Jochen Ziegler / 21.12.2020 / 12:00 / Foto: Pixabay / 94 / Seite ausdrucken

Großbritannien: Normale Mutanten der Virusevolution

Aktuell überschlagen sich die Meldungen über eine neue Variante des Corona-Virus, die in Großbritannien aufgetaucht ist. Flugzeuge werden gestoppt, Reisende festgehalten, die Panik-Spirale macht eine weitere Drehung. Hier die Eindordnung eines Biochemikers und ein Link zur britischen Originalstudie.

Vor etwa einen Jahr wurde das Virus SARS-CoV-2 isoliert und seine RNA sequenziert. Seitdem haben sich dieses Virus und seine nächsten Verwandten im Rahmen seiner ganz normalen Evolution weiterentwickelt, es sind in aller Welt verschiedene Abkömmlinge (Linien) entstanden, was zur Überlebensstrategie des Virus gehört. Denn das oben verlinkte SARS-CoV-2 gibt es in der dort abgedruckten Nukleinsäuresequenz schon länger nicht mehr, weil sich gegen das Virus überall, wo es Menschen infiziert, eine Immunität ausbildet.

Wenn das Virus nicht mutieren würde, verschwände es daher schnell aus der menschlichen Population, denn die Herdenimmunität würde ihm die Infektion weiterer Wirte verwehren. Doch bilden sich bei der Replikation des Virus Mutanten. Und das funktioniert so: Die Virus-RNA kodiert unter anderem für einen Replikase-Komplex, der der Replikation der Virus-RNA in den infizierten Zellen dient. Die darin enthaltene RNA-Polymerase ist evolutionär so optimiert, dass sie eine bestimmte Anzahl von Mutationen (Kopierfehlern) auf Nukleotidebene (Nukleotide sind die Bausteine der Nukleinsäuren) erzeugt, wenn sie den RNA-Strang des ursprünglichen Virus bei der Replikation für neue Viruspartikel abschreibt. Dadurch erzeugt jeder Generationszyklus des Virus Mutanten. Wenn ein entsprechend mutiertes Viruspartikel nach seiner Fertigstellung durch die Wirtszelle freigesetzt wird, kann es neue Zellen infizieren. Dabei wird dann die mutierte RNA in gegenüber dem Ursprungsvirus leicht veränderte Eiweiße (Proteine) umgeschrieben, die dem Virus etwas andere klinische Eigenschaften verleihen können wie etwa höhere oder geringere Infektiosität, Umgehung der bestehenden Immunabwehr oder veränderte Letalität.

Genau das geschieht die ganze Zeit. Das COVID-19 Genomic UK Consortium hat (Stand 15.12.) 126.219 Virus-Proben durchsequenziert. Dabei stellt es laufend Mutationen des Virus fest. Nun hat es am 19. Dezember einen Bericht mit dem Titel "COG-UK update on SARS-CoV-2 Spike mutations of special interest /Report 1" herausgegeben, in der eine Abstammungslinie von SARS-Cov-2 mit der Bezeichnung B.1.1.7 hervorgehoben wird. In dieser Linie sind Mutationen des Spike-Proteins aufgetreten, mit dem das Virus sich am ACE2-Rezeptor der Zellen des Atemtraktes anheftet. Was bedeutet das?

Diese Mutationen könnten die Infektiosität des Virus verändern, indem sie seine Affinität für den menschlichen ACE2-Rezeptor senken oder erhöhen. Außerdem verändern die Mutationen die Antigenstruktur (die Epitope) des Spikeproteins, desjenigen Proteins, gegen das die meisten Impfstoffe eine Immunität zu erreichen versuchen. Dies könnte die Wirksamkeit der Impfstoffe senken, die allerdings für den schweren Verlauf der Krankheit und den Tod durch das Virus gar nicht nachgewiesen (und eher unwahrscheinlich) ist. Wie dem auch sei, beides ist noch vollkommen unbekannt, denn nur mit sehr komplizierten prospektiven klinischen Studien ließen sich solche Hypothesen validieren, doch wahrscheinlich wäre der Aufwand vergebens. Dies liegt, wie die Pfizer-Biontech-Studie gezeigt hat, auch daran, dass symptomatische Infektionen mit dem Virus selten sind und dass das Virus so schnell mutiert, dass es wohl in der Praxis nicht möglich sein dürfte, die exakten klinischen Eigenschaften einzelner Linien zu untersuchen. Die meisten Infizierten haben einfach kaum Symptome, weil SARS-CoV-2 im Wesentlichen ein normaler Erreger grippaler Infekte ist.

