Die Innenministerin ist voll des Lobes angesichts der Festnahme von Daniela Klette, 65 Jahre alt, Mitglied der RAF, Dritte Generation. Fahndungserfolg nach nicht einmal 30 Jahren! Beeindruckend.
Für die Jüngeren unter uns: Die Rote Armee Fraktion wurde im Jahr 1970 von Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Ulrike Meinhof und Horst Mahler und anderen gegründet und bombte und mordete sich durch die Republik. Die zweite Generation versuchte die erste Generation aus dem Gefängnis zu befreien, was im Deutschen Herbst im Oktober 1977 zum Selbstmord der drei Anführer führte.
Die dritte Generation hat sich international vernetzt, war aber noch immer in Deutschland tätig. Am 31. August 1981 verübte die RAF einen Bombenanschlag auf das Hauptquartier der US-Luftstreitkräfte in Ramstein, am 15. September einen Anschlag auf dessen Oberbefehlshaber. 1998 erklärte die RAF ihre Selbstauflösung.
Pikante Anekdote am Rand, selten gewürdigt: Während die erste Generation sich noch von der PFLP (Volksfront für die Befreiung Palästinas) ausbilden ließ, erhielten spätere RAF-Mitglieder Anfang der 1980er Jahre bei mehrwöchigen Aufenthalten ihre militärische Ausbildung in der DDR. Das MfS der DDR gewährte überdies zehn Mitgliedern jahrelang Asyl, bis sie noch vor der Wiedervereinigung im Juni 1990 enttarnt, festgenommen, an die Bundesrepublik ausgeliefert und größtenteils zu Haftstrafen verurteilt wurden.
Von irgendetwas muss so ein untergetauchter Terrorist ja leben
Nur wenige Mitglieder der dritten Generation sind bekannt, aber die Liste der Morde, die ihnen zugeschrieben werden, ist lang: darunter am 30. November 1989 ein tödlicher Bombenanschlag auf den Chef der Deutschen Bank Alfred Herrhausen. Am 1. April 1991 erschoss ein Scharfschütze den Präsidenten der Treuhandanstalt Detlev Carsten Rohwedder. Auch der Sprengstoffanschlag auf die Justizvollzugsanstalt Weiterstadt im März 1993 geht auf das Konto der RAF, auch Daniela Klette sei daran beteiligt gewesen.
Nun hat sie sich widerstandslos festnehmen lassen, in einer Wohnung im 5. Stock eines siebengeschossigen Mietshauses in der Kreuzberger Sebastianstraße, unter dem Namen Claudia Ivone. Später wurden dort nach aktuellen Meldungen noch Waffen und eine Granate gefunden.
Die Verhaftung der Klette sei das „Verdienst jahrzehntelanger unermüdlicher Ermittlungsarbeit“, meint die Innenministerin, der Rechtsstaat habe „seine Beharrlichkeit und seinen langen Atem“ gezeigt. „Niemand sollte sich im Untergrund sicher fühlen“, fügte Faeser hinzu. Und Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) spricht gar von einem „Meisterstück“ und einem „Meilenstein in der deutschen Kriminalgeschichte“.
Nun, Daniela Klette hat sich 30 Jahre lang sicher gefühlt, nicht im Untergrund, sondern in Kreuzberg, mitten in Berlin also. Sie ging offenbar davon aus, dass sich der „Rechtsstaat“ und die „Ermittlungsbehörden“ nicht mehr für sie interessierten. Sie genoss das Leben, ließ sich 2011 beim Tanz auf dem „Karneval der Kulturen“ fotografieren, womöglich als Erholung von sechs Raubüberfällen zwischen 1999 und 2016, bei denen sie und ihre Kumpane 2 Millionen Euro erbeuteten. Von irgendetwas muss so ein untergetauchter Terrorist ja leben.
Mag sein, dass jemand bei den Ermittlungsbehörden hier einen langen Atem gehabt hat, wobei es eher scheint, als ob man lediglich einem Hinweis aus der Bevölkerung im November 2023 gefolgt sei. Klette war 30 Jahre lang untergetaucht. Gestern wurde bekannt, dass ARD-Journalisten Klette bereits im vergangenen Jahr auf den Fersen waren, ihre Informationen aber nicht an die Strafverfolgungsbehörden weitergaben. Sie hatten aktuelle Fotos von ihr mit einer KI-Software im Netz aufgespürt. Dass man 30 Jahre lang unaufhörlich erfolglos nach ihr gefahndet habe, scheint eher unwahrscheinlich. Daniela Klette jedenfalls scheint sich sicher gefühlt zu haben.
Eine Ermunterung für Antifa-Schlägertrupps
Mag sein, dass das Schicksal der letzten RAFler niemand mehr glühend interessiert hat. Wichtiger schien seit 1990 der „Kampf gegen Rechts“, der heute allerhöchste Priorität hat – vor allem bei der Innenministerin. Im Jahr 2000 rief der damalige Bundeskanzler Schröder nach einem Brandanschlag auf die Tür einer Synagoge zu einem „Aufstand der Anständigen“ gegen „Rechts“ auf. Doch bald stellte sich heraus, dass nicht biodeutsche Rechte für die Tat verantwortlich waren, sondern zwei Araber, die „ein Zeichen“ gegen Israel setzen wollten. Gegen wen also standen die Anständigen auf?
Nun, gegen Rechts ist immer recht. Der nordrheinwestfälische Innenminister warnte nach der Enthüllung der eigentlichen Täter eindringlich davor, im Kampf gegen die Gefahren von Rechts nachzulassen. „Das ist keine Entwarnung, die rechte Gefahr ist da.“
Seit Innenministerin Faeser am Ruder ist, konnte Daniela Klette sich besonders sicher fühlen, denn die kennt normalerweise weder Linksextremisten noch radikale Islamisten. Dabei lebt die Antifa noch, sichtbar. Zum Beispiel in Gestalt einer der SPD-Vorsitzenden, Saskia Esken, die unschuldig twitterte: „58 und Antifa. Selbstverständlich.“
Und hat nicht Nancy Faeser 2021 einen Gastbeitrag für das Magazin „Antifa“ beigesteuert? Das „Magazin für antifaschistische Politik und Kultur“ wird von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) herausgegeben. Eine erwiesen linksextremistische Gruppierung. Und das will sie nicht gewusst haben? Und auch die Rote Hilfe, die einst den „Genossen“ Rechtshilfe verschaffen sollte, existiert. Es gibt wahrlich keinen Grund, dass sich ausgerechnet die Innenministerin auf die Schulter klopft. Sie ist auf dem linken Auge blind. Und damit das niemand merkt, gilt es, die Gefahr von Rechts zu beschwören. Doch rechts ist, wir wissen es, mittlerweile alles, was weder grün noch rot oder regierungskritisch ist. Eine Ermunterung für Antifa-Schlägertrupps oder eine vierte Generation der RAF. Warten wir’s ab.
Cora Stephan ist Publizistin und Schriftstellerin. Viele ihrer Romane und Sachbücher wurden Bestseller. Ihr aktueller Roman heißt „Über alle Gräben hinweg. Roman einer Freundschaft“.
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