Max Roland, Gastautor / 15.10.2019 / 06:15 / Foto: Calebrw / 80 / Seite ausdrucken

Warum die Sprachpolizei nicht siegen wird

Wenn aus dem „Weihnachtsmarkt“ der „Wintermarkt“ wird, dann regen sich einige Menschen auf. Aber warum? Es geht doch nur um Wörter. Um Begriffe. Es ist doch noch immer das Gleiche – oder nicht? Eigentlich sind das doch nur kleinliche Wutbürger, die da nörgeln. Nein, das glaube ich nicht – im Gegenteil.

Als ich mir eine Universität als möglichen Studienplatz ansah, führte ich dort ein Gespräch. Mir fiel auf, dass alle Anwesenden von „Studierenden“ sprachen. Nicht „Studenten“, nicht mal „Studentinnen und Studenten“ – Studierende. Das ging mir erst mal unglaublich auf die Nerven. Erst mal ist es natürlich sprachlich falsch – das weiß selbst ich mit einem Abi aus Bremen. Das Partizip I (studierend, laufend, trinkend) drückt aus, dass etwas gerade jetzt geschieht. Man kann mit ihm aber keinen Dauerzustand bezeichnen. Ein Marathonläufer ist kein Laufender, wenn er sitzt. Genauso ist ein Student nur dann ein Studierender, wenn er studiert, nicht aber, wenn er schläft oder feiern geht. Auch wenn das wahrscheinlich in meinem Studium mehr Zeit in Anspruch nehmen wird als das Studieren. Bin ich dann eigentlich ein feiernder Studierender oder ein studierender Feiernder? Mal sehen.

Man wundert sich auch über die mangelnde Konsequenz der Leute, die uns diese Sprachverschandelung aufzwingen wollen. Wann wird aus dem Vergewaltiger der „Vergewaltigende“? Wann sagen wir nicht mehr „Diktator“, sondern „Diktierender“? Aber das nur nebenbei.

Eine Ausdrucksweise erzwingen

Abgesehen davon, dass es falsch ist, klingt es auch noch extrem hässlich. Sprache ist schön, weil sie natürlich wächst. Wenn man so will, ist Sprache auch demokratisch. Sie wird vom Volk und von der Mehrheit gemacht. Die Menschen, die unsere Sprache gendern wollen, werfen immer ein, Sprache habe auch immer den Zeitgeist repräsentiert und sich weiterentwickelt. Doch es gibt einen wichtigen Unterschied: Wörter wie „allenthalben“ oder „obsiegen“ sind aus dem Sprachgebrauch der Mehrheit ganz von selbst verschwunden, quasi über eine Art dezentralen, basisdemokratischen Prozess. Das ist eine tatsächliche, natürliche Entwicklung der Sprache. Was sich die Sprachpolizisten und Genderer anmaßen wollen, ist jedoch, quasi von oben herab, eine Ausdrucksweise zu erzwingen. Sie machen den Versuch, sich zu Diktatoren der Sprache aufzuschwingen. Oder, wie sie sagen würden: Zu Diktierenden.

Doch den dezentralen Prozess, der die Sprache bildet, kann man nicht von oben herab ausschalten. Die Menschen sprechen, wie sie sprechen. Man kann Wörter in den öffentlichen Diskurs hinein- und aus ihm herauszwingen, aber das Denken dahinter wird gleich bleiben. So ist „Fachkräfte“ in migrationskritischen Kreisen längst zu einer ironisch-abwertenden Bezeichnung für kriminelle Flüchtlinge avanciert: Man erinnert sich noch, wie 2015 so gut wie alle Medien das Hohelied auf die neuen „Fachkräfte“ sangen. Und wenn sich die Haustür schließt, wird jeder Mensch so reden, wie ihm der Mund gewachsen ist.

Denn wer glaubt, die Gesellschaft und das einzelne Individuum quasi abrichten zu können, der irrt. „Klimakrise“ ist ein klassisches Beispiel für politisches Framing. Das wird jedoch kein Mensch in seinen normalen Sprachgebrauch übernehmen. Die Sprache und damit das Denken der Menschen zu verändern, wird langfristig immer fehlschlagen. Die Gedanken sind frei – und wer sich diese Freiheit im Kopf erhält, der ist auch gegen jeden Versuch des Framings und der Sprachmanipulation immun. Vielleicht kann man ein Wort oberflächlich in den Diskurs zwingen. Im Großen und Ganzen wird man damit aber immer auf Granit beißen.