Meldungen in der Presse, die Mutante B.1.1.7 sei besonders gefährlich, entbehren daher jeglicher wissenschaftlicher Grundlage, haben aber zur Abriegelung des UK vom europäischen Kontinent geführt. Wie diese neue Panikvariante sich breit gemacht hat, versteht wohl niemand. Der Irrationalismus rund um COVID steigert sich weiter, Obergrenze unbekannt.

 

Dr. Jochen Ziegler ist Arzt und Biochemiker. Er arbeitet als Berater für private Anbieter des Gesundheitssystems und lebt mit seiner Familie in Hamburg.

Hinweis:

Lesen Sie zum gleichen Thema auf Achgut.com diesen Beitrag aus dem Herbst 2020 „Keine Pandemie, sondern eine Endemie" in dem es u.a. heißt: 

...Das Virus wird nur weiterhin SARS-CoV-2, das Krankheitsbild COVID-19 genannt, aber es sind andere Erreger, und die sind nun endemisch. So geht das mit den Grippeviren schon, seit es Tiere mit Lungenatmung gibt.

Dies ist der endemische Zyklus von SARS-CoV-X, den wir auch von anderen Grippeviren wie den Influenza- oder den Rhinoviren kennen. Die hohen Mutationsraten der Viren erlauben es ihnen, sich in der Bevölkerung immer weiter zu replizieren und auch den Impfkampagnen zu entgehen, da der Impfstoff stets lediglich gegen ein Virus immunisiert, das es nicht mehr gibt, wenn der Impfling ihn erhält. Bestenfalls erhält der Impfling, wenn er jung ist, eine Kreuzimmunität gegen den Urenkel des Virus, gegen das er geimpft wurde. Bei den Risikogruppen, in denen die Letalität überhaupt messbar ist, haben solche Impfstoffe hingegen keinerlei Wirkung...

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Leserpost

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Otto Nagel / 21.12.2020

Diesmal wird der Luftkrieg gegen England gewonnen ! Verspricht jedenfalls unsere Reichsmarschallin. Unter Führung der Großen Drei ( M-VdL-L) werden Truppen von der Nordstream-Ostfront abgezogen und in die Schlacht an der Kanalküste geführt. So ungefähr hört sich General Lauterbach an.

Marc Greiner / 21.12.2020

Sowas Ähnliches habe ich mir auch gedacht als ich diese Panikmeldung heute las. Trotzdem ist es gut von qualifizierter Seite diesen Eindruck bestätigt zu haben. Auch wenn ich mal nicht sicher bin, ich glaube grundsätzlich Nichts mehr was in Zeitungen steht. So weit haben wir es gebracht. Die ganze westliche Presse ist zur “Prawda” verkommen.

Georg Dobler / 21.12.2020

Verstehe ich das richtig? Irgendjemand aus Politik oder Medien gibt die “70 Prozent höhere Ansteckungsgefahr” vor, obwohl dies jeglicher wissenschaftlicher Grundlage entbehrt, dies wird von allen europaweit oder gar weltweit aufgenommen, dankbar abgeschrieben und verbreitet und wer was anderes sagt ist ein Corona-Leugner der sich gefälligst an “unserer Wissenschaft” orientieren soll?  Wenn ja, dann waren die ganze Aufklärung, die wissenschaftlichen Fortschritte seit Galileo und Kepler und letztendlich auch die Bemühungen des Grundgesetzes um eine offene freie Gesellschaft vollkommen für die Katz gewesen. Dann sind wir zum Niveau der reinen Gefühlswallungen und Gerüchteentscheidungen wie bei den Hexenverbrennungen herabgesunken. Der Unterschied ist nur der physische Scheiterhaufen. Man muss noch froh sein dass dieser durch das gesellschaftliche und berufliche Auslöschen ersetzt worden ist.

