Henryk M. Broder / 18.04.2020 / 06:27 / Foto: Bildarchiv Pieterman / 65 / Seite ausdrucken

Arbeitsteilung im Auswärtigen Amt

Der Kampf gegen den Antisemitismus schreitet mit Riesenschritten voran. Von Bremen abgesehen gibt es inzwischen in jedem Bundesland mindestens einen oder eine Antisemitismusbeauftragte(n). Die für NRW zuständige lebt zwar weder in Duisburg-Marxloh noch in der Dortmunder Nordstadt, sondern im schönen Bayern, dafür hat sie aber gerade eine tolle Idee gehabt: die Einrichtung einer zentralen Meldestelle in NRW, die „möglichst alle antisemitischen Vorfälle“ erfassen sollte, diese können auch anonym gemeldet werden. In anderen Ländern nennt man so etwas Tradionspflege. 

Wie ernst es der Bund und die Länder mit dem Kampf gegen den Antisemitismus meinen, zeigt auch die Berufung eines anderen anerkannten Experten für das Amt des Antisemitismus-Beauftragten in Schleswig-Holstein, Peter Harry Carstensen. Der war mal Ministerpräsident der nördlichsten deutschen Provinz. Zuletzt machte er von sich reden, als er Anfang 2017 nicht zur Wahl des Bundespräsidenten nach Berlin reisen konnte, weil sein Dackel einen Bandscheibenvorfall hatte.

Wenn Sie diese Personalien schon für lustig halten, dann halten Sie den Lachanfall bitte noch eine Minute zurück. Wie ich soeben erfahren habe, hat auch das Auswärtige Amt, das derzeit von Heiko Maas geführt wird, eine "Sonderbeauftragte für Beziehungen zu jüdischen Organisationen, Holocaust-Erinnerung, Antisemitismus-Bekämpfung und internationale Angelegenheiten der Sinti und Roma".

Sinti und Roma kommen huckepack mit

Wer immer es war, der sich diesen Titel ausgedacht hat, der muss seine Lehrjahre bei der Donaudampfschifffahrtsgesellschaft abgeleistet haben. Besonders lustig finde ich, dass die "Sinti und Roma" huckepack mitgenommen werden. 

Was macht nun Botschafterin Michaela Küchler, die Sonderbeauftragte für Beziehungen zu jüdischen Organisationen, Holocaust-Erinnerung, Antisemitismus-Bekämpfung und internationale Angelegenheiten der Sinti und Roma, eine erfahrene Diplomatin, die von 2006 bis 2014 als "Referatsleiterin für Europa, Russland, Türkei, Ukraine, Kaukasus und Zentralasien" dem Bundespräsidenten zugearbeitet hat?

Es ist eine Menge: "Ihre Themen reichen von der Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen wie der OSZE/ODIHR, UNESCO, EU und mit Israel und Frankreich für den Bereich der Bekämpfung von Antisemitismus über den Dialog mit jüdischen Organisationen in Deutschland, den USA und Mittel- und Osteuropa bis zur Förderung von Projekten zur Erinnerung an den Holocaust und den Völkermord an den Sinti und Roma."

Leugnung, Verfälschung und Relativierung des Holocaust

Weil das aber noch nicht genug ist, widmet sie sich "als Leiterin der deutschen Delegation bei der Internationalen Allianz zur Holocaust-Erinnerung und Vorsitzende dieser... Organisation" vor allem "dem Thema Leugnung, Verfälschung und Relativierung des Holocaust", was man auch so verstehen könnte, dass sie für die Leugnung, Verfälschung und Relativierung des Holocaust zuständig ist. Das ist – natürlich! – nicht der Fall, die Job description ist nur ein wenig schräg geraten.

Und jetzt kommt das Beste. Den Vorsitz ("Chairmanship") der "International Holocaust Remembrance" hat in diesem Jahr – Deutschland! Und das ist etwa so folgerichtig, als würde man die Kinder der Panzerknacker AG damit beauftragen, die Bundesbank zu bewachen.

Das ist freilich noch nicht das Ende der Eimerkette. Während Botschafterin Küchler die Beziehungen zu jüdischen Organisationen, Holocaust-Erinnerung, Antisemitismus-Bekämpfung und internationale Angelegenheiten der Sinti und Roma betreut, ist ihr Kollege Christoph Heusgen, ebenfalls ein erfahrener Diplomat, für Israel-Bashing in den Vereinten Nationen zuständig. 

Was denn? Sie sehen darin einen Widerspruch? Nicht doch! Frau Küchler organisiert die Trauerarbeit nach dem letzten Holocaust. Herr Heusgen arbeitet an den Vorbedingungen für den nächsten. Man nennt so etwas Arbeitsteilung.

