Staats-Sudelant Böhmermann bezeichnet Frauen, die den Trans-Kult nicht mitmachen, als „Scheißhaufen“, darunter Marie-Luise Vollbrecht, Alice Schwarzer und Beatrix von Storch, der MDR zeigt einen alten DEFA-Kinderfilm nur mit Warnhinweisen, und ein Spielplatz soll kein Kreuz zeigen.
Die sächsische Antifa-Hochburg Leipzig macht wieder Schlagzeilen, was den Umgang mit Andersdenkenden betrifft. Anlässlich eines Vortrags im Leipziger Veranstaltungszentrum Conne Island kam es am Sonntag zu Gewalt. Aus einer Gegendemonstration vor dem Gebäude heraus sollen mehrere Teilnehmer körperlich angegriffen worden sein, eine schwangere Frau sogar mit Tritten. Jörg Finkenberger, der im Conne Island über „Die neue Pseudolinke“ sprach, gilt bei der protestierenden Antifa als prostituierten- und transfeindlich. Das trifft erst recht auf eine Besucherin der Veranstaltung zu, Marie-Luise Vollbrecht. Die Berliner Biologie-Doktorandin ist auch aus dieser Kolumne wohlbekannt, da sie sich traut, auf die Zweigeschlechtlichkeit des Menschen hinzuweisen. Außerdem hat sie es gewagt, an der Veranstaltung teilzunehmen, und zog durch ihre bloße Anwesenheit Reaktionen woker Transaktivisten auf sich.
Von einem Schneeball gegen eine Frau, einer Pfeffersprayattacke gegen einen Mann und anderen Angriffen ist z.B. die Rede. „Natürlich waren die Täter männlich und vermummt“, schreibt eine Augenzeugin. Vollbrecht wurde nach eigener Aussage „‚nur‘ geschubst und angeschrien“, weil sie in einer größeren Gruppe die Veranstaltung verlassen habe, während „Frauen, die in kleineren Gruppen unterwegs waren […] geschlagen, getreten und weitaus schlimmer bedroht“ worden seien. Für eine genauere Einschätzung fehlt es an Videoquellen. Im Leipziger Stadtteil Connewitz ist jedenfalls mit Antifa-Gewalt zu rechnen, vielleicht hätten die Veranstalter ortsansässige Flüchtlinge als Security einsetzen sollen.
Böhmermann hetzt
Manche Kommentatoren auf Twitter sehen genau wie die Journalistin Judith Sevinc Basad (ehemals Bild) einen Zusammenhang mit einer vorher ausgestrahlten Folge des Neo Magazin Royale von Jan Böhmermann im ZDF. Der sich mal als Journalist, mal als Satiriker ausgebende Moderator hatte Vollbrecht, Alice Schwarzer und AfD-Frau Beatrix von Storch wegen ihrer Positionen zur Zweigeschlechtlichkeit nicht nur als TERFS, sondern auch als „turds“, also „Scheißhaufen“ bezeichnet.
Hütet eure Zungen
„Sollen wir übers Wetter reden? / Sollen wir über Politik reden?“ fragten R.E.M. in ihrem Pop Song 89. Antwort: Besser nicht am Arbeitsplatz, wenn man für den Meta-Konzern (ehemals Facebook) tätig ist. Im Mark Zuckerbergs Reich müssen sensible Themen unter Kollegen künftig ausgeklammert werden, wie das Magazin Fortune berichtet: Abtreibung, Waffenrecht, Wirksamkeit von Impfstoffen, Bürgerrechtsbewegungen, Wahlen und anderes. Kontroversen darüber haben offenbar die Atmosphäre bei der Arbeit vergiftet und für zu viel „Ablenkung“ gesorgt. Bereits im Sommer untersagte Meta seinem Personal Diskussionen zum neuen Abtreibungsurteil des Obersten Gerichtshofs der USA. Übers Wetter zu sprechen, scheint nicht explizit verboten zu sein; ich rate aber ab, denn man könnte schnell beim Klimawandel landen und sich so womöglich noch in Diskussionen mit Andersdenkenden verstricken.
