Steinmeier und Co manövrieren den Rechtsstaat in Seenot

Man stelle sich einmal vor: Eine foto- und telegene nautische Offizierin bricht internationales Seerecht und gefährdet das Leben von 40 Schiffbrüchigen. Sie schippert mit ihnen an Bord wochenlang hin und her, statt sie an dem am 13. Juni zugewiesenen nächsten libyischen Hafen von Bord zu bringen, der rund 35 Seemeilen entfernt liegt. Stattdessen weist sie ihre Besatzung an, diese Menschen für eine politische Aktion zu missbrauchen, die ihrer “Hilfsorganisation” ein paar 100.000 Euro in die Kasse spült. 

Sekundiert wird sie dabei vom deutschen Bundespräsidenten und dem Minister des Äußeren, die Italien, einen jahrzehntealten engen Verbündeten in der NATO und EU, vorsätzlich dafür kritisieren, dass dieses Land sein staatliches Gewaltmonopol dafür nutzt, geltendes internationales Recht durchzusetzen. Das ist Rechtsbeugung und im Wiederholungsfalle Behilfe zur Nötigung. 

Dabei können sich beide nicht auf Unwissen berufen. Das Bundespräsidialamt hat 180 Mitarbeiter, deren einzige Aufgabe es ist, den Bundespräsidenten zu beraten und seine Äußerungen und Reden inhaltlich vorzubereiten. Für Rechtsfragen ist das Referat Z5 verantwortlich

Und das Bundesminisministerium des Äußeren hat ebenfalls die Aufgabe, den Minister zu beraten und zu unterstützen. Der kann sich im eigenen Hause an das Referat 504 wenden, das für „besondere Völkerrechtsgebiete” zuständig ist, zu denen das internationale Seerecht zählt. 

Steinmeier war eigentlich lange genug Apparatschick 

Beide Herren hätten auch entsprechende Informationen beim Bundesministerium für Justiz und Völkerrecht auf dem Wege der Amtshilfe einholen können. Im Referat IV C 3 Völkerrecht; Recht der Internationalen Organisationen Internationale Gerichtsbarkeit ist Herr Dr. Henrichs zuständig, die Durchwahl dürfte im Telefonverzeichnis zu finden sein. 

Die deutsche Ministerialbürokratie ist nämlich besser als ihr Ruf. Die Menschen, die dort arbeiten, sind meist exzellente Fachleute und fast immer sehr gute Juristen. Bevor man sich zu einem gewissen Thema äußert, sollten Präsidenten, Kanzlerin und Minister deren Rat einholen.  

Hätten diese motivierten Beamten sich in der Materie nicht ausgekannt, dann hätte ihnen mit einem Klick die Stellungnahme des wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages zur Verfügung gestanden, die die internationale Seerechtslage selbst für Nicht-Juristen wie mich anschaulich zusammenfasst: Für die Seenotrettung sind die Anrainerstaaten auch jenseits der 12 Meilen-Zone zuständig. Schiffe, die Schiffbrüchige sichten, sind verpflichtet, diese aufzunehmen und zum NÄCHSTEN HAFEN zu transportieren. Unter sicherem Hafen ist dabei zu verstehen, dass das Schiff diesen unter nautischen Gesichtspunkten sicher anlaufen kann, ohne sich oder die aufgenommenen Flüchtlinge zu gefährden. 

Steinmeier sind übrigens solche Verfahren nicht unbekannt. Bevor er mangels politischer Alternative einst zum Bundesminister des Äußeren mutierte, war er Apparatschik. Als Ministerialbeamter war er seit 1990 Chef der niedersächsischen Staatkanzlei. Die besprochenen Mechanismen waren auch sein täglich Brot, als er von 1999 bis 2005 Chef der Staatskanzlei wurde. Der Apparat ist dazu da, dass die Regierung ihn nutzt 

Der “Kapitänin” ist ein solcher Hafen durch die zuständigen libyschen Behörden in rund 35 Seemeilen Entfernung zugewiesen worden. Sie ist dieser Anweisung nicht gefolgt, sondern ist ins 245 Seemeilen entfernte Lampedusa aufgebrochen, obwohl ihr Schiff dafür offensichtlich nicht ausgelegt war. Deshalb musste sie vor der italienischen Küste den “Seenotstand” erklären. Sie ist keine “Menschenretterin“, sondern hat unverantwortlich das Leben von Menschen gefährdet. Hier geht es nicht, wie bei ihrem früheren Arbeitgeber, um süße Robbenbabys, sondern um menschliche Schicksale. 

