Nach dem „Potsdamer Treffen“ wurde der Teilnehmerin Simone Baum bei der Kölner Stadtverwaltung gekündigt, außerdem läuft ein CDU-Ausschlussverfahren. Dem Feuerwehrmann, der die Bauern grüßte, droht ein Disziplinarverfahren.
Dieses Jahr steht inzwischen im Zeichen einer „Anti-Rechts-Bewegung“, die auch gewisse CDUler erfasst. Jedenfalls solche, die bei der Remigrationskonspiration anwesend waren. Vor zwei Wochen war hier schon von Ulrich Vosgerau die Rede, aber nur kurz von zwei Damen, die der Werteunion angehören. Gegen Simone Baum aus dem Oberbergischen Kreis in NRW läuft wegen ihrer Teilnahme in Potsdam ein Verfahren zum Ausschluss aus der CDU. Im Zuge der Parteiwerdung der Werteunion könnte dies bald gegenstandslos werden, da Baum als Stellvertreterin Hans-Georg Maaßens wenig überraschend mit einem Übertritt liebäugelt.
Härter dürfte die Politikerin aus Engelskirchen bei Gummersbach treffen, dass ihr Arbeitgeber ihr gekündigt hat. Bei diesem handelte es sich um die Stadt Köln. In der Verwaltung der rheinischen Metropole war Simone Baum bisher beim Umweltamt beschäftigt. Die Kündigung begrüßen Politiker von CDU und Linkspartei, berichtet der WDR, während sich die Volt-Fraktion skeptisch zeigt, „wenn wegen politischer Stellungnahme arbeitsrechtliche Konsequenzen gezogen werden“. Ob die Angestellte Baum gegen die Kündigung arbeitsgerichtlich vorgehen wird, war bei Redaktionsschluss nicht bekannt.
Schöner wohnen ohne Baum?
Damit nicht genug: Der Bürger- und Verschönerungsverein Loope (BVV) in Engelskirchen hat sein Mitglied Baum rausgeschmissen. Den öffentlich bekanntgegebenen Ausschluss begründet der Vorstand unter anderem mit „einem menschenverachtenden Weltbild der Teilnehmer“ besagten Treffens. „Die Demokratie muss sich wehren. Wir fangen in einem kleinen Verein damit an.“ Ein solcher Ausschluss sei ein Novum in der 70-jährigen Vereinsgeschichte. (Bei einer hundertjährigen BVV-Geschichte sähe das vielleicht schon anders aus.)
Mit Baum zusammen war Michaela Schneider am Lehnitzsee zugegen. Schneider wohnt im gleichen Landkreis, und zwar in der Gemeinde Morsbach. „700 Menschen gehen im Wohnort von Michaela Schneider auf die Straße“, frohlockte die Kölnische Rundschau dieser Tage anlässlich einer Anti-Rechts-Parade. Schneider war Mitglied der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) der Unionsparteien, nicht der CDU selbst. Mit ihrem Austritt aus der MIT kam sie jetzt möglichen „Konsequenzen“ zuvor. Die Werteunion nimmt zur Potsdamer Teilnahme beider Frauen Stellung: „Wenn sie heute neu entscheiden könnten, würden sie die Einladung einfach ausschlagen.“
Ein Haus am See
Der Schauplatz des Ereignisses, das Landhaus Adlon, gehört Wilhelm Wilderink. Der promovierte Jurist aus Westdeutschland gehört dem Kreisvorstand der Potsdamer CDU an. Noch. Denn als Wilderink nun zugeben musste, selbst auch dabei gewesen zu sein, wurde ihm der Austritt aus seiner Partei nahegelegt. Kreisvorsitzender Steeven Bretz will sonst – in Abstimmung mit dem Konrad-Adenauer-Haus – ein Ausschlussverfahren gegen ihn anstrengen. Betrieben wird die Villa von Wilderink und seiner Ex-Partnerin Mathilda Martina Huss.