Yo Niggi
Nicht das Personal des Unternehmens, sondern vermutlich ein Automatismus hat die Facebook-Seite „Verschwundenes Basel“ verwarnt, auf der zum großen Teil historische Motive der Schweizer Stadt präsentiert wurden. Vermutlicher Anlass: Die Bildbetitelung „Basler Niggi-Näggi-Karte anno 1903“. Dieses doppelte N-Wort bezeichnet im örtlichen Sprachgebrauch den Nikolaus. Der Betreiber und Hobby-Historiker Daniel M. Cassaday kritisiert, dass man beim Internetriesen des Baseldeutschen unzureichend mächtig ist. „Facebook sollte mal den Algorithmus überprüfen“.
Eine Kommentatorin auf seiner Facebook-Seite wurde nach Verwendung des Namens „Santi Nigginäggi“ sowie ihrer Einschätzung, Zuckerbergs Medium verstehe „höchstens Halbhochdeutsch und schon gar kein Alemannisch“ ebenfalls der Hate Speech geziehen. Noch letztes Jahr hatte der Konzern übrigens für Schlagzeilen wie diese gesorgt: „Facebook-Algorithmus: Künstliche Intelligenz hält schwarze Menschen für Affen“.
Twitter-Gewitter
Bei der Konkurrenz, dem Kurznachrichtenservice Twitter, geht es derweil anders zu. Die „Twitter Files“, Recherchen zur Zensur durch den Konzern, werden nach und nach veröffentlicht. Dabei öffnet Inhaber Elon Musk die Interna-Schatulle für Journalisten wie Bari Weiss, einst prominentes Cancel-Opfer bei der New York Times, und Achgut.com-Gastautor Michael Shellenberger. Wie man wider öffentliche Dementis Shadowbanning als „Sichtbarkeitsfilterung“ von Accounts betrieb, wie der noch amtierende US-Präsident Trump auf der Plattform eingeschränkt und gelöscht wurde, wie einseitig man zu ungunsten bestimmter Meinungen agierte – all das kommt ans Licht. (Achgut.com berichtete.) Zum Beispiel setzte man Stanford-Medizinprofessor Jay Bhattarcharya auf eine schwarze Liste, weil er die herrschende Corona-Politik kritisiert.
Enthüllungen, die Vermutetes weitgehend bestätigen, das nun Schwarz auf Weiß vorliegt und die zu einer Aufarbeitung beitragen können. Ob die „Wahrheit“ wirklich „Versöhnung“ bringt, wie der in Südafrika aufgewachsene Musk in offensichtlicher Anlehnung an die bekannte Kommission nach dem Ende des Apartheid-Regimes verspricht, wird sich zeigen. Unter Musk führt Twitter das Shadowbanning übrigens weiter, allerdings transparenter und – so wäre zu hoffen – weniger einseitig.
Der Multimilliardär selbst steht in der Kritik, weil es ihm gelungen ist, in einem Tweet von gerade mal fünf Wörtern sowohl die strafrechtliche Verfolgung von US-Behördenchef und Corona-Scharfmacher Anthony Fauci zu fordern als auch die Nutzung von „Pronomen“ zur geschlechtlichen Identifikation zu veralbern. Ersteres findet das Weiße Haus „widerlich“ und „gefährlich“ – und beides in Kombination brachte Musk von einem US-Medium den Vorwurf ein, ein „Rechtsaußen-Aktivist“ zu sein.
