Erik Lommatzsch, Gastautor / 14.02.2024 / 12:00 / Foto: Pixabay / 51 / Seite ausdrucken

Sachsen-Belehrung in der Straßenbahn

Das Böse ist immer und überall. Im Dresdner ÖPNV werden Fahrgäste jetzt vor „Desinformation im Kontext von Wahlen“ gewarnt.

Da fährt man mit der Straßenbahn durch Dresden, denkt an nichts Böses, wirft einen Blick auf einen Bildschirm des „Fahrgastfernsehens“ – und wird sofort wieder gewahr, dass das Böse eben doch immer und überall lauert. Dieses Mal in Form von Desinformationen. Nun ist es nicht so, dass das „Fahrgastfernsehen“ mit Desinformationen aufwarten würde. Es bewirbt vielmehr das für Sachsen entwickelte Modellprojekt „faktenstark“, das sich gegen eines der Erzübel unserer Zeit, die Irreführung, stemmt. Wie wusste schon der gute alte Hölderlin? „Wo aber Gefahr ist, wächst / Das Rettende auch.“ (Das ist so schön tröstlich, dass es auch viele von denen kennen, die sonst keine Zeile des Dichterfürsten gelesen haben. Und es ist fast so totzitiert wie der „Kleine Prinz“.) 

Verweilen wir zunächst noch kurz bei der Gefahr, den Desinformationen. Die haben wohl gerade in Sachsen ein großartiges Biotop gefunden. Dem Land, in dem die Anzahl der Geheimtreffen-Leugner möglicherweise noch größer ist als in anderen unbelehrbaren Landstrichen. Zwar gibt es auch im Freistaat die löblichen Proteste „gegen Rechtsextremismus und für Demokratie“ (wie beispielsweise hier nachzulesen ist), und selbst betagtere Damen wagen sich noch einmal in die vorderen Kampflinien. Aber was den störrischen sächsischen Ureinwohner oder den Neusachsen, der mit eben dieser Art Ureinwohner sympathisiert, so treibt und was diese, nun ja, Menschen, in ihrer grenzenlosen Beschränktheit bei einer Abstimmung anrichten könnten, ist schon problematisch. Erschreckende Prognosen sind zu konstatieren. Vielleicht steht noch Schlimmeres bevor.

Und da wären wir beim Rettenden. Im März startet „faktenstark“, endlich. Fit für den Umgang mit Desinformationen“ macht es. Laufzeit bis September. Zum Glück, die heiklen Vorwahlmonate sind abgedeckt. Bei „faktenstark“ handelt es sich um eine „neue Initiative der Bertelsmann Stiftung, der Amadeu Antonio Stiftung und des Vereins codetekt“. Klares Ziel ist es, „die Nachrichtenkompetenz von Bürger:innen mit Blick auf Wahlen zu stärken und ihnen Strategien an die Hand zu geben, um Desinformationen zu erkennen und wirkungsvoll zu begegnen“.

Desinformationen im „Internet und in den sozialen Medien“ werden besonders häufig „im Kontext von Wahlen“ verbreitet, um „die öffentliche Meinung zu beeinflussen und das Vertrauen in die Demokratie zu schwächen“. Das Bollwerk „faktenstark“ will „die Demokratie schützen“ und „deshalb die Menschen im Umgang mit Desinformationen nicht allein lassen“. Den fast verlorenen Seelen wird die Hand gereicht. Dank des Modellprojekts „erfahren Bürger:innen, wie sie sich vor Manipulationen schützen und was sie tun können, wenn sie auf Desinformationen stoßen“. Hier wird auf „verschiedene Informations- und Bildungsangebote“ gesetzt. Man kann sich „wappnen“ und „konkrete Strategien für den Alltag“ erlernen – um Desinformationen zu erkennen und wirkungsvoll zu begegnen“.