Liebling Brandenburg
Apropos Brandenburger CDU: Landtagsabgeordneter Frank Bommert trat als Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses im Potsdamer Parlament zurück. Hintergrund: „Lieber Gott, letztes Jahr hast Du meinen Lieblingsrockstar Tina Turner zu Dir gerufen, meine Lieblingsskifahrerin Rosi Mittermeier und vor Kurzem erst meinen Lieblingsfußballer Franz Beckenbauer“, schrieb er in seinen WhatsApp-Status. „Meine Lieblingspolitiker sind Robert Habeck, Annalena Baerbock und Ricarda Lang. Ach, und Olaf Scholz.“ Anfänglich behauptete der Politiker – stellvertretender Landesvorsitzender seiner Partei und ebenso Vize ihrer Landtagsfraktion – jemand aus seiner Familie habe den Eintrag abgesetzt, musste dann aber eingestehen, dass er aus seiner Feder geflossen war. Das Präsidium der Landespartei erteilte ihm dafür einen Verweis.
Neutrale Stimmung
Nebenan, in der Bundeshauptstadt, droht einem Feuerwehrmann ein Disziplinarverfahren. Der Berliner Brandbekämpfer hatte während der Bauernproteste, vor der Feuerwache Wittenau stehend, vorbeifahrenden Traktoren applaudiert und sie mit La-Ola-Verbeugungen gewürdigt. Ein kurzes Video der Szene verbreitete sich. Nun wird ein Verstoß gegen das Neutralitätsgebot für Beamte geprüft, und offenbar sogar ein Strafverfahren. Eine solche Pflicht gilt offenbar nicht für tanzende Polizisten beim Christopher Street Day oder niederknieende Ordnungshüter bei Black Lives Matter. Bei einer herzlichen Geste gegenüber Coronaprotest-Demonstranten oder einer Umarmung für Regierungskritiker kann das schon anders aussehen.
Ein „Faktencheck“ des Bayerischen Rundfunks hatte sich 2021 die Neutralitätspflicht so zurechtbiegen wollen, dass das Knien vor Schwarzen in Ordnung geht, man „Querdenkern“ aber keine Sympathien zeigen dürfe. Weiterhin gilt die damalige Einschätzung von Rainer Wendt, dem Vorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft: „Ob es Polizeikräfte, Künstler oder sonstwer ist, jeder darf alle Zeichen setzen, gerne auch öffentlich, wenn sie nur dem politischen Mainstream entsprechen.” Gegner herrschender Narrative hingegen werden anders behandelt.
Im vorliegenden Fall geht es um die Bauernproteste, von denen sich die Oberen zwar etwas distanzieren, die aber breite Sympathien in der Bevölkerung genießen. Bei einem Feuerwehrmann vor seiner Wache sollten zudem andere Maßstäbe angelegt werden als bei Polizisten im Demoeinsatz. Solidarität mit dem Betroffenen bekunden inzwischen andere Feuerwehrleute und viele Bürger – darunter Landwirte. „Der Protest ist sowohl der Feuerwehr-Führung als auch der Innensenatorin unangenehm“, schätzt die Berliner Zeitung die Situation ein. „Man wolle nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen.“
Genderzwang beim THW
Von den Floriansjüngern zu anderen Uniformträgern. Nach mehr als 30 Jahren hängt David Domjahn seine Tätigkeit beim Technischen Hilfswerk (THW) an den Nagel. Domjahn, ehrenamtlicher Medienbeauftragter des Karlsruher THWs, stört sich an einer Direktive der Bundesbehörde, die ihn zur Verwendung von Gendersprache zwingt. Als Synästhetiker hat er Probleme, solche Texte überhaupt lesen zu können – ähnlich wie offenbar auch einige Autisten. Auf seine Bedenken hin teilte ihm die Bundesanstalt mit: „Als BÖ [Beauftragter für Öffentlichkeitsarbeit] wirst du den Sternchen häufig auf anderen Kanälen begegnen. Wenn du das mit deiner eigenen Gesundheit nicht vereinbaren kannst, musst du dir überlegen, ob die Position des BÖ so für dich noch machbar ist“.
