Ulrike Stockmann / 25.07.2021 / 12:00 / Foto: Manfred Werner / 106 / Seite ausdrucken

Was ist eigentlich mit den Künstlern los?

Helge Schneider brach gerade einen Auftritt ab, weil mit Maske und Abstand keine Stimmung aufkam. Die Auflehnung der Künstler gegen das Corona-Regiment bleibt insgesamt aber merkwürdig still.

Während der mutmaßlichen Corona-Pandemie leidet nicht zuletzt die Veranstaltungs- und Eventbranche enorm. Betroffen sind Künstler jeglicher Couleur, die von ihren Auftritten leben, aber natürlich auch sämtliche damit verbundene Branchen: Veranstaltungs-Unternehmen, Kultur-Einrichtungen und Cateringfirmen inklusive der entsprechenden Mitarbeiter, Bühnentechniker und so weiter.

Doch während Gastronomen und Ladenbesitzer immerhin die #wirmachenauf-Kampagne starteten, blieb es in Künstlerkreisen merkwürdig ruhig. Verdächtig ruhig, um genauer zu sein. Denn abgesehen von den persönlichen Nachteilen, die beispielsweise Schauspieler, Regisseure und Kostümbildner von dem quasi Arbeitsverbot seit bald eineinhalb Jahren davontragen, müsste die ganze Art und Weise dieser undemokratischen Verordnungen doch eigentlich jeder rebellischen Künstlerseele aufstoßen. Hat es nicht Tradition, dass politischer Widerstand gerade auch in der Kulturbranche Widerhall findet und von dort wichtige Impulse des Ungehorsams ausgehen?

Doch bislang wagten sich nur wenige Künstler vor, um öffentliche Kritik zu üben. Die mittlerweile legendäre #allesdichtmachen-Kampagne von Dietrich Brüggemann und Jan Josef Liefers schlug zwar ein wie eine Bombe – einige der Schauspieler, die an den Protest-Videos mitwirkten, knickten aber angesichts der anschließenden Medienschelte ein, darunter Heike Makatsch und Ulrike Folkerts. Dabei hatte es vonseiten der YouTube-Zuschauer enorm viel Zuspruch gegeben.

„Behalte ich mir das Recht vor, die Show abzusagen“

Im deutschsprachigen Raum gehört eindeutig Nena zu den Pionieren des Protestes: Anfang des Jahres hatte der Ticketverkäufer Eventim sich für die Möglichkeit einer künftigen Impfpflicht auf Konzerten ausgesprochen, sobald genügend Impfstoff für alle vorhanden sei. Nena verkaufte damals Tickets für ihre aktuelle Tour über Eventim und gab daraufhin über die sozialen Netzwerke bekannt, dass es auf ihren Konzerten keine Impfpflicht geben werde. Ihr Post sorgte für viel Furore und Lob vonseiten ihrer Fans. Eventim versuchte zu relativieren, sah dabei aber sehr ungeschickt aus und erntete Kritik.

Eine Impfpflicht auf Konzerten gibt es in Deutschland bislang nicht und möglicherweise hatte Nenas öffentlichkeitswirksame Weigerung einen Anteil daran, dass bis jetzt davon abgesehen wurde.

In Großbritannien forderte jetzt allerdings Boris Johnson, „dass Besucher Clubs und Veranstaltungsorte nur betreten dürfen, wenn sie einen Covid-Pass über ihre vollständige Impfung vorzeigen können“, wie die FAZ berichtet.

Daraufhin fasste sich Gitarren-Legende Eric Clapton ein Herz und ließ über den Telegram-Kanal „des italienischen Architekten, Filmproduzenten und Impfgegners Robin Monotti Graziade“ verbreiten, dass er „auf keiner Bühne auftreten werde, vor der Publikum anwesend ist, das diskriminiert wird. Wenn nicht vorgesehen ist, dass jeder kommen kann, behalte ich mir das Recht vor, die Show abzusagen“.