Warnung vor dem Muck
Die Geschichte vom kleinen Muck – ein DDR-Kinderfilm von 1953 – basiert auf einem Märchen von Wilhelm Hauff. Im September hatte der MDR angekündigt, Filme wie den Kleinen Muck oder bestimmte Indianerfilme unter Vorbehalt zu stellen und mit Warnhinweisen – die er nicht so nennt – zu versehen (Achgut.com berichtete). Es gehe dabei um „rassistische Stereotype und Diskriminierungen“. Der kleine Muck „reproduziert […] orientalistische Klischees“, hatte die taz schon vor einer Weile kritisiert. Wie ein Sprecher des MDR auf meine Anfrage erklärt, sei der „Film mit einer zutiefst humanistischen Botschaft“ der derzeit einzige „mit einer einordnenden Text-Tafel“ – und zwar wegen Blackfacings; einige Darsteller wurden dunkler geschminkt.
Inzwischen ist der Märchenfilm im MDR entsprechend ausgestrahlt worden. In einer Einblendung weist die Rundfunkanstalt darauf hin, dass sie die „Charta der Vielfalt“ unterzeichnet hat, aber den Film als Kulturerbe trotzdem zeigt. Bei der Charta der Vielfalt handelt es sich um ein Konzernprojekt unter Schirmherrschaft der damaligen bzw. nun des neuen Bundeskanzlers, bei dem es im Kern um „Diversity in der Arbeitswelt“, „ein wertschätzendes Arbeitsumfeld für alle Mitarbeitenden“ einer Organisation geht. Ein Zusammenhang mit der Ausstrahlung von Filmen für Zuschauer lässt sich da nur mühsam herstellen.
Böse Menschen singen keine Lieder
Die Südtiroler Rockband Frei.Wild war schon mal Thema in dieser Kolumne. Gegen ein für nächsten Mai geplantes Konzert der Gruppe in der Münchner Olympiahalle wettert jetzt ein Bündnis unter Beteiligung von Grüner Jugend und Linksjugend. „Da die Band in der Vergangenheit wiederholt antisemitische, geschichtsrevisionistische und rassistische Aussagen getätigt hat und ihre Distanzierung von Rechtsextremismus so glaubhaft ist wie jene eines Björn Höcke“, solle sie in der städtischen Halle nicht auftreten dürfen. Für meinen Vorgänger sind die Musiker „geläuterte ‚Sprache, Brauchtum, und Glaube‘-Rocker“, denen manche „die Jugendsünden nicht verzeihen können“. Ähnlich sieht das Klaus Farin, Gründer des Archivs der Jugendkulturen. Auf der Website der städtischen Olympiapark GmbH findet sich eine Distanzierung von der Band gleich neben der Möglichkeit, Karten für ihr Konzert zu erwerben.
Das geht an die Nieren
Yulia Hicks, 14-jährige ukrainische Adoptivtochter einer Familie in den USA, leidet am Senior-Løken-Syndrom und benötigt daher eine Nierentransplantation. Diese wird ihr allerdings vom Duke University Hospital im heimischen North Carolina verweigert. Begründung: Das Mädchen ist nicht gegen Covid-19 geimpft. Der Zusammenhang erschließt sich nicht unmittelbar, zumal Yulia von einer Corona-Erkrankung genesen sein soll. Die Operation an einem weiter entfernten Transplantationszentrum durchführen zu lassen, wäre für die Großfamilie mit alleine acht biologischen Kindern eine große finanzielle Belastung. Immerhin hat eine Spendenaktion schon eine sechsstellige Summe erbracht. Allerdings übt auch eine Reihe anderer einschlägiger Krankenhäuser in den USA ähnlichen Druck auf potenzielle Organempfänger aus.
Zu Kreuze kriechen
Im Münsteraner Friedenssaal hängt das Kreuz wieder, oben auf dem Berliner Stadtschloss befindet es sich immer noch, aber auf einem Berliner Kinderspielplatz wurde es entfernt. Noch vor der jüngst erfolgten Eröffnung des Spielplatzes im Monbijoupark – Bezirk Mitte, nahe der Museumsinsel – war ein lila Kreuz auf einem Spielgerät durch eine Katzenfigur ersetzt worden. „Da die bisher verwendeten Applikationen von einigen Bürgern religiös interpretiert wurden, haben wir uns kurzerhand dafür entschieden, die Elemente austauschen zu lassen“, erklärte auf Anfrage der B.Z. das Bezirksamt Mitte. An dessen Spitze steht Bezirksbürgermeisterin Stefanie Remlinger, eine – wie in dieser Kolumne schon erwähnt – schwäbische Grüne. Dabei war das Kreuzsymbol sogar ein Wunsch von Kindern, die in die Planung des Spielplatzes einbezogen worden waren.