Foto: Bildarchiv Pieterman

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Gerald Schwetlik / 18.04.2020

Sie haben alle möglichen Antisemitismus Beauftragten, aber Israel, der Juden Staat, soll gefälligst seine Grenzen aufmachen und den armen Pallys ihre Rechte auf ihr eigenes Land gewähren. Verlogener geht eigentlich nicht mehr. Uns wurde in der Schule in Aufarbeitung des Holocaust gepredigt, unsere Vorfahren hätten den Fehler gemacht, nicht gelesen zu haben, was die Nationalsozialisten so aufgeschrieben haben. Wir sollten uns immer genau informieren, welche Materialien eine politische Gruppe veröffentlichen würde, um sie auch vorab schon bewerten zu können. Damit wir es besser machen, als die Menschen 1933. Hm. Viel davon übrig geblieben ist nicht. Juden Vertreibung und Mord ist im Gazastreifen eine Heldentat und unsere Politiker schauen nicht nur weg.

Gerd Heinzelmann / 18.04.2020

Ich sage nur “Win-Win” und Altkanzler. “Kalkulierbare politische Risiken” ist diesbezüglich auch ein interessantes Zitat aus 2004.

Rolf Lindner / 18.04.2020

Wenn ich es richtig verstanden habe, wird die Dame mit dem Juden in der AfD e.V. in Dialog treten. Ganz sicher wird sie hier und da auch mal etwas Geschriebenes veröffentlich, wofür sich die Jüdische Rundschau anbietet.

Frank Stricker / 18.04.2020

Die Arbeitsteilung zwischen Frau Küchler und Herrn Heusgen nennt man in zweitklassigen US-Krimis , “Good cop ,bad Cop”. Der offensichtliche Hang zum Antisemitismus durch Herrn Heusgen hat ihn ja schon auf die Simon Wiesenthal Liste gebracht, wo er sich ja in bester Gesellschaft mit Jakob Augstein befindet !

Martin Landvoigt / 18.04.2020

Wen Maas nun eine Israelfreundliche Politik anstreben würde, zugleich seinen Mitarbeiter aber offenbar Israel-Bashing in der UN unterstützt, dann ist das ... was? Hat Maas seinen Laden nicht im Griff und ist entsprechend führungsschwach? Oder ist er ein Heuchler, der anders redet als er tut? Was von beidem ist schlimmer?

Hansgeorg Voigt / 18.04.2020

Im Grunde geht es in Deutschland nur um Feigenblatt Politik. Wir werden nie nie nie ein normales Verhältnis zu Israel oder den Juden bekommen, da der Holocaust ständig von der Politik und den NGOs instrumentalisiert wird. Wer da jetzt immer im einzelnen unterwegs ist, ist vollkommen unerheblich. Entscheidend wird sein, dass wir uns mit den Migranten eine Bevölkerungsgruppe ins Land holen, die israelfeindlich ist und damit Judenhass transportiert. Weder Politik noch NGOs wollen sich eingestehen, dass hier ein falscher Weg beschritten wird. Man zieht auch keine Lehre aus der Situation in Frankreich. Schon Anfang 2019 haben zahlreiche Medien über den Exodus der Juden aus Frankreich berichtet, da der arabische Antisemitismus zunimmt. Dazu kommt der Antisemitismus der politischen Linken (Grüne, SPD, Linke/ SED). Der Sozialismus konnte mit den Juden und später dem Staat Israel nie etwas anfangen, da die Allmachtsphantasie des Sozialismus immer geschlossen Gesellschaften, wie die der Juden, bekämpfen muss. Die evangelische und katholische Kirche ist da wesentlich flexibler.  Abgesehen von einer durchaus vorhanden tlw. auch gewalttätigen Ablehnung der Juden in Deutschland, gehören wir zu den tolerantesten Gesellschaften der Welt. Wir sollten uns nicht von der Politik und den NGOs kirre machen lassen und weiterhin für eine tolerante Gesellschaft einstehen.

Matthias Braun / 18.04.2020

Wenn Zwei am gleichen Strang ziehen,muß das nicht heißen, daß sie es in der selben Richtung tun.

Hans-Peter Dollhopf / 18.04.2020

Taktisch betrachtet sind solche Monsterwortschöpfungen sehr nützliche Vorkehrungen. Kann man sie doch beim immer fälligen späteren Bedarf nach noch einem und noch einem einem Pöstchen für weitere Parteiwürstchen auftrennen und so aus einer Parteiensystemstaatseinkommensquelle durch “Zellteilung” weitere generieren Tischlein deck dich, Esel streck dich, Knüppel aus dem Sack.

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