Nein, nicht der Protest tut weh. Helge Schneiders Auftritt beizuwohnen … das sind wahre Schmerzen.
Künstler sind an vielen Stellen verletzlich. Abgesehen von den wenigen berühmten Vertretern jeder Kunstgattung sind sie auf Arbeitsverhältnisse angewiesen, die man in vielen Branchen als prekär definieren würde. Sie können sich Skandälchen leisten und damit sogar ihre Karriere vorantreiben, nicht aber Auftritte, die als echte Skandale bewertet werden. Überraschend die Hose runterziehen oder ungeschminkt auftreten, das geht (inzwischen auch bei Frauen). Ein Satz, der einen Künstler als “Klimaleugner”, “Covidiot” oder Ähnliches ausweist, das geht nicht, denn das ist rächz. Die Situation besonders der Schauspieler, Kabarettkünstler und Musiker wird außer durch schikanöse “Schutzregeln” auch durch die zunehmende Verarmung des Publikums verschlechtert, das immer öfter überlegen muss, ob es sich eine teure Eintrittskarte noch leisten kann oder sich vom Geld besser eine Bluse bei H&M kauft. Als materiell abgesichertere, teils sehr prominente Schauspieler den hashtag #allesdichtmachen in Szene setzten, stellten sie sich dabei auch hinter unbekannte Kollegen, die sich einen solchen Auftritt jahrelang hätten überlegen müssen. Aber auch der große Erfolg von #allesdichtmachen konnte diesen Kollegen ja nicht unmittelbar helfen. Journalisten wie Boris Reitschuster stehen zwar auch unter zensorischem Sperrfeuer, sind aber existenziell weniger gefährdet. Das fehlende, aufständische Ethos der Künstler, die von öffentlichen Auftritten oder als bildende Künstler von Ausstellungen abhängig sind (auch aus den Ausstellungen kann jemand schon wegen mangelnder linksliberaler HALTUNG oder einer “Nähe zu Querdenker-Positionen” ausgeschlossen werden), lässt sich damit erklären, dass sie und ihre noch dazu gegebenenfalls von Sippenhaftung bedrohten Angehörigen sich überhaupt kein solches Ethos leisten können. Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral. Das hat Brecht übrigens mal als linken Spruch gesagt.
Die meisten Künstler stehen sich selbst im Wege, um eine angemessene Kritik zu üben. Und warum stehen sie sich im Wege? Na, weil sie ihre linke Ideologie nicht verraten wollen. Sie hassen es wie die Pest, wenn Konservative sie instrumentalisieren wollen.
Also wenn ich Helge Schneider ansehe und anhöre, dann kommt bei jedenfalls keine Stimmung auf - egal ob im Strandkorb oder vor der Glotze. Clapton, super, since he didn’t shoot the deputy ... .
“Künstler” in Deutschland hängen alle am Tropf der öffentlich rechtlichen Zwangsjackenanstalten. Wer auch nur ein bisschen quer im Darm der Nomenklatura sitzt, hat die Kontrolle über seine Zukunft verloren. Emigration wie vor 90 Jahren ist keine Lösung, dazu sind heutige deutsche Kulturschaffende zu unbedeutend. Kebekus, Niedecken, der fette Prinz, wozu könnte man die denn im Ausland brauchen? Also bleiben sie im Land und singen das Brot dessen, in dessen Darm sie stecken. Was Helge Schneider angeht: ich mag ihn. Aber diese Aktion war überflüssig. Mit ein paar Sekunden Nachdenken hätte er schon von Anfang an wissen müssen, wie der Gig abläuft.
@F. Damberg - “Ich glaube, die Künstler hierzulande sind spätestens seit der Aktion #allesdichtmachen bzw. seit der massiven medialen Kritik darauf, eingeschüchtert.” / Nee, das verstehe ich eben überhaupt nicht. Kohl, Birne, wurde mal gefragt, ob ihn die negative Kritik störe, worauf er sagt, auch negative Werbung ist Werbung. Richtig! / Ich habe vor Urzeiten, das war wohl, kurz nachdem die Dinosaurier ausgestorben waren, in einem lahmen Blog geschrieben. Die Rubrik, welche ich wählte, war besonders schlecht frequentiert. Man bekam so gerade 30 bis 60 Klicks. Ich ermunterte die Leser, sich im Kommentarbereich zu melden. Die waren nicht sehr freundlich, aber ich hatte schließich eine Frequenz von über 3000 Klicks. In 2 Stunden. Im Archiv entdeckte ich über 10000 Klicks. Ich wurde dann rausgeworfen. Heute bin ich gemäßigt.
Künstler waren zu allen Zeiten in ihrer überwiegenden Mehrzahl die Hofschranzen der Mächtigen. Ihr “Wiederstandsgeist” diente höchstens deren Profilierung und häufiger noch deren Belustigung. Wozu hält man sich sonst Hofnarren? Und vor allem, warum sollte das heute anders sein?
Noch zu nennen, mit Rückgrat: Til Schweiger, Neil Malik Abdullah, Eva Herzig, Nadeshda Brennicke, Hannes Hellmann, Miriam Stein
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