René R., Chorangehöriger bei den Mainzer Hofsängern, steht unter Verdacht, „zum sogenannten Reichsbürger-Netzwerk [zu] gehören, das die Bundesregierung stürzen wollte“, wie der SWR berichtet. Daher ruht derzeit seine Mitgliedschaft bei der karnevalistischen Sangestruppe, bei Erhärtung des Verdachts droht ihm der Rausschmiss. Dem Chorchef zufolge sei R. dort nicht durch politische Äußerungen aufgefallen.
Entcancelung umstritten
Mehrfach schon in dieser Kolumne ist uns der Comedian Luke Mockridge über den Weg gelaufen. Es ging dabei um den Vorwurf der versuchten Vergewaltigung, den eine Ex-Freundin im letzten Jahr gegen ihn erhoben hatte, und die daraufhin vom Spiegel gestreute Unterstellung, er sei auch noch gegenüber diversen anderen Frauen „übergriffig“ geworden. Deshalb war Mockridge verschiedentlich gecancelt worden. Auch die Einstellung des Verfahrens durch die Kölner Staatsanwaltschaft – mangels hinreichenden Tatverdachts – beruhigte das Ganze nicht so richtig, genauso wenig wie ein Gerichtsurteil, das dem Spiegel unzulässige Verdachtsberichterstattung untersagte.
Bei der Wiederaufnahme seiner Bühnenhows kam es schon ab Frühjahr zu Protesten seitens eines – wie mein Vorgänger damals schrieb – „feministischen Empörungszirkus, der die rechtliche Rehabilitierung des Komikers nach unbewiesenen Vorwürfen sexueller Gewalt einfach nicht akzeptieren kann“. Und jetzt wurde Mockridge sogar von SAT.1 vorzeitig wieder ins Fernsehprogramm genommen, sein Live-Programm mit dem Deutschen Comedypreis ausgezeichnet. Sehen wir hier den „Beweis, dass s [sic!] Cancel Culture nicht gibt“, wie ein Twitter-Kommentar behauptet? Nein, der aus Bonn stammende, italokanadische Komiker wurde temporär auf Verdacht gecancelt, etwa von SAT1; einer Produktion, an der er beteiligt war, wurde die Nominierung für den letztjährigen Comedypreis entzogen.
Jetzt aber darf er offiziell wieder mitmachen, ungeachtet einzelner verbleibender Kritik aus kleineren Kreisen, bei der die Unschuldsvermutung weiterhin keine Rolle spielt. Manche sehen in ihm so oder so einen Täter im Sinne der #MeToo-Kampagne und kritisieren sein TV-Comeback, dringen damit offenbar aber nicht mehr bis nach ‚oben‘ durch. Eine gewisse Rufschädigung dürfte kleben bleiben, aber der Fall Mockridge zeigt auch, dass nicht jede Cancel-Einschränkung von Dauer sein muss.
Und so endet der allwöchentliche Überblick des Cancelns, Framens, Empörens, Strafens, Umerziehens, Ausstoßens, Zensierens, Entlassens, Einschüchterns, Moralisierens, Politisierens, Umwälzens und Kulturkämpfens. Bis nächste Woche!
Ein Archiv der Cancel Culture in Deutschland mit Personenregister finden Sie unter www.cancelculture.de. Um auch weniger prominente Betroffene aufnehmen zu können, sind die Betreiber der Webseite auf Hinweise angewiesen. Schreiben Sie ihnen gerne unter cancelculture@freiblickinstitut.de.