Derzeit können Bürgerinitiativen gegen die Gendersprache Erfolge verbuchen, auch im grün-schwarz regierten Baden-Württemberg. Das CDU-geführte Innenministerium bremst dort eine solche Initiative eines CDU-Mitglieds aus, welche die CDU-Landtagsfraktion aber unterstützt. Der Innenminister laviert.
Den Anfang machte zu Beginn des letzten Jahres Achgut-Autorin Sabine Mertens, die die Hamburger Volksinitiative gegen die Gendersprache in Verwaltung und Bildung ins Leben rief. Die erste Hürde des dreistufigen Hamburger Modells zum Volksentscheid (10.000 gültige Unterschriften bis zum 6. August 2023) schaffte die Aktion mühelos. Falls die Hamburger Bürgerschaft dem erfolgreichen Anliegen der Initiative nicht entspricht, wird es im Juli 2024 zu einem Volksbegehren kommen. Wenn dann rund 66.000 gültige Unterschriften (5 Prozent der Wahlberechtigten) in drei Wochen zusammenkommen, würde sich im Herbst 2025 ein Volksentscheid anschließen.
Ähnliche Initiativen in Hessen und Baden-Württemberg zogen nach, auch in Sachsen-Anhalt, Niedersachsen und Schleswig-Holstein soll Derartiges geplant sein. Beim Vorstoß in Baden-Württemberg wurde vor Kurzem ebenfalls erfolgreich die erste Stufe bis zur Volksabstimmung genommen – so schien es zumindest. Anfang Dezember übergab die Initiative „Stoppt Gendern in Baden-Württemberg“ 14.000 Unterschriften dem Innenministerium, um ein Volksbegehren zu beantragen. Ins Leben gerufen wurde das ganze von Klaus Hekking, Heidelberger Rechtsanwalt und CDU-Mitglied (Achgut berichtete).
Doch wie sich herausstellte, hat Baden-Württemberg den Antrag aus formalen sowie inhaltlichen Gründen abgelehnt. „Der Gesetzentwurf, der mit dem Zulassungsantrag eingereicht wurde, entspricht nicht dem Gesetzentwurf, den die Mehrheit der Unterstützer unterschrieben hat. Damit ist der überwiegende Teil der beim Innenministerium eingereichten 14.013 Unterschriften ungültig“, schrieb das Innenministerium am 10. Januar.
Rechtschreibung und der „dynamische Wandel“
Wie Kai Rebmann bei Reitschuster befindet, wirken die Vorwürfe jedoch reichlich an den Haaren herbeigezogen. So handele es sich bei den monierten Textstellen nicht um „sinnentstellende Passagen“, sodass der Bürgerwille erkennbar bleibe – „wenn man es denn möchte“. Doch das Innenministerium des Ländle mochte offensichtlich nicht. Im Gespräch bestätigte mir Initiator Klaus Hekking diesen Eindruck. Beklagt wurden laut seiner Aussage folgende Abweichungen: An einer Stelle im eingereichten Gesetzentwurf heißt es „Gendersprache“, während beim online veröffentlichten Gesetzentwurf von der „sogenannten Gendersprache“ die Rede war. Eine weitere Abweichung fände sich an der Stelle „Universitäten, Hochschulen, Schulen und sonstigen Bildungseinrichtungen“. In der eingereichten Fassung fehlte der Zusatz „sonstigen“.
Das Innenministerium befand außerdem, dass die Forderung der Initiatoren, die Schreibweise in öffentlichen Einrichtungen müsse sich in Baden-Württemberg am Amtlichen Regelwerk orientieren, nicht statthaft sei. Denn dieses sehe „durchaus auch Regelungen zur geschlechtsneutralen Sprache vor“. Da die Regelungen zur Rechtschreibung ganz grundsätzlich einem „dynamischen Wandel“ unterlägen, erkannte das Innenministerium darin einen Verstoß gegen den „Bestimmtheitsgrundsatz“.
Bestehende „Regelungsdefizite heilen“
Die Anti-Gender-Initiative eines CDU-Mitglieds hat also ausgerechnet vom Haus des CDU-Innenministers Thomas Strobl einen Korb bekommen. Daraufhin hat Hekking am Dienstag beim Verfassungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg eine Klage eingereicht. Am selben Tag traf er sich mit Mitgliedern der CDU-Fraktion, die ihn bereits zuvor um ein Gespräch gebeten hatten und offenbar über den Entscheid aus Strobls Ministerium nicht sonderlich erfreut waren. Sie gaben Hekking zu verstehen, dass der Inhalt seiner Initiative „eins zu eins Beschlusslage der CDU in Baden-Württemberg“ sei. Fühlte sich Strobl diesbezüglich eher seinen grünen Koalitionspartnern verpflichtet?
Wie auch immer: Im Anschluss verkündete der Innenminister ebenfalls am selben Tag, dass das Gendern dennoch in der Sprache der Landesbehörden in Baden-Württemberg unterbunden werden soll. Man wolle in einer Verwaltungsvorschrift festhalten, dass Sonderzeichen wie Binnen-I und Gendersternchen in der Verwaltungssprache künftig nicht mehr zulässig seien. Dies würde dann etwa für den Schriftverkehr von Ministerien oder Regierungspräsidien gelten. Damit würde man bestehende „Regelungsdefizite heilen“, so Strobl. Schulen und Hochschulen sollen von der Regelung zunächst nicht betroffen sein.
Im Gesetzentwurf der Initiative wird, wie bereits angeführt, gefordert, dass „die Landesregierung und die ihr nachgeordneten Behörden, sowie alle übrigen Einrichtungen des Landes“ ausschließlich das Amtliche Regelwerk „Deutsche Rechtschreibung, Regeln und Wörterverzeichnis“ verwenden sollen. Damit lässt Innenminister Strobl zunächst also einen gehörigen Teil der Forderungen der Initiative außer Acht und kommt ihr nur auf halber Strecke entgegen. Es wird sich zeigen, ob seine Fraktion dennoch, wie angekündigt, durchsetzen kann, dass Hekkings Initiative „eins zu eins Beschlusslage der CDU in Baden-Württemberg“ wird.
Ulrike Stockmann, geb. 1991, ist Redakteurin der Achse des Guten. Mehr von ihr finden Sie auf ihrem YouTube-Kanal.