Sind geplante EU-Zölle zu niedrig, um den Dumping-Import chinesischer E-Autos zu stoppen? Oder sollen protektionistische Umwelt- und Sicherheitsvorschriften sie draußen halten? Vielleicht erledigt es aber auch der Kaufunwille der Kunden.
Um die europäische Autoindustrie zu schützen, würden Importzölle von 40 bis 50 Prozent benötigt, schreiben die Wirtschaftsanalysten der Rhodium Group in einer neuen Analyse. Dort heißt es: „Die Europäische Kommission wird voraussichtlich in den kommenden Monaten Ausgleichszölle auf Importe von Elektrofahrzeugen (EV) aus China verhängen, um das Risiko von subventionierten Autos zu verhindern, die die europäische Automobilindustrie schädigen könnten. Wir erwarten, dass die Kommission Zölle im Bereich von 15 bis 30 Prozent verhängen wird.“
Nun erwartet die Branche einen protektionistischen Strategiewechsel: „Selbst wenn die Zölle am oberen Ende dieses Bereichs liegen, werden einige in China ansässige Hersteller immer noch komfortable Gewinnmargen für die Autos erzielen können, die sie nach Europa exportieren, aufgrund der erheblichen Kostenvorteile, von denen sie profitieren“, prognostiziert Rhodium, „Zölle im Bereich von 40 bis 50 Prozent – möglicherweise sogar höher für Hersteller wie BYD – wären wahrscheinlich erforderlich, um den europäischen Markt für chinesische EV-Exporteure unattraktiv zu machen.“
Da Ausgleichszölle in diesem Maße unwahrscheinlich wären, könnten die Politiker in Brüssel beschließen, auf "nicht-traditionelle" Instrumente zurückzugreifen, um die europäischen Hersteller zu schützen, darunter Beschränkungen auf der Grundlage von Umwelt-, Cybersicherheits- oder nationalen Sicherheitsfaktoren, wie das auf anderen Gebieten – etwa der Landwirtschaft – ja bereits praktiziert wird.
Günstigere Arbeits- und Energiepreise, Subventionen und Batterien
Bei der Europäischen Nomenklatura hat sich offenbar spät die Einsicht durchgesetzt, das lokale Automobilhersteller sieben Prozent des Bruttoinlandsproduktes der EU ausmachen. Die Importe von Elektrofahrzeugen aus China sind in den letzten Jahren spektakulär gewachsen, von 1,6 Milliarden US-Dollar im Jahr 2020 auf 11,5 Milliarden US-Dollar im Jahr 2023. Sie machen 37 Prozent aller E-Auto-Importe aus. Elektroautos in China sind um Größenordnungen billiger als in der EU. Ein Volkswagen ID.4 beispielsweise, koste in der EU fast 50 Prozent mehr als in China.
"Chinesische und ausländische Hersteller nutzen zunehmend Chinas günstigere Arbeits- und Energiepreise, seine weiter fortgeschrittene Batterieherstellung und seine Regierungssubventionen, um in China für den europäischen und dritten Markt zu produzieren", heißt es in dem Branchebericht.
Was also tun? In einer kürzlichen Rede sprach die Exekutiv-Vizepräsidentin der EU, Margrethe Vestager, bereits Faktoren wie Cybersicherheit, Arbeitskräfte und Umweltbilanz an, die alle Hersteller beeinflussen könnten, die aus China exportieren. Derzeit hofft man noch, dass steigende Transportkosten und eine veränderte Subventionspolitik in China die Wettbewerbsverhältnisse zurechtrücken.
Das Thema ist heikel, weil große Teile der europäischen Autoindustrie umgekehrt vom chinesischen Markt abhängig sind. Die verzerrte Situation auf dem Automarkt ist vor allem eine hausgemachte, weil das europäische Verbrennerverbot einem Konjunkturprogramm für chinesische Elektrofahrzeuge gleichkommt. Fehlgeleitete staatliche Eingriffe sollen jetzt durch noch mehr staatliche Eingriffe korrigiert werden – ein Rezept, das eigentlich noch nie funktioniert hat.
Gerade mal 160 BYD-Autos im März zugelassen
Möglicherweise wollen die Käufer aber auch einfach keine E-Autos mehr: "Als Ende Februar in Bremerhaven die „BYD Explorer No.1“ anlegte und 3.000 Fahrzeuge an Deutschlands größtem Übersee-Autoterminal ablud, war die Sorge groß", schreibt das Handelsblatt, "würde nun die Flut 'billiger chinesischer E-Autos' einsetzen, vor der Ursula von der Leyen warnte – und wegen der die EU-Kommissionspräsidentin derzeit Strafzölle gegen chinesische Autoimporte prüfen lässt?"
Zwei Monate später deute wenig auf eine solche Schwemme aus Fernost hin. Gerade einmal 160 Neufahrzeuge von Chinas größtem Elektroautohersteller BYD seien laut Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) im März in Deutschland zugelassen worden. Und so schnell dürften die Zahlen auch nicht anziehen: Die in Bremerhaven angelandeten Modelle, die nach ganz Europa ausgeliefert werden sollen, würden „aktuell länger“ stehen, bestätigt der zuständige Logistikdienstleister BLG dem Handelsblatt. Das betreffe auch andere Hersteller „und hat mit der Nachfrage am Markt zu tun.“ Schlagzeilen wie diese tragen sicherlich nicht zum Vertrauen in die staatlich verordnete E-Mobilität bei: "Bittere Stromrechnung für E-Auto-Besitzer" titelt heute Bild, "öffentlich laden ist teurer als tanken".
In den USA hat der Autovermieter Hertz indes bekanntgegeben seine elektrische Autoflotte noch mehr zu reduzieren als ohnehin schon geplant, man will sich von 30.000 Autos trennen, die den Markt weiter verstopfen. Während die Autovermieter beim Verkauf gebrauchter Verbrennerfahrzeuge mit einem Gewinn gegenüber dem für sie stark rabattierten Gestehungspreis machen, schreibt man mit den E-Autos herbe Verluste, die Hertz-Chef Steven Scherr bereits den Job kosteten.