Neben seiner persönlichen Problematik behagt Domjahn auch gesellschaftlich „die Spaltung in vermeintlich ‚fortschrittliche Gendersensible‘ und im logischen Umkehrschluss scheinbar ‚rückständige GenderUNsensible‘“ nicht. Der „LGBT-Angehörige“, IT-Unternehmer und Künstler zeigt sich vom „Dauerbeschuss mit Regenbogenflaggen und Gendersternen selbst genervt“. An die Stelle der „allgegenwärtigen arrogant-erzieherischen Regenbogenfahne“ sollte besser die deutsche Nationalflagge treten, so Domjahn in einem vielbeachteten Post auf der Instagram-Präsenz des Karlsruher TWH. „Reißen wir den falschen Propheten der Woke-Bewegung ihre Maske vom Gesicht!“
Jetzt ist für ihn Schluss beim THW, für das er auch mal in Somalia wirkte. Domjahn besitzt außerdem noch Expertise in Sprengtechnik, äußert sich unter anderem zum Thema Nord Stream. Letztes Jahr spielte er indirekt eine Rolle, als sich ein ARD-„Faktenfinder“ dabei mit der Fehlübersetzung „Sprengstoff in Pflanzenform“ blamierte, klärte das aber auf.
Kulturrevolution in Oberschwaben
Einen in der AfD aktiven Lehrer trifft es in Ravensburg. Andreas Piekniewski unterrichtet Gemeinschaftskunde an der örtlichen Gewerblichen Schule, ehrenamtlich gehört er dem Kreisvorstand Bodenseekreis seiner Partei an. Jetzt ist an einer Wand seiner Schule ein Graffito aufgetaucht; „AFD Unterricht Nein Danke“ prangt dort in roten Lettern. Einem der Schwäbischen Zeitung vorliegenden Bekennerschreiben, das angeblich aus der Feder von Schülern stammt, zufolge waren die Potsdamer „Geheimkonferenz“ und eine von Piekniewski geleitete Demo gegen ein Flüchtlingsheim die Anlässe. Er habe „dabei mit einem Banner mit der Aufschrift ‚Remigration Jetzt‘ posiert“, zitiert der Stern eine anonyme Person, bei der es sich um einen Schüler (oder eine Schülerin) handeln soll. „Von Lehrer*innen wie diesem muss sich niemand unterrichten lassen und es ist unsere Pflicht als Schüler*innen, dass wir so etwas nicht zulassen!“
Schulleiter Bernd Vogt hat wegen des Graffito Anzeige erstattet. „An unserer Schule gibt es keinen CDU-, Grünen-, SPD-, FDP-, ÖDP-, AfD-... Unterricht.“ Nicht das Parteibuch sei ausschlaggebend, sondern der Lehrplan. Norbert Zeller, ein SPD-Mann aus dem Bodenseekreis, bittet in einem Schreiben an die Kultusministerin, die Verfassungstreue des Lehrers zu überprüfen. Im umgekehrten Fall entsteht normalerweise keine Aufregung.
Vor bald 60 Jahren startete in China Maos Kulturrevolution, die nicht zuletzt die Schulen erfasste. „Wir schlugen unsere Lehrer, denunzierten unsere Eltern, zerstörten jahrtausendealte Kulturgüter und verloren jegliches Gespür von Anstand und Moral“, erzählte ein Teilnehmer später.
