Gerd Buurmann / 26.07.2022 / 14:00 / Foto: Pixabay / 37 / Seite ausdrucken

Warum die Natur nicht „gut“ ist

In der letzten Folge meines Podcasts Indubio unter dem Titel „Ein Endsieg für das Atom“, habe ich das romantische Naturverständnis der Grünen kritisiert und erklärt, die Natur sei nicht gut. Hier möchte ich näher darauf eingehen, was ich damit gemeint habe.

Wenn der Mensch krank wird, verlässt er sich nicht auf die Natur, sondern er ruft nach der Vernunft der Medizin. Wenn ihm Unrecht widerfährt, sehnt er sich nicht nach der Herrschaft der Natur, sondern er verlangt nach der Vernunft des Gesetzes. Wenn der Mensch jedoch einen anderen Menschen unterdrücken will, dann nimmt er die Natur zur Hand.

Es ist allzu gerne und oft die Natur, die zur Begründung einer Unterdrückung herangezogen wird. Ob es nun die „Natur des Schwarzen“, die „Natur des Weibes“  oder die „Natur des Juden“ ist, immer geht es darum, einer Gruppe von Menschen mit Verweis auf die Natur Rechte vorzuenthalten.

Die Natur hätte Sie längst entsorgt

Hatten Sie schon mal eine Operation? Tragen Sie ein Brille? Haben Sie eine schwere Grippe überstanden? Nutzen Sie moderne Technik? Dann sind Sie wider die Natur hier. Die Natur hätte Sie längst entsorgt.

Viele Menschen glauben, Natur sei das Naherholungsgebiet am Stadtrand. Die Wälder in Deutschland sind aber keine Natur. Sie sind Kultur. Sie werden vom Forst- und Grünflächenamt verwaltet. Natur ist nicht gepflegter Wald und gemähte Wiese.

Natur ist, wo der Mensch Beute ist.

Es gibt Menschen, die schreiben mit einer solchen Gewissheit über die angeblichen Absichten der Natur, dass man meinen kann, sie wären jeden Sonntag persönlich mit Mutter Natur zum Tee verabredet. Wenn der Natur eine Absicht oder gar eine Moral unterstellt wird, haben wir es mit einer Religion zu tun, und Religion ist Kultur.

Gut und böse sind Kategorien der Vernunft. Die Vernunft versucht, Natur wissenschaftlich zu verstehen. Alles aber, was Vernunft hat, weiß oder ahnt, dass Moral in der Natur nicht zu finden ist.

Die Natur hat keine Absicht!

Die Moral war lange Zeit ein Diktat der Götter. Es waren eben jene Götter, von denen geglaubt wurde, dass sie die Natur mit einer Absicht erschaffen hätten. Für gläubige Menschen war die Natur das Werk eines intelligenten Schöpfers. Natur wurde als eine Schöpfung verstanden.

In der heutigen Zeit, da der Glaube an Gott vielerorts verschwunden ist, flüchten nicht wenige, die religiös heimatlos geworden sind, in den Schoß der Natur und ernennen die Natur selbst zu ihrem Gott. So wie sich Menschen einst Gott nach ihrem Bilde schufen, legen sie nun der Natur ihre Ansichten in den Mund. Für sie regelt die Natur, was gut und böse ist.

Ob man nun gottesfürchtig oder naturfürchtig ist, das Sagen haben jene, die glaubhaft machen können, erleuchtet zu sein, die vorgeben, den direkten Draht nach oben zu haben. Sie wissen angeblich genau, was Gott oder die Natur will. Sie behaupten, die Wahrheit vernommen zu haben und erklären, den rechten Weg zu kennen. Sie sind die Propheten, die Guten, und sie benehmen sich so.

Um gute Dinge zu vollführen, braucht es keinen Gott. Gott stört bei guten Taten nicht, hilft höchstens dabei. Böse Taten jedoch brauchen einen Gott, nämlich den festen Glauben daran, die abscheulichen Taten im Namen eines höheren Sinns und Zwecks zu begehen. Gotteskrieger kämpfen für den lieben Gott und Naturgläubige für die liebe Natur.

Die Natur ist aber nicht lieb. Sie ist auch nicht böse. Die Natur ist indifferent und kennt keine Moral. Sie ist. Gut und böse sind Kategorien der Vernunft. Der Mensch muss sie selbst definieren, verteidigen und leben. Hätte der Mensch alles Neue verdammt, weil es 5.000 Jahre vorher anders gemacht wurde, säße er heute noch als ständige Beute in einer Höhle und würde höchstwahrscheinlich vor dem 40. Lebensjahr verrecken.

 

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Adam N. Oswald / 26.07.2022

Also bezüglich Corona konnte ich kein romantisches Naturverständnis bei den Grünen entdecken - experimentelle Gen-Therapien bei Gesunden statt Stärkung des natürlichen Immunsystems. Auf die Energiepolitik übertragen würde das bedeuten, dass in einem Jahr hunderte von Kernkraftwerken der Marke Tschernobyl hier herumstehen würden und im Betrieb permanente Verstöße gegen Sicherheitsvorschriften an der Tagesordnung wären.

