Henryk M. Broder / 02.08.2020 / 08:36 / Foto: Achgut.com / 83 / Seite ausdrucken

Thilo und die Gene. Oder: Was kiffen die alle?

Vor zwei Tagen wurde Thilo Sarrazin wegen "parteischädigenden Verhaltens" aus der SPD ausgeschlossen. In wenigen Tagen sind es zehn Jahre her, dass sein Buch "Deutschland schafft sich ab" erschienen ist, eine Vorhersage, die sich inzwischen weitgehend erfüllt hat. Aus gegebenem Anlass bringen wir einen Text wieder zur Aufführung, der Anfang September 2010 erschienen ist. Im SPIEGEL! Waren das noch Zeiten!

Deutsche Pferde haben ein Drei-Gang-Getriebe. Sie gehen, traben und galoppieren. Isländische Pferde haben einen Gang mehr. Er heißt "Tölt". Pferd und Reiter gleiten dahin, als würden die Hufe den Boden kaum berühren. Das sieht nicht nur sehr elegant aus; man kann auch, auf dem Pferd sitzend, einen Kaffee trinken, ohne dass er aus der Tasse schwappt.

Vor allem Besucher aus dem Ausland sind beeindruckt. Wie geht das? Kommen die Island-Pferde mit einem "Tölt-Gen" auf die Welt? Ist "tölten" angeboren oder anerzogen? Natur oder Dressur?

Die Isländer selbst achten darauf, dass ihre Pferde "rein" bleiben und keinen Umgang mit anderen Pferden haben. Hat ein isländisches Pferd an einem Reitturnier im Ausland teilgenommen, darf es nicht wieder in die Heimat zurück. Umgekehrt dürfte nicht einmal die Spanische Hofreitschule mit ihren Lipizzanern nach Island kommen.

Auch sonst legen die Isländer auf Abstammung und Herkunft großen Wert. Fast jeder der 300.000 Insulaner kann seine Ahnenkette bis zu den ersten Siedlern zurückverfolgen, die um 970 mit Erik dem Roten aus Norwegen kamen. Und so ist beinahe jeder mit jedem irgendwie verwandt. Nicht nur wegen der geografischen Lage bilden die Isländer eine ethnisch ziemlich homogene Einheit.

Das hat soziale Nachteile wie Vetternwirtschaft, aber auch Vorteile, zum Beispiel bei der gezielten Bekämpfung von Krankheiten. Das Erbgut der Isländer ist fast vollständig erfasst, durch die Firma Decode Genetics, die dank der Tatsache, dass es in Island keinen Datenschutz gibt, die Krankheitsgeschichten der Isländer auswerten konnte; mit Hilfe von Saga-Forschern und Genealogen, die Stammbäume aufgestellt haben, war es möglich, jeden Verwandten und Nachkommen von Erik dem Roten zu identifizieren.

Die Frage, ob es ein spezielles "Isländer-Gen" gibt, würde jeder Isländer mit einem Ja beantworten. Er würde sie weder als rassistisch noch als unwissenschaftlich abqualifizieren.

Eher als ein Kompliment für eine Wesensart, zum Beispiel dafür, wie Isländer mit Natur- und anderen Katastrophen umgehen. Man krempelt die Ärmel hoch, räumt den Schutt zur Seite und fängt wieder von vorn an. So haben es schon die Wikinger gemacht, so machen es die Isländer noch immer. Man kann es auch Kultur, Mentalität oder Überlieferung nennen.

Besonders stolz sind die Isländer darauf, dass sie niemals Analphabetismus kannten. Selbst die einfachsten Bauern konnten lesen, Männer und Frauen; sie beteten schon in ihrer Landesprache, als die Katholiken noch ihre Messen auf Latein feierten. Das wiederum erklärt die literarische Produktivität der Isländer heute. Nirgendwo in Europa werden pro Kopf der Bevölkerung mehr Bücher verlegt, gekauft und gelesen. Erzählungen und Romane sind, gleich nach dem Kabeljau, der zweitwichtigste Exportartikel des Landes.

Den Mangel an Analphabeten haben die Isländer mit zwei weiteren europäischen Völkern gemeinsam: den Armeniern und den Juden. Die Armenier haben ihre Kirche im Jahr 301 gegründet, als im vorchristlichen Rom noch heidnische Feste gefeiert wurden. Die Juden verstehen sich als das Volk des Buches. Beide Völker haben eine kulturelle Tradition, die von Generation zu Generation "vererbt" wird, ein "gelobtes Land", dem sie auf eine mystische Weise verbunden sind, und reichlich Erfahrung im Überleben von Pogromen.