Bunte Toleranz gegen Versammlungsfreiheit
Wie bei Maos eingangs erwähnter Anti-Rechts-Bewegung stellt sich auch aktuell die Frage, wer alles als rechts gilt. So heftet man den Montagsspaziergängen in der Ruhrgebietsstadt Hattingen, die sich aus den Coronaprotesten entwickelt haben, dieses Etikett an. Waren Gegendemos in der Vergangenheit kleiner und gesitteter, konnte diesen Montag eine lautstark „Haut ab“ rufende Masse mobilisiert werden. Aus dieser heraus kam es zu mehreren rechtswidrigen Störungen der turnusmäßigen Versammlung von „Hattingen für Frieden“. So wurde ein Redner aus nächster Nähe angeschrien und einem anderen entriss später eine ältere Dame (eine „Oma gegen Rechts“?) kurzzeitig das Mikrofon. Die Polizei zeigte sich im Umgang damit wenig engagiert.
Nein zur Spaltung, Ja zum Töten
Dass bei einer Demo in Aachen ein Frontbanner mit der Aufschrift „AfDler töten“ mitgeführt würde, war hier letzte Woche Thema. In einem Statement teilte der Fußballverein Alemannia Aachen am Freitag mit, man wollte sich nicht an Demos beteiligten, bei denen solche Slogans gezeigt würden und lehne die „Spaltung der Gesellschaft“ ab. „Selbstverständlich sind wir gegen alle Formen von Hass, Hetze und Extremismus – egal von welcher Richtung er kommt!“ Nach Empörung und wohl auch Beifall von der „falschen“ Seite ruderte die Vereinsführung am Samstag zurück wie ein Olympia-Achter. Der Post sei ein „Fehler“ gewesen, man „distanziert sich ausdrücklich und nachdrücklich von der AfD“. Auch trügen die offiziellen Demos nicht zu einer Spaltung bei, sondern „zum Erhalt unserer freien, pluralistischen und toleranten Gesellschaft“. In einer solchen Gesellschaft muss ein Sportclub natürlich höllisch aufpassen, wie er sich öffentlich äußert.
Musikrichtungen unsportlich
Ein anderer Fußballverein, nämlich Bayer Leverkusen, ist jetzt vom Deutschen Fußballbund (DFB) zu 18.000 Euro Strafe verdonnert worden. Wie im Dezember behandelt, hatten Fans im Stadion ein Spruchband mit dem Text „Es gibt viele Musikrichtungen, aber nur zwei Geschlechter” ausgerollt. Diese Aktion fand beim Auswärtsspiel in Bremen statt, und zwar am 25. November (also ausgerechnet dem neuen „Tag von Potsdam“). Ein „diskriminierendes unsportliches Verhalten“ stellt das fürs DFB-Sportgericht dar. Immerhin: Ein Drittel der Strafe darf der Verein selbst ausgeben, und zwar für „präventive Maßnahmen gegen Diskriminierung“. Das macht 3.000 Euro pro Geschlecht.
Es bilderstürmt wieder
„Die Kolonie wird fallen“ steht in roten Lettern gesprüht auf dem Sockel eines Denkmals im australischen Melbourne. Gefallen ist jedenfalls die Statue von Kapitän James Cook, die sich seit über 100 Jahren auf ebenjenem Sockel befand. Der Seefahrer Cook hatte einen Teil Australiens 1770 zur Kolonie des britischen Reichs erklärt. Der jetzige Vorfall fand zum australischen Nationalfeiertag am letzten Freitag statt, dem Jahrestag der ersten Flottenankunft 1788. Bereits 2018 und 2022 war das Cook-Standbild beschmiert worden, diesmal sägte man es – an den Knöcheln – gleich ganz ab. Außerdem wurde ein Königin-Victoria-Denkmal, ebenfalls in Melbourne, geschändet, aber nur mit Farbe. Manche Ureinwohner – und natürlich die Woken – betrachten den Nationalfeiertag als „Invasions“-Party.
