgerüstete PR-Video des Mada-Herstellers an, in dem ein verschlammter Talinator in der afghanischen Wüste den Frontbericht abhört und dann über ein Feld von Patronenhülsen ins Morgengrauen stapft. Auf einem verlassenen Flugfeld trifft er schließlich auf den verhüllten Mada 9. Er reißt die Burka vom wohlgeformten Blech, steigt ein und verabschiedet sich mit einem qualmenden Burnout und 116 PS in Richtung 72 Jungfrauen.
Das kann der Markus nur toppen, indem er mit seinem Lufttaxi in winterlicher Nacht über dem fernen Schloss Waidmannsheil niedergeht und Heinrich XIII. Prinz Reuß persönlich die Jagdflinte entwindet. Zum Schluss könnte er auf dem Dach des ICE 1109 Berlin-München landen, um später am Münchner Hauptbahnhof unter dem Jubel der Massen wieder herabzusteigen. (Söder denkt es ist wegen ihm, aber die Massen jubeln weil der Zug pünktlich ist). Auf der Suche nach einem fähigen Produzenten empfehle ich der Staatskanzlei diese Webseite, dann geht der Markus viral, ich schwör.
Hirn für das notleindene DIW
Kommen wir nun zum Thema „Gebet“ im Auto oder Lufttaxi. Ich beispielsweise bete im Auto, wenn ich im Radio höre, wie Robert Habeck über die Logik unseres Wirtschaftssystems philosophiert. Mein Gebet erfolgt im sogenannten Bekenner-Modus, bei dem ich den himmlischen Vater um Vergebung meiner Sünden, zu denen das Verfassen dieser Kolumne zählt, in Anspruch nehmen möchte. Dies ist ein fest zugesagter Deal. Im Austausch biete ich dafür an, Habeck nicht sofort auf eine einsame Insel mit Anton Hofreiter und Ricarda Lang zu wünschen. Wichtig ist, liebe Gemeinde, dass wir im Gebet auch für die Nöte Anderer den Thron der Gnade bestürmen. Wenn der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaft (DIW), Marcel Fratzscher, den Robert bei seinen Irrfahrten auch noch bestätigt, gerate ich sogar in den Gebetsmodus des Flehens, indem ich den Herrn bitte, Hirn für das notleindene DIW vom Himmel zu schicken.
Fürbitten und Bitten sind hingegen für Autofahrten mit Henryk M. Broder reserviert, der bei intensiven Diskussionen – man kann sich ja nur auf eine Sache konzentrieren – die Geschwindigkeit bis auf das Tempo in einer Fussgängerzone vermindert. Bei den Dreharbeiten zur Fernsehserie „Entweder Broder“ zusammen mit Hamed Abdel Samad trat dem im Broderschen Dienstwagen mitfilmenden Team dem Vernehmen nach regelmäßig der Angstschweiß auf die Stirn. Einmal tauchte der Hammer des Wotan in Gestalt eines polnischen Volvo-Trucks unter lauten Fanfarenstößen formatfüllend im Rückspiegel auf. In solchen Momenten wird dem Mitfahrer klar, dass das Gebet eine Unterredung mit Gott bedeutet, die immer von der jeweiligen Geschwindigkeit abhängt.
Im jüdischen Glauben gilt übrigens, dass sich nicht Gott ändert durch das Gebet, sondern der Mensch selbst ändere sich. Es könnte beispielsweise herauskommen, dass Henryk M. Broder auf der A9 künftig langsamer diskutieren und schneller fahren möge, 100 fänden die Angehörigen des Speditionsgewerbes schon gottgnädig.
Und wo wir gerade bei den Weltreligionen sind: Im Islam ist die Frage, ob man im Auto beten darf, dem Anschein nach von Fachkräften mit kurzer Zündschnur nach oben geklärt, beispielsweise hier von A. Abul Baraa aus einer Tiefgarage in Braunschweig. Wenn ich den richtig verstehe, ist Beten hinterm Steuer und im Sitzen im Isalm nur in Notfällen und mit tief in den Schoß gesenktem Haupt gültig, beispielsweise beim Durchfahren einer Radaranlage mit doppelter Richtgeschwindigkeit.
Im Vorgriff auf den Export des Mada 9 hat sich in Deutschland bereits eine umfangreiche islamische Infrastruktur und Zulieferindustrie angesiedelt. Sie reicht von der Halal-Autofinanzierung (die Daimler übrigens auch in den Emiraten anbietet), bis zur – ein wenig lückenhaften – arabischen Palästinakarte als Aufkleber für die Windschutzscheibe, erhältlich bei Ali-Express. Zur seelischen Schnellreinigung bietet sich aber auch ein Mini-Koran für den Rückspiegel an, preisgünstig ab 47 Cent. Umtausch ist allerdings ausgeschlossen. Das ist bei den Taliban so üblich und bei bayrischen Ministerpräsidenten auch.
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