 

In die Reihe der unvermeidlichen Gutposaunen reiht sich mittlerweile auch der “Außenminister” des Zwergstaates Luxemburg “Jean” Asselborn ein, der wissentlich in dasselbe Horn bläst wie das deutsche Staatsoberhaupt und sein deutscher Kollege. 

Jan Böhmermann und Joko Winterscheidt surfen auf der Bugwelle der Flüchtlingsretter und sonnen sich in deren vermeintlichem Ruhm. Der letzte Spendenaufruf erging für den “Kapitän” eines Flüchtlingsbootes, der wohl die entsprechenden Patente zur Führung eines solchen Bootes gar nicht besaß. Vorher schipperte er wohl auf dem Ammersee. Was mit den paar hunderttausend Euro passierte, die damals eingeworben wurden, ist weithin unbekannt. 

Nun sind dank der beiden Herren schon 300.000 Euro für einen Fonds zusammen gekommen, die der armen Kapitänin Rackete bei ihrem Kampf gegen die italienische Justiz helfen sollen, die geltendes Recht durchsetzt. Aber dass Rackete und Sea Watch sich auf dem Rücken der Schiffbrüchigen mit Hilfe deutscher Spendenwilligen eine Goldene Nase verdienen, ist geschenkt. Das Rackete immerhin 11 Schwerverletzte und Kranke mit auf ihre PR-Tour nach Italien nehmen wollte, statt in Libyen an bereitstehende Ärzteteams zu übergeben, Nebensache. Die lebensbedrohlich Kranken wurden nämlich sehr wohl gerettet und in Italien aufgenommen. Nur eben nicht von unserer jungen Heldin. Auch dass die junge Frau wohl ein Schiff der italienischen Guardia di Finanza wahlweise abdrängte oder rammte (die Angaben widersprechen sich), wollen wir mal nicht zu ernst nehmen. 

Es ist aber ein veritabler Skandal, wenn ein Mitglied der Bundesregierung und gar das deutsche Staatsoberhaupt einen solchen Rechtsbruch unterstützen und die demokratisch gewählte Regierung eines befreundeten Landes dafür angreifen, dass diese Recht und Gesetz durchsetzt. Vergleicht man Steinmeiers Staats- und Rechtsverständnis mit dem seines Vorvorgängers Christian Wulff, dessen entscheidende Verfehlung darin bestand, im Eifer des Gefechts den Chefredakteur der Bild-Zeitung am Telefon angepöbelt zu haben, dann ist hier ein Rücktritt schon lange fällig. Wer den Rechtsstaat repräsentiert, kann ihn nicht missachten. Und auch nicht die Regierungen moralingesäuert an den Pranger stellen, die ihn pflegen.

Foto: Tim Maxeiner

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Leserpost

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Dieter Blume / 01.07.2019

Wenn es der vermeintlich guten Sache dient, werden Gesetze von deutschen Politikern einfach ignoriert und Prominente lassen aus ihren Kaminzimmern dem Volk verkünden, dass Menschen retten kein Verbrechen ist. Wir kleinen Leute dagegen müssen mehr als die Hälfte unserer Arbeitskraft dem Staat schenken und werden verhöhnt, weil wir Dieselautos, Grillfleisch und Mallorcaflüge lieben. Ich habe diese Arroganzlinge so satt! Sie verbiegen das Recht nach eigenem Gutdünken und suhlen sich im Gefühl moralischer Überlegenheit.

Gudrun Dietzel / 01.07.2019

Chapeau,  Herr Jancke. Ohne Schaum vorm Mund, was bei diesem Krimi einer egozentrischen jungen Frau und noch mehr in der Folge vom deutschen Staatsoberhaupt und dem deutschen Außenminister dazu abgegebenen Statesments, die zur Rechtsbeugung aufrufen, schon eine immense Beherrschungsleistung ist, haben Sie eine sehr sachliche und faktenreiche Analyse abgeliefert. Allein das ist schon aller Ehren wert, weil sich der deutsche Mainstreamjournalismus brav und bloß keinem weh tuend, in die Reihe hinter Steinmeier und Maas stellt. Sie haben völlig recht: Wenn Christian Wulff wegen eines pubertär anmutenden Telefonats mit Kai Dieckmann seine Sachen packen mußte, ist der Rücktritt von Herrn Steinmeier wegen Rechtsbeugung jetzt überfällig.