Gedenken geplatzt
Am vergangenen Samstag wiederum wurde der Holocaust-Gedenktag begangen. Außer in Freital bei Dresden, da hat man die angestammte Veranstaltung kurzfristig abgesagt (Achgut berichtete). Hintergrund: Die Gedenkrede hält im jährlichen Wechsel ein Vertreter je einer anderen Stadtratsfraktion. Diesmal wäre eine gewisse AfD an der Reihe gewesen. Kritik, unter anderem von Christoph Heubner, dem Vizepräsidenten des Internationalen Auschwitz Komitees, bezeichnete Oberbürgermeister Uwe Rumberg – von der Konservativen Mitte, der größten Kraft im Rat – als „aktuell aufgetauchte Befindlichkeiten“ und hielt am üblichen Ablauf fest. „Ob es nun allen passt oder nicht: Die AfD-Fraktion sitzt demokratisch gewählt im Stadtrat.“
„Das müsse eine Demokratie aushalten“ ließ sich selbst ein SPD-Politiker vernehmen, der dem Ältestenrat der Kommunalvertretung angehört. Letzten Freitag dann die Wende: Der OB sagte die Gedenkveranstaltung in der sächsischen Mittelstadt ganz ab. Er sah „die Sicherheit der Veranstaltung und der Teilnehmer“ gefährdet. Offenbar waren Rathausmitarbeiter sowie Kommunalpolitiker beschimpft und bedroht worden. Angesichts dessen sei „ein würdiges und friedliches Gedenken nicht möglich“, so das Stadtoberhaupt.
Kein Kaffee für AfD-Sympathisanten
Ins Gerede kam am Montag Suedhang, ein Café samt Kaffeerösterei aus Tübingen (Achgut berichtete ebenfalls). Das Unternehmen („Wir versuchen, unsere Kunden […] mehr und mehr zum veganen Konsum zu bewegen“) schaltete den Online-Bestellungen in seinem Webshop eine Gesinnungsprüfung vor. Wer dort Kaffee ordern wollte, musste – wie Twitter-User berichteten – folgendes Glaubensbekenntnis bestätigend ankreuzen: „Hiermit erkläre ich, dass ich mich von rechtem Gedankengut distanziere. Insbesondere hege ich keinerlei Sympathien für die AfD und ihr nahestehende Gruppierungen.“ Sonst war ein Kauf offenbar gar nicht möglich. Später ersetzte der Laden die Formulierung durch eine andere: „Hiermit bestätige ich, dass ich mich zu den Werten der Verfassung und [?] des Grundgesetzes bekenne. Das rechtsradikale Konzept der Remigration lehne ich ab.“ Schließlich entfiel die Hürde wieder. Suedhang wollte dazu gegenüber Achgut leider keine Stellung beziehen.
Kein Stammtisch für AfDler
Bleiben wir in der Region. Im Restaurant Split, der Vereinsgaststätte der SG Reutlingen, darf die örtliche AfD keinen Stammtisch mehr abhalten. Grund: Wirt Dejan Tolic wurde unter Druck gesetzt. Das Bündnis „Gemeinsam und Solidarisch gegen Rechts – Reutlingen und Tübingen“ forderte ihn per E-Mail und Telefon auf, künftig den Kreisverband der Partei nicht mehr zu bewirten. Dem Bündnis gehören einige Gewerkschaften, Linkspartei, Omas gegen Rechts, Antifa und andere an. Dem Wirt könnte bewusst sein, dass bei Nichtbefolgen solcher Anweisungen Sachbeschädigung droht. Das Bündnis wählte aber den Weg über die Öffentlichkeit. In einem Offenen Brief wurde Tolic „falsche Neutralität“ gegenüber „rechten Rattenfängern“ vorgeworfen. Tolic haben die ganzen Vorgänge so zugesetzt, „dass er Deutschland erstmal für ein paar Wochen verlasse und nach Kroatien fliehe“, wie ihn der SWR wiedergibt. Ein Gemeinderatsmitglied der AfD bat den Reutlinger Oberbürgermeister Thomas Keck (SPD), sich im Sinne der Meinungsfreiheit dafür einzusetzen, dass auch die AfD Räume nutzen könne. Der OB wies das von sich.
