Ulrike Stockmann / 20.01.2024 / 10:00 / Foto: Achgut.com / 11 / Seite ausdrucken

Kleinkrieg um Gender-Regeln im Südwesten?

Derzeit können Bürgerinitiativen gegen die Gendersprache Erfolge verbuchen, auch im grün-schwarz regierten Baden-Württemberg. Das CDU-geführte Innenministerium bremst dort eine solche Initiative eines CDU-Mitglieds aus, welche die CDU-Landtagsfraktion aber unterstützt. Der Innenminister laviert.

Den Anfang machte zu Beginn des letzten Jahres Achgut-Autorin Sabine Mertens, die die Hamburger Volksinitiative gegen die Gendersprache in Verwaltung und Bildung ins Leben rief. Die erste Hürde des dreistufigen Hamburger Modells zum Volksentscheid (10.000 gültige Unterschriften bis zum 6. August 2023) schaffte die Aktion mühelos. Falls die Hamburger Bürgerschaft dem erfolgreichen Anliegen der Initiative nicht entspricht, wird es im Juli 2024 zu einem Volksbegehren kommen. Wenn dann rund 66.000 gültige Unterschriften (5 Prozent der Wahlberechtigten) in drei Wochen zusammenkommen, würde sich im Herbst 2025 ein Volksentscheid anschließen.

Ähnliche Initiativen in Hessen und Baden-Württemberg zogen nach, auch in Sachsen-Anhalt, Niedersachsen und Schleswig-Holstein soll Derartiges geplant sein. Beim Vorstoß in Baden-Württemberg wurde vor Kurzem ebenfalls erfolgreich die erste Stufe bis zur Volksabstimmung genommen – so schien es zumindest. Anfang Dezember übergab die Initiative „Stoppt Gendern in Baden-Württemberg“ 14.000 Unterschriften dem Innenministerium, um ein Volksbegehren zu beantragen. Ins Leben gerufen wurde das ganze von Klaus Hekking, Heidelberger Rechtsanwalt und CDU-Mitglied (Achgut berichtete).

Doch wie sich herausstellte, hat Baden-Württemberg den Antrag aus formalen sowie inhaltlichen Gründen abgelehnt. „Der Gesetzentwurf, der mit dem Zulassungsantrag eingereicht wurde, entspricht nicht dem Gesetzentwurf, den die Mehrheit der Unterstützer unterschrieben hat. Damit ist der überwiegende Teil der beim Innenministerium eingereichten 14.013 Unterschriften ungültig“, schrieb das Innenministerium am 10. Januar.

Rechtschreibung und der „dynamische Wandel“

Wie Kai Rebmann bei Reitschuster befindet, wirken die Vorwürfe jedoch reichlich an den Haaren herbeigezogen. So handele es sich bei den monierten Textstellen nicht um „sinnentstellende Passagen“, sodass der Bürgerwille erkennbar bleibe – „wenn man es denn möchte“. Doch das Innenministerium des Ländle mochte offensichtlich nicht. Im Gespräch bestätigte mir Initiator Klaus Hekking diesen Eindruck. Beklagt wurden laut seiner Aussage folgende Abweichungen: An einer Stelle im eingereichten Gesetzentwurf heißt es „Gendersprache“, während beim online veröffentlichten Gesetzentwurf von der „sogenannten Gendersprache“ die Rede war. Eine weitere Abweichung fände sich an der Stelle „Universitäten, Hochschulen, Schulen und sonstigen Bildungseinrichtungen“. In der eingereichten Fassung fehlte der Zusatz „sonstigen“.

Das Innenministerium befand außerdem, dass die Forderung der Initiatoren, die Schreibweise in öffentlichen Einrichtungen müsse sich in Baden-Württemberg am Amtlichen Regelwerk orientieren, nicht statthaft sei. Denn dieses sehe „durchaus auch Regelungen zur geschlechtsneutralen Sprache vor“. Da die Regelungen zur Rechtschreibung ganz grundsätzlich einem „dynamischen Wandel“ unterlägen, erkannte das Innenministerium darin einen Verstoß gegen den „Bestimmtheitsgrundsatz“.