Martin Landvoigt / 01.07.2019

Es ist wohlfeil, sich als Gutmensch zu gerieren. Ein wohliges Gefühl stellt sich ein, eben der Retter der Menschen zu sein. Aber im vorliegenden Fall ist es falsch für die Spender, die das überschüssige Geld wahrscheinlich eben jenen wahrhaft Hilfsbedürftigen vorenthielten. Auch ist es falsch für die Politiker, die hier geltendes Recht außer Kraft setzen wollen - wie können die sich noch in den Spiegel sehen, wenn sie nicht in gleicher Weise ihre Unterstützung den vielen Millionen leidenden Menschen angedeihen lassen, denen weltweit täglich Unrecht geschieht? Was wäre, wenn die Bundesregierung eine verbindliche Zusage zur Aufnahme der Bootsflüchtlinge gegeben hätte? Hätte sie die italienische Regierung dann nicht einfach durchgewunken? So aber betreibt Steinmeier ‘noble’ Gesten, ohne dafür gerade zu stehen. Die Kapitänin liegt auf gleicher Linie wie Bedford-Strohm, der das Geschäftsmodell der Schlepper ‘moralisch’ unterfütterte.

A. Kaltenhauser / 01.07.2019

Weshalb münden, klar ersichtliche Offizialdelikte dieser deutschen Kapitänin, nicht in Ermittlungen durch eine deutsche Staatsanwaltschaft? Wie steht es nach dem vorsätzlichen Rechtsbruch um die Zuverlässigkeit zum Führen eines Schiffes? Jeder Pilot, würde bei festgestellten Vergehen im Straßenverkehr, bei dem die Behörden deshalb die Zuverlässigkeit anzweifeln, seine Fluglizenz verlieren. Und hier in München wird inzwischen vor der italienischen Botschaft demonstriert. Mit dabei, natürlich ein deutscher Freizeit-Schleuser von einem anderen Schlepp(er)kahn, aber mit kirchlichen Weihen und Geld der Gläubigen ausgestattet. Auch hier, keinerlei Ermittlungen durch deutsche Behörden.

Jürgen Probst / 01.07.2019

Solche hervorragenden Artikel kapieren die - sorry - linken Gutmenschen nicht.

M. Haumann / 01.07.2019

Zum Juristen Herrn Steinmeier ist hier alles gesagt. Zu der Kapitänin nur noch so viel: es ist moralisch das Allerletzte, zwei Wochen mit Menschen als Verfügungsmasse einen befreundeten Staat zu erpressen und dann zur Maximierung des Drucks auf Italien den Notfall “Suizidgefahr” anzugeben, den sie selbst bei den von ihr instrumentalisierten Menschen herbeigeführt hat. Das ist einfach nur eiskaltes und schäbiges Benutzen und Beschädigen von Menschen, die völlig nachvollziehbar verzweifelt waren und mit Sicherheit spürten, dass es nicht um ihr Wohl ging, sondern um Durchsetzung eigener, fast schon kolonial wirkender Ziele mit ihnen als Mittel. So geht man nicht mit Menschen um. Wenn ihr Italien in die Knie zwingen wollt, habt wenigstens den Anstand, es ohne lebende Waffen zu tun!

herbert binder / 01.07.2019

Ein so furchtbar wahrer Artikel aus Ihrer Feder, lieber Herr Jancke - eigentlich. Sie vergessen nur zu erwähnen (natürlich schwingt das in Ihrem Text alles mit, klar ), daß in dem hiesigen Land sehr viel, viel zu viel “pervers” abläuft (im Sinne von absurd, höchst merkwürdig), aber als normal, einzig richtig und wohlanständig gilt - sorry, zu gelten hat. Und das, was Sie an unseren Granden kritisieren, sind doch gerade deren Qualifikationen, quasi deren berufliche Daseinsberechtigung. Deutschland wird in und von einem Spiegelkabinett regiert. Alles äußerst gewöhnungsbedürftig. Apropos: “Schicken wir ein Schiff?” Unter diesem Titel ist im heutigen Cicero-online ein ebenfalls sehr lesenswerter Beitrag erschienen. Der kann gefahrfrei angelaufen und gelesen werden.

werner gottschämmer / 01.07.2019

Ach Herr Jancke, sie geben sich Mühe. Glauben sie der Herr BP und sein Dienst wissen das nicht. Nur es ist vollkommen egal weil es einem Plan folgt. Schreiben sie ruhig weiter, keiner der Herden von Schafen in Deutschland liest sie. Und, es ist ihnen doch auch völlig egal. Erosionen wohin man blickt. Das muss alles erst noch eine großen, sehr großen Knall geben bevor sich etwas ändert.

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