Neulich auf’m Dorf, eine wahre Geschichte. Im Vorfeld unserer kleinen ehemaligen Kreisstadt lebend, hatte ich mich mit Freunden zu einem kleinen Umtrunk in derselben verabredet (als das noch möglich war). Weil damit zu rechnen war, dass ich diesen nur leicht angesäuselt überstehen würde, wollte ich den Bus, der alle zwei Stunden von Hinterpusemuckel über Unterpusemuckel in die Stadt fährt nutzen. Ich begab mich also zu der einzigen Haltestelle weit und breit und lehnte mich lässig wartend an das Halteschild. Der Bus kam pünktlich und .... fuhr zügig vorbei! Mit der Lässigkeit war es vorbei! Grell pfeifend und winkend rannte ich hinter dem unverschämten ÖPNV-Vehikel hinterher. Ca. 200 m weiter kam er schließlich zum Stehen. Der Busfahrer wartet schon vor dem ansonsten leeren Bus, als ich angeschnauft kam. Völlig schuldbewußt erklärte er sein Versehen: “Sie müssen schon entschuldigen, ich fahre jetzt zwei Jahre diese Strecke, aber hier hat noch nie jemand gestanden!” Als kleinen Ausgleich, ließ er mich in der Stadt dann direkt vor der Gastwirtschaft aussteigen, so dass ich mir den Weg von der Haltestelle sparen konnte. Zurück nahm ich dann ein Taxi, denn ab neun Uhr verkehren hier sowieso keine Busse mehr.
Verstehe, auf dem Land, wo kein Schwein wohnt, da stecken die Hühner die Leute mit Inzidenzen an. Tina Hassel* gestern in ihrem Kommentar in der Tagesschau: “Eine Inzidenz von 200 Menschen”. Im Umkreis von 15 Kilometern oder so ... . Die Welt als Wille und Vorstellung, der/die/das Mensch als Inzidenz, urbi et orbi. Ich aber galaub’, mich tritt ein Pferd mit Hans Apel, vormals BM der Finanzen. Und den Scholz? Tritt wer? Porca miseria. Wir singen “Lascia ch’io pianga, mia cruda sorte e che sospiri la li-i-i-ibertà .. ” . (Aus der ersten Oper, die Händel in England geschrieben und aufgeführt hat, “Rinaldo”, die berühmte Arie des Eunuchen Farinelli, für Countertenor). Und bei der Ankunft auf dem Lande, Erwachen heiterer Gefühle beim Anblick einer kleinen Seufzerbrücke über das Dorfbächlein ... . *Neulich hat sie von “Sonderbehandlung” der Geimpften gefaselt; ich musste den NDR anweisen, keinen solchen Jargon zu senden - keine Reaktion. Der Irrsinn treibt Blüten als ob’s schon Sommer wär.
In dem Zusammenhang preise ich immer unser wunderschönes niedersächsisches Wendland an : vollausgebaute Widerstandsinfrastruktur mit der Hauptstadt der Bewegung Gorleben und vieel Solidarität unter Gleichgesinnten in kreativ gestylten Fachwerkhöfen . Kommen Sie auf einen Grünkernbratling und einen leckeren Lassi vorbei !
Der Umzug aufs Land wird für den Durchschnitts-Städter ein unerreichbares Ziel bleiben. Wohin will der Städter denn? Natürlich dorthin, wo er schon einmal im Urlaub gewesen ist und es ihm gefallen hat. In den typischen deutschen Urlaubsregionen gibt es mittlerweile allerdings keine Immobilie mehr, die sich ein städtischer Durchschnittsverdiener leisten könnte, seitdem die Umschichtung von Geldvermögen in Grundbesitz läuft. Es wird keinen Ansturm des städtischen Prekariats auf das Land geben. Die Grundstücke auf dem Land bleiben entweder in der Hand der dortigen Einheimischen oder werden von den Leuten mit dem ganz großen Geld gekauft, die das als Diversifizierung ihres Vermögensportfolios und Rückversicherung gegen das Ende des Euro betrachten. Die Städter werden in der Stadt bleiben müssen, allerdings wird sich ihr Lebensstandard immer weiter verschlechtern - weniger Sicherheit, weniger Leistungen, weniger Kontakte, mehr Überwachung (insbesondere durch die heimlichen Blockwarte). Aber ein Blick auf die Wahlergebnisse zeigt, dass die Städter das Leben in den links-grünen Shitholes lieben - wieso sollten sie sonst fortgesetzt immer wieder genau die Urheber der Mißstände wählen? Und dann ist das alles auch gut so.