Alles zusammen kann man "Identität" nennen. Man kann aber auch "Gen" dazu sagen. Und wenn Armenier, Isländer und Juden ähnliche "Gene" haben, dann ist das keine rassistische Feststellung, sondern nur ein Hinweis darauf, dass ähnliche Lebensumstände im Lauf der Zeit zu ähnlichen Ausprägungen führen.

Malte Lehming hat vor ein paar Tagen im Berliner "Tagesspiegel" an den kleinen Parteitag der Grünen im April dieses Jahres in Köln erinnert, auf dem Cem Özdemir die Abgrenzung der Grünen von der FDP damit begründet hatte, die "genetischen Unterschiede" zwischen den beiden Parteien seien zu groß. In einem Interview mit dem "Hamburger Abendblatt" hatte der Grünen-Chef zuvor erklärt: "Der Atomausstieg ist für uns unverhandelbar. Das ist quasi genetisch bedingt."

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Raphael Yohanan Gruber / 02.08.2020

Einfach mal nö, es gibt nicht DAS Juden Gen selbiges ist eine Rassistische Äußerung und dient im Falle Sarrazins zur Herabwürdigung von bestimmten Volksgruppen. Die Sache ist weitaus Komplexer. Kontext mein Lieber Henryk Broder. Ich bin selber Jude, ich habe Gentests gemacht und habe mich mit dem ganzen ein bisschen beschäftigt. im Moment trage ich mein T-shirt mit Israel Flagge und dem Schriftzug “it is in my DNA”. Wobei das bei mir ist wie mit der Warnung vor Erdnüssen, “Kann Spuren von Aschkenasie enthalten!” Meine Väterlichen Vorfahren hielten wohl nicht so viel davon im selben Genpool zu fischen.            

Wolf Settgast / 02.08.2020

Tja, die SPD hofft eben, neue Bestimmung dadurch finden zu können, dass sie händeringend danach sucht (was natürlich Quatsch ist). Da die Kumpel nunmal aus den Bergwerksstollen befreit sind, die Wohlfahrt hergestellt, die Frauen gleichberechtigt, der Kommunismus besiegt…  bleibt als Anlass zum Aufbegehren nurmehr der grausame Diskiminiererpopanz, den man aufbaut, um ihn dann inbrünstig zu jagen.  Was ein Glück, dass es Sarrazin gibt! Und sonst? Was kann die SPD noch vollbringen? Wer ist der Nächste? Die Nerven liegen blank - die Bedeutungslosigkeit gewinnt an Bedeutung.

Daniel Oehler / 02.08.2020

Ohne Sarrazin wird es der SPD ergehen wie der sozialistischen Partei Italiens. Die CDU wird als Merkelwahlverein genau wie die italienische Schwesterpartei DC in der Versenkung verschwinden. Was bleibt? Die von den Freien Wählern gerupfte CSU, die Linke mit ihren sozialistischen Träumern, die Kleinpartei FDP, die mit ihrem rechten Flügel beschäftigte AfD und eine grüne Partei, die von ihren Kritikern als Ökosekte oder NATO-olivgrüne Kriegspartei zerrissen wird.

giesemann gerhard / 02.08.2020

@Claudius Pappe: Ein Wallach ist ein kastrierter Hengst, nix mit Kreuzung, egal mit wem. Und er/es grast friedlich im Grünen. Macht braune Pferdeäpfel draus.

Wolfgang Kaufmann / 02.08.2020

Es gibt keine ewige Idee der SPD, sondern die SPD ist ein Verein wie jeder andere. Und wenn der Verein gekapert wurde von einer Horde geistig minderbemittelten Trittbrettfahrer, dann ist Hopfen und Malz verloren. Dass Herr Sarrazin hier weiterhin längst vergangenen Zeiten nachträumt, ist allenfalls mit einem Anflug von Altersstarrsinn zu erklären. – Die gleiche Analyse gilt übrigens für die Union. Der heutige billige Klatschhäschenverein ist nicht mehr zu retten; Herr Maaßen und Herr Mitsch verteidigen mit der Werteunion eine Chimäre, die nur noch in der nostalgischen Vorstellung dieser alten Männer existiert. – Die GroKo-Parteien werden heute verkörpert von einer Winketante und einer Karnevalistin. Vergleicht man sie mit Adenauer und Brandt, dann sieht man die fatalen Folgen der intellektuellen Abrüstung.