Die Gedanken sind frei, wer kann sie erraten?
Jüngst hatte der Journalist Boris Reitschuster noch spekuliert, ob demnächst „AfD-freie Häuser“ anstehen. Wenige Tage später musste er bereits berichten, dass „bei falscher Meinung fristlose Kündigung der Wohnung“ droht. Die Eisenhüttenstädter Wohnungsbaugenossenschaft (EWG) teilte nämlich mit: „Wir akzeptieren und dulden keinerlei rechtsextreme Aussagen, Handlungen oder Gedanken. Weder in unseren Objekten, noch in unserer Genossenschaft. […] Für uns stellen sie einen Grund einer fristlosen Kündigung und dem [sic!] Ausschluss als Mitglied der Genossenschaft dar.“ Wer also in den 5.000 Wohnungen der EWG in der einstigen Stalinstadt nicht aufpasst – sei es in seinem Badezimmer, sei es in der Kellerbox –, der begeht am Ende noch ein Gedankenverbrechen. Früher hörte „Horch und Guck“ mit, aber selbst die konnten keine Gedanken lesen.
Abstandsgebot
An der US-Elite-Universität Princeton können Studenten Kontakt- und Kommunikationssperren gegenüber Kommilitonen erwirken (Anm. d. Red.: Bei der Kontaktsperre solll etwa vermieden werden, dass beide Kommilitonen sich „am selben Ort befinden“, obwohl nicht sichergestellt werden könne, dass sie sich trotzdem auf dem Campus begegnen). Dieses Instrument wurde nun zum zweiten Mal genutzt, um studentischen Journalisten die Arbeit zu erschweren. In beiden Fällen, einem von 2022 und einem vom letzten November, geht es um Berichterstattung über die Aktivitäten propalästinensischer Gruppen auf dem Campus. Mitarbeitern studentischer Medien wird auf diese Weise die kritische Auseinandersetzung mit antiisraelischen Protesten sehr erschwert. Die Bürgerrechtsorganisation FIRE und die jüdische Anti-Defamation League haben sich daher bei der Uni beschwert – mit Erfolg, Princeton hat seine einschlägigen Vorschriften nun deutlich ausgedünnt und eingeschränkt.
Im aktuellen Fall hatte sich die Reporterin eines konservativen Studentenmagazins das Kontaktverbot von jemandem eingehandelt, der sie zuvor physisch an der Berichterstattung hindern wollte, unter anderem durch Versperren des Kamerasichtfelds. Zur Veranschaulichung: Ähnliches widerfährt zum Beispiel dem sächsischen YouTuber Sebastian Weber alias Weichreite ständig, wenn er Demos mit Antifa-Beteiligung überträgt, wie vergangenen Samstag in Gera. Das erfolgt typischerweise mittels Regenschirmen, diesmal auch durch die Linkspartei-Landtagsabgeordnete Katharina König-Preuss.
Woke Psychos
Letztes Jahr hatte ich Ihnen von Esther Bockwyt berichtet, deren Manuskript „Woke. Psychologie eines Kulturkampfs“ ein Verlag nicht veröffentlichen wollte. Boykwyt hat einen anderen gefunden, das Buch erscheint am Montag im Westend-Verlag. Aus der Beschreibung: „Wie ist eine ‚woke Psyche‘ verfasst, wenn Narzissmus, Gewissenhaftigkeit oder Aggression ein gesundes Maß überschreiten? Wie entsteht im Zusammenspiel mit Gruppendynamiken überhöhte Meinungskontrolle, die zur Cancel Culture, also dem Boykott von Personen, Gruppen oder Kultur, führen kann?“
Und so endet der allwöchentliche Überblick des Cancelns, Framens, Empörens, Strafens, Umerziehens, Ausstoßens, Zensierens, Denunzierens, Entlassens, Einschüchterns, Moralisierens, Politisierens, Umwälzens und Kulturkämpfens. Bis nächste Woche!
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