Bestehende „Regelungsdefizite heilen“

Die Anti-Gender-Initiative eines CDU-Mitglieds hat also ausgerechnet vom Haus des CDU-Innenministers Thomas Strobl einen Korb bekommen. Daraufhin hat Hekking am Dienstag beim Verfassungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg eine Klage eingereicht. Am selben Tag traf er sich mit Mitgliedern der CDU-Fraktion, die ihn bereits zuvor um ein Gespräch gebeten hatten und offenbar über den Entscheid aus Strobls Ministerium nicht sonderlich erfreut waren. Sie gaben Hekking zu verstehen, dass der Inhalt seiner Initiative „eins zu eins Beschlusslage der CDU in Baden-Württemberg“ sei. Fühlte sich Strobl diesbezüglich eher seinen grünen Koalitionspartnern verpflichtet?

Wie auch immer: Im Anschluss verkündete der Innenminister ebenfalls am selben Tag, dass das Gendern dennoch in der Sprache der Landesbehörden in Baden-Württemberg unterbunden werden soll. Man wolle in einer Verwaltungsvorschrift festhalten, dass Sonderzeichen wie Binnen-I und Gendersternchen in der Verwaltungssprache künftig nicht mehr zulässig seien. Dies würde dann etwa für den Schriftverkehr von Ministerien oder Regierungspräsidien gelten. Damit würde man bestehende „Regelungsdefizite heilen“, so Strobl. Schulen und Hochschulen sollen von der Regelung zunächst nicht betroffen sein.

Im Gesetzentwurf der Initiative wird, wie bereits angeführt, gefordert, dass „die Landesregierung und die ihr nachgeordneten Behörden, sowie alle übrigen Einrichtungen des Landes“ ausschließlich das Amtliche Regelwerk „Deutsche Rechtschreibung, Regeln und Wörterverzeichnis“ verwenden sollen. Damit lässt Innenminister Strobl zunächst also einen gehörigen Teil der Forderungen der Initiative außer Acht und kommt ihr nur auf halber Strecke entgegen. Es wird sich zeigen, ob seine Fraktion dennoch, wie angekündigt, durchsetzen kann, dass Hekkings Initiative „eins zu eins Beschlusslage der CDU in Baden-Württemberg“ wird. 

 

Ulrike Stockmann, geb. 1991, ist Redakteurin der Achse des Guten. Mehr von ihr finden Sie auf ihrem YouTube-Kanal.

Foto: Achgut.com

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Leserpost

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Jürgen Fischer / 20.01.2024

Naja, der Strobl halt. Der wird immer kleiner und grüner. Wenn er so weitermacht, endet er als Ströbele.

R. Schürmann / 20.01.2024

Mögen die textlichen Abweichungen auch noch so gering sein, wer dem Feind eine offene Flanke bietet, verliert die Schlacht. Da hilft kein Jammern. Man muss halt neu anfangen und versuchen, sich diesmal weniger dumm anzustellen.

Josef Gärtner / 20.01.2024

Ach lasst mir doch das “Gendern”. In diesen schicksalsschweren Zeiten ist es doch das Einzige, worüber man noch herzhaft lachen kann. Und die deutsche Sprache wäre doch langweiliger ohne so abgefahrene Formulierungen, wie z.b. für “Damenfahrrad” das “Zweirad für Verkehrsteilnehmer*hicks*Innen OHNE Stange”.  Wer kann denn sich darüber aufregen? Nur Blödmänner und Blödfrauen! Ach ja, und natürlich Blöddiverse, nicht zu vergessen.