„Das System hier ist fadenscheinig und dumm“

Clapton gehört mittlerweile zu den gestandenen Corona-Maßnahmen-Kritikern. Zum Jahreswechsel hatte er mit der Blues-Größe Van Morrison den Protest-Song „Stand and Deliver“ aufgenommen. Widerstandsgeist bewies am Freitag ebenfalls Helge Schneider bei einem Auftritt in Augsburg: Beim „Strandkorb-Open-Air“ wollte dank Abstand und Maskenpflicht beim Verlassen des Sitzplatzes keine rechte Stimmung aufkommen. Nach knapp 40 Minuten reichte es dem Komiker: „Das System hier ist fadenscheinig und dumm. Es tut mir leid für euch und vielleicht bekommt ihr euer Geld wieder zurück.“

„Unprofessionell“, nannten das Fans in der Augsburger Allgemeinen. Die Enttäuschung ist verständlich – aber Protest tut nun einmal immer auch weh.

Foto: Manfred Werner CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Stefan Zorn / 25.07.2021

Helge Schneider ist das, was man einen Freien Geist nennt. Dafür ist er zu beneiden!

Bernd Zeller / 25.07.2021

Die Künstelnden sind nun mal auf den Staat mehr angewiesen als auf das Publikum. Jedenfalls lässt der Staat sie das glauben.

Rupert Drachtmann / 25.07.2021

Gut gemacht Helge! Hast halt noch Deine Eier. Jetzt kommt langsam Druck in den Kessel. Mal sehen wer den standhält. Das System ist augenscheinlich am Ende.

Peter Wachter / 25.07.2021

Originalaufnahme auf YT:“Helge Schneider bricht Strandkorb Konzert ab – wegen der Atmosphäre durch das Konzept”. Lest auch die Kommentare, es gab rund 3500 Daumen hoch und nur 100 Daumen runter.

Thomas Dornheck / 25.07.2021

Der Grund für das Schweigen der Künstler ist ganz einfach: sie stimmen ideologisch überein mit den Befehlsgebern in Regierung, Parlament, Polizei und Verwaltung. Wer gegen unverhältnismäßige C-Maßnahmen aufbegehrt, ist nicht “auf Linie”. Wer nicht “auf Linie” ist, wird ausgeschlossen aus der Welt der Herrscher.

Frank Stricker / 25.07.2021

Ein “Strandkorb Open-Air” in Augsburg , welcher Veranstalter kommt im nüchternen Zustand auf so eine bescheuerte Idee ? Da kann man ja gleich die “Nonne des Jahres” auf St- Pauli suchen….....

Boris Kotchoubey / 25.07.2021

Seit Jahren investiert der Staat immer mehr in die Kunst. Immer weniger Künstler, Dichter, Schriftsteller, Schauspieler leben von ihren Honoraren, Gagen, vom Verkauf ihrer Werke. Immer größerer Teil ihres Einkommens besteht aus Verträgen mit staatlichen oder mit dem Staat verbundenen Strukturen, aus Einstellungen bei staatlichen Medien, aus Preisen und Stipendien von angeblich “privaten” Stiftungen, deren Hauptgeldgeber jedoch wieder der Staat ist. Die Kunst ist gekauft worden. Unter diesen Umständen ist es keine Überraschung, dass die meisten “Kunstschaffenden” (das Wort aus den NS- und DDR-Zeiten) ihre totale Abhängigkeit von der Regierung spüren und hoffen, durch Kniekriechen midenstens ein Stück Brot zu bekommen.

Martin Sedlmeier / 25.07.2021

Warum die Künstler nicht aufmucken? Nun: Die Allergrößten leben von Fernsehgeldern und Sponsorenverträgen, die halten sich aus gutem Grund bedeckt - außer sie verkehren in der finanziellen Top-Liga wie Liefers. Die Festangestellten an Theatern, Opern- und Konzerthäusern werden zum größten Teil von der Öffentlichen Hand gefüttert, die man bekanntlich nicht beißen sollte. Das große Heer der Freischaffenden kämpft ums nackte Überleben, da bleibt weder Zeit noch Geld für kräftezehrende, öffentliche Aktionen. Mit den besten Grüßen Ein Künstler

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