Ich bleibe angehender Student!

Wenn alle dazu gezwungen werden, von „Lehrerinnen und Lehrern“ zu sprechen, werden sie trotzdem, wenn auch nur im Privaten, von „Lehrern“ sprechen. Welche Mutter wird jemals ihr frisch eingeschultes Kind fragen, wie denn seine „Lehrerinnen und Lehrer“ so sind? Wenn ein Dozent auf Druck von oben seinen „Studierenden“ adressiert, wird er mit seinen Freunden noch immer von seinem “Studenten" sprechen, wenn er erzählt, dass dieser mal wieder in der Vorlesung geschlafen hat. Aber da nehme ich ja schon wieder auf mein Studium vorweg.

Auch wenn Framing ineffektiv ist, bin ich trotzdem dafür, denen, die unsere Sprache künstlich verändern wollen, offensiv entgegenzutreten. Wir sollten unsere Sprache selbstbewusst so verwenden, wie sie in uns gewachsen ist. Ich bin angehender Student und kein angehender Studierender. Und ich werde mich auch weiterhin weigern, Begriffe zu verwenden, die mir ein bestimmtes Denken aufzwingen sollen. Wir haben es mit Sprachdiktatoren zu tun. Das mindeste, was man tun kann: sie offen Sprachdiktatoren zu nennen. Nicht Aktivisten – und schon gar nicht „Sprachdiktierende“.

Dieser Artikel ist im Rahmen des Projekts „Achgut U25: Heute schreibt hier die Jugend in Zusammenarbeit mit der Friedrich A. von Hayek Gesellschaft und dem Schülerblog „Apollo-News“ entstanden.

Max Roland ist Vize-Chefredakteur von Apollo News, 18 Jahre alt und Student aus Bremen.

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Leserpost

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A. Ferrante / 15.10.2019

Vielen Dank für diese kluge Analyse in sehr schöner präziser Sprache. Mittelfristig hat der Autor wohl recht, dass sich die Sprachentwicklung nicht diktieren lässt, kurzfristig lässt sich jedoch über die Verwendung bzw. Nicht-Verwendung der Gendersprache sofort ablesen, auf welcher Seite der Sprechende steht. Die Gendersprache nicht mitzumachen, ist in unseren Zeiten für viele bereits mit realen Nachteilen verbunden.

T. Dante / 15.10.2019

„Wenn aus dem „Weihnachtsmarkt“ der „Wintermarkt“ wird, dann regen sich einige Menschen auf. Aber warum? Es geht doch nur um Wörter. Um Begriffe. Es ist doch noch immer das Gleiche – oder nicht? Eigentlich sind das doch nur kleinliche Wutbürger, die da nörgeln. Nein, das glaube ich nicht – im Gegenteil“. Na gut. Herbert Wehner, unvergessen, würde raunzen: „Junger Studiosus“ (oder ist Ihnen diese Bezeichnung etwas zu verstaubt?) Also, „junger Studiosus, dann wird aus Ihnen künftig nicht mehr der Weihnachtsmann, sondern fürderhin und allenthalben der Wintermann obsiegen:-) Aber wenn Sie glauben, Herr Student, empfehle ich den Gottesdienst.

Tobias Kramer / 15.10.2019

Ein Land, das so dermaßen Hand anlegt an seine kulturell gewachsene Sprache, verliert einen Teil seiner Identität. Das ist meine persönliche Meinung. Schon mit der seinerzeit eingeführten neuen Rechtschreibung hatte man begonnen, die deutsche Sprache zu verhohnepiepeln. Anscheinend war das bereits der Vorläufer des Genderismus, ein Test, wie weit man gehen kann. Doch anscheinend wird das Muttersprachliche heute sowieso überbewertet. Man schaue sich nur an, dass ein sehr großer Teil der Schulabgänger nicht einmal in der Lage ist, eine fehlerfreie Bewerbung zu schreiben. Oder man schaue sich einmal in den (a)sozialen Netzwerken um. Da versuche Jugendliche mit langen Texten arschklug rüberzukommen und einen zu belehren und man selbst hört bereits nach dem zweiten Satz mit dem Lesen auf, weil man sich anstatt auf den Inhalt nur noch auf das Zählen der Rechtschreibfehler konzentriert. Aber verwundert das einen, wenn es immer heißt “schreib, wie du es hörst” oder wenn anscheinend nur noch Singen und Klatschen in den Schulen auf der Tagesordnung steht?