M. Hartwig / 21.12.2020

Herzlichen Dank für diese wichtige Information und für alle Artikel von Ihnen! Alles Gute für Sie und für die, denen Sie nur Gutes wünschen möchten!

Bernhard Ferdinand / 21.12.2020

Danke für die Erklärung des Mechanismus der Mutation der Viren. Aber - Sie schreiben, daß SARS-CoV-2 vor etwa einem Jahr ISOLIERT worden sei. Isoliert - vor 1 Jahr? Vor einem halben Jahr veröffentlichte das amerikanische CDC : CDC-006-00019, Revision: 04 Effective: 6/12/2020:  “Since no quantified virus isolates of the 2019-nCoV are currently available….” . Da wir inzwischen bei Sars-Cov-X angekommen sind -  gibt es seit Juni wissenschaftliche Nachweise dieser SARS-Cov-X Viren gem. den Postulaten von Rivers? Ich habe nichts davon mitbekommen und wäre für Hinweise dankbar.

Winston Schmitt / 21.12.2020

Und schon wieder der Mega-Experte Lauterbach dazu im Interview. Mein Gott, wer kann diesen Corona-Wahnsinn noch stoppen? Will man mit der Abschottung gegenüber UK den Briten noch eins für den EU Austritt auswischen? Der Verblödung scheint auf der nach oben offenen Verblödungsskala keine Grenze gesetzt, Die Medien sind dazu willige Handlager im schüren der Panik unter der Bevölkerung. Einfach nur widerlich.

Klaus Klinner / 21.12.2020

Lieber Kollege Ziegler, danke für den erläuternden Exkurs. Ich gestehe, ich bin inzwischen des ewigen Alarmismus so müde, dass ich mich zwingen muss zu dem Thema auf dem Laufenden zu bleiben. Ich neige keineswegs zu Verschwörungsideen, aber, wenn es diese Virus-Information nicht gäbe, müsste man sie wohl im verkorksten Finalstadium der Brexit-Verhandlungen ganz schnell erfinden und sei es um die Tommys endlich fügsam zu machen. Es ist schon ein sehr, sehr großer Zufall, dass diese Meldungen gerade jetzt in diesen Tagen so gepusht werden. Niemand scheint es anstößig zu finden, dass diese Variation scheinbar weltweit unterwegs ist, aber England wird “abgeriegelt”.

B. Kurz / 21.12.2020

“Wie diese neue Panikvariante sich breit gemacht hat, versteht wohl niemand.”  Wichtig ist doch, dass sie sich breit macht, und das funktioniert, wie geplant, bestens. In meinem Lieblingssupermarkt, in dem ich seit Mai maskenlos einkaufe und bisher nur 2-3 Mal von anderen Kunden angepflaumt wurde, musste ich heute von einem jungen Mitarbeiter geschützt werden, als ein ausgeflippter hysterisch Vorgeschädigter nach der Polizei schrie, weil ich ALLE anderen anstecken würde.  Erschrocken blieben 10-15 Kunden stehen, um sich dieses gewissenlose Monster (mich) anzusehen, wobei sie die 2 Meter Abstand nicht beachteten. Nun habe ich doch tatsächlich vor Weihnachten noch große Schuld auf mich geladen, die ich gerne durch Verschenken “meiner” Impfportion mildern würde.  Aber Leute, ich habe keine Hoffnung mehr, dass solche Menschen noch durch IRGENDETWAS zu retten sind.  Der nette Mitarbeiter wollte mir später eine Maske schenken, die ich aber mit Hinweis auf meine Maskenbefreiung dankend ablehnte.

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