Jürgen Fischer / 02.08.2020

Islandpferde mögen das “Tölt-Gen” haben, die deutschen Sozis haben das “Tilt-Gen”. Damit meine ich den Begriff aus dem Poker. In einer anderen Interpretation/Übersetzung mag man es auch als Kipp-Punkt bezeichnen. Ich find’s gut, wie Thilo Sarrazin die SPD demaskiert. Nur schade, dass die, die es merken sollen, zu sehr an ihren alten Gewohnheiten festhalten. Wie auch die anderen $EINHEITSPARTEI-Wähler.

Marc Blenk / 02.08.2020

Lieber Herr Broder, lieber Herr Sarrazin, was stört sich die stolze Eiche, wenn sich ein Borstenvieh dran wetzt? Ich zählte immer zu denen, die es richtig fanden, dass Herr Sarrazin nicht freiwillig das Feld räumt. Und ich finde es gut, wenn Herr Sarrazin Einspruch erhebt… Aber wenn es am Ende nicht reichen sollte, was soll es. Wenn dieser Verein zum Shithole der deutschen Parteienlandschaft geworden ist, liegt das auch daran, dass er gekapert wurde von weltfremden und aggressiven linksradikalen Kräften und teilweise vom politischen Islam. In aller Naivität hat man die Türen für ‘frische’ Denke weit offengelassen, auch weil man sich wohl selbst als piefig empfand. Mit dem Rausschmiss bleiben in der Partei kaum noch Sozialdemokraten. Buschkowsky ist noch einer, der Rest sind Karteileichen, die die Entwicklung möglicherweise nicht mehr so mitkriegen, was ich gar nicht despektierlich meine. Was da von den Jusos hochkommt, sind vor allem Leute, die mit Demokratie so gar nichts am Hut haben. Die SPD hat auch am großen Rad den Kompass verloren. Sie schwimmt mit im großen Strom und meint tatsächlich, dieses reißende Ungetüm Richtung geben zu können. Immer mehr erinnert mich diese Partei an die SED Ende der Achtziger. Auch das Geschäftsgebaren weist Ähnlichkeiten auf. Als Geschäftsidee ist der Laden noch vital, aber weltanschaulich wird er von Leuten auf dem Niveau 15 jähriger Linksradikaler getrieben. Eine Partei im geistigen Untergang, ohne Stolz und Würde. Doch das war es doch, was die SPD einst groß gemacht hat. Den Leuten, die nicht mit silbernen Löffel aufgewachsen sind, eine gute Startmöglichkeit zu ermöglichen, damit sie aus eigener Kraft aufsteigen können. Bildungsmäßig wie materiell. Heute wird Bildung bei den Sozen verabscheut und der Alimentierung gehuldigt, die man zum Lebensmodell erhebt. Jedenfalls für das Klientel Leute, denen man sich verpflichtet fühlt. Deutsche sind da kaum drunter, die sollen die Kohle gefälligst beischaffen für die kruden Agenden.

R. Fetthauer / 02.08.2020

Jetzt sind der große Programmatiker Klingbeil,  die weltbekannten Vorsitzenden Esken und Walter-Borjahn, der unfehlbare Oberaufseher und Mann für alle Führungsaufgaben Scholz, sowie die Diversitäts-und Rechtsstaatsexpertinnen Dreyer und Giffey sowie die anderen mit unverwechselbarem Charisma gesegneten Protagonisten der sozialdemokratischen Rudimente endlich unter sich und können gemäß Ihren Eingebungen Ihre geistigen Höhenflüge (zum Wohle der Nation?) ungebremst fortsetzen. Was waren das für Zeiten als der kurz vorher ernannte Kanzler Schmidt, den ihm nicht genehmen Bildungsminister Dohnanyi mit den Worten “Noch so’n Spinner!” einfach aus dem Kabinett warf. Das Urteil des Altkanzlers in o.g. Fällen dürfte vernichtender ausfallen - aber der wäre von dieser an der eigenen Unfehlbarkeit berauschten Politkaste auch längst fadenscheinig entsorgt worden.

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