In der Dienstzeit des Antisemitismus-Beauftragten Michael Blume hat die Zahl antisemitischer Straftaten in Baden-Württemberg erfolgreich zugenommen. Aber der Mann hat andere Sorgen.
Ende Dezember letzten Jahres meldete der SWR unter Bezug auf Informationen des Innenministeriums von Baden-Württemberg, die „Zahl antisemitischer Straftaten“ im Ländle habe zugenommen, „das Sicherheitsgefühl der Jüdinnen und Juden ist nachhaltig erschüttert“, so der für innere Sicherheit zuständige Minister Thomas Strobl, CDU.
Eine erstaunliche Meldung, hat doch Baden-Württemberg, wie alle anderen Bundesländer, nicht nur einen eigenen „Antisemitismus-Beauftragten“, sondern auch einen, der seinen Job besonders ernst nimmt, den weit über BW hinaus bekannten Religionswissenschaftler Dr. Michael Blume. Es vergeht kaum ein Tag, ohne dass er irgendwo auftritt, einen Vortrag hält, an einer Diskussion teilnimmt, eine Schule oder eine Volkshochschule besucht, um über Antisemitismus zu referieren und seine Verdienste im Kampf gegen den Judenhass zu würdigen.
Vor genau sechs Jahren, im März 2018, wurde Dr. Blume von der Landesregierung Baden-Württemberg zum bundesweit ersten Antisemitismus-Beauftragten ernannt. In der Runde der Antisemitismus-Beauftragten der Länder ist Blume der Primus inter pares. Entsprechend groß waren die in ihn gesetzten Erwartungen. Nicht, dass er den in BW virulenten Judenhass mit Stumpf und Stiel ausrotten, aber doch, dass er, Blume, es schaffen würde, ihn einzuhegen. Niemand rechnete damit, dass genau das Gegenteil passieren würde, ein Anstieg des Antisemitismus, verbunden mit der Aussicht auf noch mehr judenfeindliche Taten und Straftaten.
Doch der falsche Mann am falschen Ort?
Wie kann so etwas möglich sein? Ist Blume vielleicht doch der falsche Mann am falschen Ort? Reichen seine intellektuelle Kapazität und moralische Kompetenz nicht aus, um einen solchen Posten auszufüllen? Hat man da einen Zupfgeigenhansl zum Ersten Geiger befördert? Es gibt da einiges, das für diese Vermutung spricht. Zum Beispiel sein Plädoyer für erneuerbare Energien, weil diese für weniger Antisemitismus sorgen. Sie glauben es nicht? Schauen Sie hier.
Wie das Kölner Domradio vor Kurzem meldete, fordert Blume eine Umbenennung der Uni Tübingen; die Benennung der Hochschule „nach einem Judenhasser und Judenvertreiber“ müsse ein Ende haben. Gemeint ist einer der beiden Namensgeber der Universität Tübingen, Graf Eberhard im Bart, der von 1445 bis 1496 lebte, also vor fast 600 Jahren. Allerdings erst Anfang 2022 kamen ihm Historiker auf die Schliche, als sie herausfanden, dass Graf Eberhard angeordnet hatte, „Aufenthaltsgenehmigungen für in Tübingen ansässige Juden nicht mehr zu verlängern“.
Der zweite Patron der Eberhard Karls Universität Tübingen, Herzog Karl Eugen von Württemberg (1728–1793), war auch ein schlimmer Finger, wenn auch nicht ganz so schlimm wie der erste, „verantwortlich für den Verkauf württembergischer Soldaten an auswärtige Mächte, um der eigenen Staatskasse zusätzliche Einnahmen zu sichern“. In einem eigens angefertigten Gutachten „einer Arbeitsgruppe von Historikerinnen und Historikern des Instituts für Geschichtliche Landeskunde der Universität Tübingen“ heißt es dazu, „die negativen Seiten beider Persönlichkeiten“ seien „Ausdruck zeittypischer Haltungen“, was so viel bedeutet wie: Andere Zeiten, andere Sitten.
Sie erduldete den schwierigen Gatten
Dr. Michael Blume mag freilich nicht aufgeben. Er fordert weiter die Umbenennung der Eberhard Karls Universität Tübingen, ist aber zu einem Kompromiss bereit. Er fände es gut, berichtete das Domradio, „wenn wir statt dem Grafen mit ewigem Bart seine viel zu unbekannte Ehefrau, die Herzogin Barbara Gonzaga (1455–1503) zur Namensgeberin erheben“. Denn: „Sie erduldete nicht nur den schwierigen Gatten, sondern brachte aus Italien Ideen des Humanismus und der Bildung auch für Frauen…“
Dem könnte man einiges entgegenhalten. Hat sich die viel zu unbekannte Ehefrau des Grafen nicht mitschuldig gemacht, indem sie die Marotten ihres schwierigen Gatten erduldete und ihm zur Verfügung stand, wann immer ihm danach war? Hat sie wenigstens versucht, ihn dazu zu bewegen, die Aufenthaltsgenehmigungen für in Tübingen ansässige Juden zu verlängern? Gibt es dazu verlässliche Dokumente?
Von Luther zu Hitler
Egal wie die Geschichte in Tübingen ausgeht, irgendjemand aus dem Umfeld von Michael Blume sollte den Antisemitismus-Beauftragten von BW darauf aufmerksam machen, dass es in fast jeder deutschen Stadt eine Luther-Schule, eine Luther-Straße oder eine Luther-Kirche gibt. Und dass Luther ein Premium-Antisemit war, ein Hassprediger, der in seinem 1543 erschienen Buch „Von den Juden und ihren Lügen“ ein Sieben-Punkte-Programm zur Lösung der Judenfrage entwarf, das 400 Jahre später von den Nazis in die Tat umgesetzt wurde. Dagegen war Graf Eberhard ein harmloses Würstchen.
Also, ran ans Werk, Herr Dr. Blume, hunderte von Schulen, Kirchen, Straßen und Plätzen warten darauf, umbenannt zu werden. Kleine Anregung: Auch Luther hatte eine Frau, sie hieß Katharina von Bora, hielt es 21 Jahre an der Seite ihres schwierigen Gatten aus und geriet nach dessen Tod in eine „wirtschaftliche Notlage“.
So eine kleine Wiedergutmachung an einer viel zu unbekannten Ehefrau wäre nur angemessen, oder sehen Sie das anders, Herr Dr. Blume?
Henryk M. Broder ist Herausgeber der Achse des Guten (zusammen mit Dirk Maxeiner und Fabian Nicolay)