Ludwig Luhmann / 26.07.2022

Sag’ ich doch die ganze Zeit: Mutter Natur ist das allerkälteste Ungeheuer aller kalten Ungeheuer!

Dr. Karl Walter / 26.07.2022

Genau! Man kann das gar nicht oft genug wiederholen: Die Natur kennt weder gut noch böse, weder gerecht noch ungerecht. Und für das Leben gilt (zumindest in den uns unmittelbar betreffenden Zeiträumen) nur das Gesetz der Evolution. Nicht der Gerechteste oder moralisch Beste gewinnt, sondern der in der jeweiligen Situation Überlegene. Aber den Naturromantikern wird das nicht verständlich zu machen sein. BTW, V. Klemperer schreibt in LTI, dass er in der überschäumenden romantischen Sehnsucht der Deutschen eine der Wurzeln des NS-Regimes sieht.

Marcel Seiler / 26.07.2022

Die Analyse von Autor Buurmann ist richtig. Es ist nicht einfach, mit diesen Wahrheiten zu leben. Besonders dann nicht, wenn man in seinem Inneren weniger Halt hat, als man ihn gern hätte. Aber das macht sie nicht falsch.

Thomas Holzer / 26.07.2022

Das einzige Verständnis, welches ich den Grünen attestieren, ist das Verständnis für sich selbst, und auch das nur eingeschränkt ;)

Rainer Niersberger / 26.07.2022

Kleine Korrektur : Gut und böse sind keine Kategorien der Vernunft, sondern des Glaubens. Der Glaeubige unterteilt nach den Masstaeben seiner Religion, wobei die gruene Pseudoreligion nicht zufaellig diese “Bewertung” uebernommen hat und nun quasi ausserhalb des Glaubens, aber innerhalb ihrer Ideologie, was sehr nahe beeinander liegt, taktisch oder psychologisch durchtrieben, assoziativ triggernd auf Alles anwendet. Da wird dann (Verbrenner) autofahren, Fleischessen oder langes Duschen boese und der Sekte folgen ist gut. Boese impliziert eine moralische Aburteilung in ihrer nicht mehr ueberbietbaren Form. Die sachlich “bessere"Alternative “schlecht” bedarf des relativierenden Zusatzes “fuer was”, das absolute “boese” nicht. Die “reine” Vernunft kennt das Boese nicht, jedenfalls nicht in dem von der gruenen Sekte und ihren Helfern gewählten Kontext. Bei islamischen (Massen) moerdern z. B., die ja immer “Unschuldige” treffen, waere der bewertende Begriff “boese”  sachlich vertretbar, wenn auch unwissenschaftlich und unjuristisch, wird aber beim Exzess der Menschenverachtung, bei der massivsten Verletzung von Moral und Recht, gerade von den Gruenen nicht verwendet. Ein Angehöriger der Sekte, des Glaubens oder der Ideologie ist bekanntlich auch nur dann boese, wenn er sich gegen Seinesgleichen wendet und damit Glaube oder Ideologie verrät bzw schadet. Selbstverständlich wird bei Taten z. B. von Gruenen gegenueber “Rechten”, von “Demokraten” gegenueber Trump, von Muslimen gegenueber Unglaeubigen, ebenso bei Taten innerhalb oder ausserhalb von Entitäten die Berezung als “böse” stark differenziert, zumindest von der Gruppe, aus der der Taeter stammt.  Wir brauchen “das Boese” nicht, wenn wir z. B. den Begriff “kriminell” verwenden, auch dann, wenn die Taeter das positive Recht so gestalten, dass sie selbst immer legal handeln. Den totalitaeren Zugriff unterhalb der Strafbarkeit überlassen wir den Linksgruenen, denn die brauchen ihn transformatorisch.

Wolf-Dieter Busch / 26.07.2022

Erfrischend, der Artikel. Danke. Mehr davon!

Dr Stefan Lehnhoff / 26.07.2022

Erstens: Gut, dass das gesagt wird und schlecht, dass es offensichtlich nötig ist. Zweitens: Die Vernunft versucht nicht die Natur wissenschaftlich zu verstehen, weil sie weiß, dass sie daran scheitert. Sie modelliert sie nur nutzbringend. (All Models Are wrong, but some are useful hat mal ein US Mathematiker gesagt). Drittens: Die Überlensrate ist eine Lautrerbachsche Kategorie und führt leicht in totalitäre Abgründe. Unsere Vorfahren auf den Bäumen hatten vermutlich ein glücklicheres Leben wie Harari begründet und hier bin ich ausnahmsweise geneigt, ihm zuzustimmen. Auch wenn das für uns keine Option mehr ist.

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