Thomas Taterka / 15.10.2019

In letzter Konsequenz souffliert man der Bevölkerung Skrupel, Bedrohungen klar und unmissverständlich zu benennen. Aus eloquenten Leuten werden ” Abstotterer ” eines bis in den letzten Bewusstseinswinkel verlogenen Herrschaftssystems, das jede Klage auf Gerechtigkeit durch Hinweis auf unzählige versäumte Formalitäten zurückweisen kann. Das wäre etwas zuviel Macht im Tauschhandel für Anpassung, oder?

Wilfried Düring / 15.10.2019

Man stelle sich die großartige Lyrik der Rilke, Fontane, Storm, Ringelnatz oder Mascha Kaleko einmal in einer gegenderten und politischen korrekten Sprache vor. Wer lernen möchte, wie schön Sprache sein kann, sollte die Gedichte obiger Autoren lesen.

Sabine Schönfelder / 15.10.2019

Gegen Propaganda gibt es nur ein effizientes Mittel: Gegenpropaganda. Was die Evolution erschaffen hat, FRAU und MANN für ihre vornehmste Aufgabe, die Fortpflanzung, werden ein paar Zeitgeist-Genderei-Sternchen a u f DAUER nicht ändern. Alle Selbstdenker lassen sich in ‘irren Zeiten’  von schwachsinnigen Wohlstandsbratzen nicht manipulieren und die ‘unreflektierte’ Masse der Menschen, die Schwarm-Dummheit, blubbert ohnehin alles nach, was man ihr vorgibt, bis, JA,  bis die sich verschlechternde Wirtschaftslage am Geldbeutel und der Bequemlichkeit des Einzelnen kratzt. Matthias@W.Moritz, genau so ist es. Eine funktionierende Gesellschaft braucht k l a r definierte Regeln, auf die sich alle Teilnehmer beziehen und verlassen können. So einfach ist das. Linke möchten diese klaren Strukturen aushöhlen und destabilisieren für eine politische Transformation, deren Ziel und Sinn ihnen weder klar ist noch überlegt wurde. Solange es Studenten wie Sie gibt, Herr Roland, bin ich nicht bange.

C. Wendler / 15.10.2019

Ach ja die „Fachkräfte“. Ich erinnere mich noch an die Zeit, als uns der Begriff „Migrationshintergrund“ eingehämmert wurde. Ich prophezeite damals, dass auch dieser Begriff bald negativ besetzt seien würde, und heute hört man auch schon einmal die Abkürzung „Mihigru“ mit eindeutig negativer Konnotation, wie übrigens viele solcher Abkürzungen im Deutschen, siehe „Vokuhila“, „Stasi“ und „Gröfaz“ – in der aktualisierten Fassung vielleicht als Wortspiel (Herbert) „Grönefaz“ oder „Grüfaz“ (Robert Habeck). Wie dem auch sei, ungeachtet soziopolitischer Entwicklungen und der Freiheit der Gedanken hat jede Sprache ihre eigene innere Logik, die man nicht einfach ändern kann. Muttersprachler akzeptieren Dinge nicht, die der inneren Sprachlogik zuwiderlaufen.

Carsten Bertram / 15.10.2019

Doch momentan siegen sie ! Nicht an allen Fronten, aber an vielen. Ob und wann und wenn dann in welcher Form noch einmal ein Wandel kommt, kann ich nicht abschätzen. Erst muß das Geld ausgehen, vorher passiert nichts. Schuld ist die allgegenwärtige Dauerberieselung aller Medien. Viele verstehen es nicht was man mit ihnen macht, viele schon, aber halten es derzeit für klüger und angebrachter mitzumachen und sich anzupassen.

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