Rolf Mainz / 20.01.2024

Vergessen Sie es, Frau Stockmann! In sämtlichen Grossbetrieben, die mir bekannt sind, gilt Gendersprache längst als Pflichtprogramm. Zuwiderhandlung der Beschäftigten wird äusserst ungern gesehen, kann im Wiederholungsfall in Laufbahnknick und sogar Abmahnung resultieren. Ob Provinzbeamte wieder davon abrücken oder nicht, ist für diese Unternehmen völlig irrelevant, dort wird man keine Kehrtwende machen. Und an sämtlichen pädagogischen Universitäten ist woker Sprech ohnehin derart integraler Bestandteil der Ideologie, so dass die nächste Lehrergeneration intesiv dahingehend indoktriniert werden wird, in einem Masse, dass diese Lehrer Gendersprache für völlig selbstverständlich und sogar angebracht halten werden - mit naheliegenden Folgen für die entsprechend zu unterrichtenden Kinder. Die Saat geht also bereits bestens auf, ob die Bürgerverwaltung in Klein-Kleckersdorf oder Hintertupfingen mitzieht oder nicht.

A.Schröder / 20.01.2024

Leider ist festzustellen, daß die deutsche Sprache als größtes Kulturgut unserer Nation von einem Großteil der Bevölkerung mit Füßen getreten wird. Mit solch Dummheit und Einfalt unter den Menschen haben es Minderheiten einfach, durch Gendern, Denglisch und Anglizismen unsere schöne Sprache zu schädigen. Letztlich gibt das Volk seine eigene Indentität auf und merkt es nicht mal. Im Gegensatz zu intelligenz vererbt sich Armut und Dummheit doppelt schnell. Künstliche Intelligenz soll’s richten, ist aber nur erst geistige, dann wirtschaftliche und politische Knechtschaft.

Rudi Hoffmann / 20.01.2024

Ich gendere auch wo es nur geht !  Zum Beispiel bei der Fußball-Frauenmannschaft ,  wenn die Männinen im Sturm viele Tore schießen die eigene   Tormännin aber alles hält !

Thomas Hechinger / 20.01.2024

@ Fritz Kolb. Es ist, wie Sie es sagen. Mit Herrn Strobl, Innenminister, und Frau Eisenmann, Kultusministerin, verloren bei der Landtagswahl 2021 die zwei wichtigsten Protagonisten der CDU Baden-Württemberg ihren Wahlkreis. Da das Landtagswahlrecht keine Landeslisten vorsieht, hieß das: Ende. Aus. Nein, zurück! Hätte es geheißen. Frau Eisenmann erklärte kurz nach der Wahl ihren Rückzug aus der Politik. Das nötigt mir Respekt ab. Eigentlich nicht. Denn es ist eine Selbstverständlichkeit. Und dann doch wieder. Denn es ist inzwischen keine Selbstverständlichkeit mehr. Herr Strobl dagegen flüchtete sich in eine Koalition mit den Grünen. Jetzt darf als Schoßhündchen unter Herrn Kretschmanns Bett kriechen und sich dort ein warmes Plätzchen suchen. Er kann nur deshalb in Stuttgart noch mitmischen, weil er als Innenminister Regierungsmitglied ist. Würde die Koalition platzen, wäre es das politische Aus für Herrn Strobl. Denn er hat kein Abgeordnetenmandat. Deswegen klammert er sich an diese Koalition. Und so erkläre ich sein Lavieren in der Genderfrage. Die CDU-Fraktion unterstützt das Ansinnen, das im Volksbegehren zum Ausdruck kommt. Herr Strobl will aber den Koalitionspartner nicht verärgern. Es gibt nämlich etwas, das für Herrn Strobl noch wichtiger als das Vorgehen gegen die Gendersprache ist. Und das ist: Er selbst. Eine subalterne Persönlichkeit ohne Rückgrat und Charakter. Ich verachte – fast hätte ich gesagt: ihn. Aber man sollte sich die Verachtung von Menschen für die allerübelste Sorte wie Hitler, Stalin, Mao, Pol Pot und so weiter aufsparen. Ich verachte aber die Haltung, die sich in Herrn Strobls Wesen zeigt. Er selbst ist letztlich ein armes Würstchen. Und so empfinde ich beinahe Mitleid mit ihm.

Bertram Scharpf / 20.01.2024

Als Unterzeichner der Initiative sage ich: Der Blitz soll mich beim Scheißen treffen, wenn ich noch ein Mal in meinem Leben CDU wähle.

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