In den 60/70er Jahren definierte man nach einer volkskundlichen Untersuchung die Grenze zwischen Stadt und Land anhand des Auftretens der Kittelschürze bei weiblichen Probanden. In den 70/80ern trieb es die Städter aufs Land, doch sie erwachten im (barbarischen) Dorf. Dann wollten sie „Frankfurt haben, aber nicht Frankfurt sein“, wie ein Frankfurter Kulturanthropologe damals analysierte. Doch der Eroberungsfeldzug kam auf den tiefen, festgefahrenen Wegen der dörflichen eindimensionalen Lebenswelt zum Erliegen. In Corona-Zeiten macht Stadtluft wohl unfrei. Und so überrennen nun die anywheres die somewheres. Dennoch gilt: Solange sich die Städter nicht der dörflichen Lebenswirklichkeit anpassen oder zumindest an ihr partizipieren, bleibt man als Städter unter sich, frei nach Karl Valentin, „Fremd ist der Fremde nur unter Fremden.“
Windräder und Gülle sind natürlich ärgerlich. Auf dem Land gibt es allerdings noch eine gewaltige Menge von fleißigen, bodenständigen Deutschen. Vorsicht, ihr Weltverbesserer, Spinnerinnen und Spinner! Die mögen euch Fremdkörper nicht. Da fängt man sich schnell mal ‘ne Schelle.
Schöne Städte werden nicht sterben. Ich hatte nie Sehnsucht danach, in NYC, London oder Paris zu leben, denn Belgravia, Kensington, Chelsey, Manhattan oder das erste bis achte Arrondissement hätte ich mir nicht leisten können. Die Wirtin eines von mir bevorzugten B&B in Kensington war neben den Cambridges so ungefähr die letze Britin dort, der Rest gehörte Russen und wohlhabenden Arabern. Florenz und vielleicht Rom, Madrid oder Nizza wären evtl. möglich gewesen. In Deutschland fallen einem Heidelberg, Tübingen und Münschen ein, auch Hamburg und Dresden. Es sind schöne Städte. Durch ihre Ästhetik werden sie sich problemlos erholen. Der Punkt ist nur, dass viele Menschen sie sich nicht leisten können. Und bevor man dann in ein hässliches Randviertel zieht, geht man doch lieber auf ein Dorf. Und das Dorf mit Kuhscheiße auf der Straße und dem Geruch nach Gülle ist immer noch besser als das Randviertel. Darum geht es weniger, sondern darum, dass sich der Tourismus bald erholt, der viel Geld in die Städte schwemmt, auch nach Berlin, das ich wenig mag. Kein Tourist schaut sich ein normales Dorf an. Der Tourismus, eine Rieseneinnahmequelle für alle, muss sich erholen, und dann fluppt es wieder. Die Studenten werden wieder in die Universitäten strömen, das Leben wird zurückkehren. Grüße von einer notorischen Optimistin, die der Regierung ihre Übertreibungen niemals vergessen wird. Einer alternden Optimistin, die das Risiko mit Covid immer bereit war, zu tragen, und entsetzt über die Politik ist, die alles, was jung und lebendig ist, lahmlegt, daneben auch die meisten Steuerzahler.
Stimmt schon, dass man Lockdown und Ausgangssperre auf dem Land einfacher wegsteckt als in der Stadt - was nie da war vermisst man auch nicht. Man sollte aber auch nicht die Nachteile vergessen, wie etwa 30km Entfernung zum nächsten Facharzt und ein halbes Jahr auf einen Termin warten, oder generell lange Wege und dank CO2-Steuer höhere Kosten dafür, niedrigere Löhne und weniger Jobs. Und auch hier bleibt man vom Irrsinn nicht verschont, Windräder, Migrantenstadl, Antifa, FFF, gibt es auch alles. Die Schulen mögen (noch) besser sein, aber die Kinder werden dort genauso ideologisch verstrahlt wie in der Stadt. Im Neubaugebiet sehe ich inzwischen Autos mit Kennzeichen von Kassel, Dortmund und sonst wo vor den Häusern stehen, weiß nicht ob mir das unbedingt gefällt, da fällt mir der Spruch mit Kalkutta aufnehmen und zu Kalkutta werden ein. “I’m not from here, but people tell me, it’s not like it used to be. They say I should have been here, back about ten years, before it got ruined by folks like me” - James McMurtry, “I’m Not From Here” (bei Youtube)
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