Auch ist ein Unterschied zu beachten zwischen einem neutralen Staat und einem “neutralisierten” Staat, wie z. B. Belgien vor dem 1. WK. Etwas ähnliches wäre wohl auch für Deutschland vorgesehen gewesen. Daß der Georgier bei dem ganzen keinen Hintergedanken gehabt haben soll, vermag ich nicht zu glauben. Ich bin dabei auch immer irgendwie an ein nicht komplett freundlichen Gespräch mit einem Herrn aus Polen erinnert, der mich mal fragte, ob ich denn wollte, daß das Dritte Reich den Krieg gewonnen hätte. Meine Antwort war, daß mir viel lieber sei, wenn es diesen Krieg gar nicht erst gegeben hätte…der Zusatz, den ich mir vielleicht, aber nur vielleicht, hätte sparen sollen, weil er mein Gegenüber auch erzürnte, war: “...dann wären Breslau und Schlesien wohl auch heute noch Deutsch.” Schwierig, das alles.
Ohne die sonstigen Verbrechen eines Josef Stalin damit relativieren zu wollen: dieses Angebot könnte durchaus ernst gemeint gewesen sein. ABER: der Westen, sprich die USA, wollten gar kein neutrales Deutschland, man wollte Deutschland als mögliches Aufmarschgebiet für den damals gar nicht so abwegigen Dritten Weltkrieg. Und deutsche Spitzenpolitiker, allen voran Adenauer, haben sich dafür einspannen lassen. Nicht das letzte Mal, dass Adenauer eine gravierende Fehlentscheidung mittrug - man denke allein an den unsäglichen Renten-Generationenvertrag (Adenauer: “Kinder wird es immer genug geben…”).
Ein mehrfach überholter Text. Die geschichtlichen Prozesse haben meist eine innere Dynamik, die auch kleinere Seitwärtsbewegungen beinhalten, ohne den Gesamtprozeß grundsätzlich zu verändern. Heute gibt es zahlreiche Veröffentlichungen von Zeitzeugen, die die sowjetische Deutschlandpolitik jener Jahre beleuchten. Die UdSSR war ein durch den Krieg ruiniertes Land. Da gab es auch kaum Fachleute zu Deutschland, und schon gar keine umfassenden Kenntnisse bei Stalin und seiner Umgebung. Der erwähnte Gromyko hatte sich mit den USA befasst. Der gerade begonnene Kalte Krieg zwang alle Seiten zu Mehr oder weniger sinnvollen Spielzügen. Was wäre wenn, ist doch in der Geschichtsschreibung eigentlich ein völlig sinnloses Unterfangen. Die DDR war für die Sowjets der Garant für die Herrschaft über Osteuropa. Die jahrzehntelangen Lieferungen gen Osten waren das Rückrat vieler sowjetischer Wirtschaftsbereiche, von Eisenbahnwaggons über Die Fischfangflotte bis zu Werkzeugmaschinen. Die USA sind bis heute in Deutschland, und seit Jahren dadurch an der russischen Grenze. Eine neutrale Ukraine ist für sie nicht denkbar. Wenn überhaupt, ein paar Jahre Pause bei deren NATO-Aufnahme.
Dieses Angebot von Stalin wurde bereits in den siebziger Jahren diskutiert und nicht wenige waren der Meinung, dass es zu schnell abgelehnt wurde. Ich glaube heute, dass Adenauer richtig gehandelt hatte, denn Stalin war nicht zu trauen, das haben seine Kriegsallierten Großbritannien und USA sehr schnell erleben müssen. So haben sich diese beiden Mächte nach dem gewonnenen Krieg sehr schnell aus den eroberten Gebieten östlich der Elbe zurückgezogen, um dafür in Berlin 10 der 20 Bezirke (Die Franzosen bekamen auch noch zwei) zu besetzen. Kaum waren die in Berlin angekommen, setzten die Sowjets unter fadenscheinigen Gründen eine Blockade gegen die 2 Millionen hungernde und frierende Westberliner durch, um die Westmächte wieder zu vertreiben, wobei sie nur an eine mögliche “Luftbrücke” nicht gedacht hatten. Eigenartig auch, dass die Sowjetunion später der Bundesrepublik und damit ausgerechnet dem verhassten Adenauer den Triumpf zukommen ließ, die letzten Kriegsgefangenen aus ihren Lagern zu holen und nicht etwa ihrer Vasallenrepublik DRR unter Ulbricht und Pieck.
Ich bin seit langem der Meinung, dass Adenauer Stalins Angebot vor allem deswegen ausgeschlagen hat, weil er in einem wiedervereinigten Deutschland vielleicht nicht mehr Kanzler geworden wäre. Typisches Poltikerverhalten damals wie heute : Persönlicher Vorteil geht vor Wohlergehen des Staates.
Wir hätten also viel früher die Groß-DDR haben können, die wir jetzt haben. Vielleicht wären uns die Merkel-Jahre erspart geblieben.
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