Bürger:innen niedrigschwellig an das Thema ‚Desinformation‘ heranführen

Da man – wohl zu Recht – in der Zielgruppe nicht die hellsten Kerzen auf der Torte vermutet, wird „faktenstark“ klugerweise „niedrigschwellig an das Thema ‚Desinformation im Kontext von Wahlen‘ heranführen und Bürger:innen dazu motivieren und befähigen, die allgemeine Vertrauenswürdigkeit von Nachrichten im Internet einzuschätzen – auch ohne fachliche Expertise und zeitaufwendige Recherche“. Frei zugängliche „digitale Werkzeuge“ soll die „faktenstark“-Website anbieten. „Fachkräfte der politischen Bildung und andere Multiplikator:innen können sie mithilfe von Begleitmaterial in ihre Bildungsarbeit integrieren“. (Nebenbei: Hier erscheint das in letzter Zeit viel geschundene Wort „Fachkräfte“ in einem neuen, positiven Zusammenhang.)

Einen Podcast wird es geben. Schon seit Januar findet „ein regelmäßiges Monitoring sozialer Medien“ statt. Im Vorfeld der Landtagswahl wird untersucht „welche Desinformationen auf unterschiedlichen Plattformen wie Facebook, Instagram oder Telegram verbreitet werden, wer die Absender:innen sind, welche Strategien dahinterstecken und welche Trends es gibt“.

Da sollten sich die „Absender:innen“ trotz beginnenden Frühlings und Erderwärmung schon mal warm anziehen. Eine weitere gute Nachricht: Es gibt nicht nur die Initiative „faktenstark“ für Sachsen, nein, das Ganze ist „Teil des umfangreicheren Projekts Upgrade Democracy der Bertelsmann Stiftung“.

Nun ist der erste Schreck nach der Nachricht des Dresdner „Fahrgastfernsehens“ wirklich verdaut. Es wird alles gut. Desinformationen und sich daraus ergebende Dummheiten, und sei es nur ein simples, aber falsch platziertes Kreuz auf einer Liste, auf der doch so viel Demokratie zur Auswahl steht? Dank „faktenstark“: Schach und Matt, ihr niedrigschwelligen sächsischen Deppen!

 

Dr. Erik Lommatzsch ist Historiker und lebt in Leipzig.

Foto: Pixabay

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Leserpost

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Marius Serwuschok / 14.02.2024

Den schwarzen Gürtel in Sachen Kommunikation haben diese verzweifelten Democracywarriors schon mal nicht. Die anvisierte Zielgruppe zückt doch schon beim ersten Doppelpunkt die Twittermaschine und macht sich über derartige Fehlleistungen höchstens lustig.

Peter Meyer / 14.02.2024

Wir haben die größte politisch induzierte Wirtschaftskrise aller Zeiten in Deutschland - während der Rest der Welt über uns lacht - und die Politik haut das Steuergeld raus, um den Steuerzahler zu manipulieren. Das wird ein Schlachtfest für die AfD, diese ganzen Haushaltstitel einzusparen und dem verduzten Bürger einen ausgeglichenen Haushalt ohne Schulden zu präsentieren. Auf das Gejammer der „Zivilgesellschaft“ und der ganzen Parteiorganisationen, die plötzlich ohne Steuergeld dastehen, freue ich mich jetzt schon….

S. Malm / 14.02.2024

Ich warte auf die ersten Wahlumfragen in Sachsen und Thüringen, die die WerteUnion inkludieren. Die Hoffnung ist groß, daß sie die Rot-Grünen in der CDU/CSU-Führung das Schnappatmen lehren werden.

Ludwig Wauer / 14.02.2024

Aber die relevante Zielgruppe ist mit dieser billigen Propaganda nicht zu beeinflussen, Die hat nämlich den Begriff “Lügenpesse” bereits so verinnerlicht, dass sie dagegen immun ist.

Wilfried Düring / 14.02.2024

Wer bezahlt den ganzen Zirkus für betreutes Denken? DU !

Rainer Irrwitz / 14.02.2024

das wir noch lustig! Wenn der Plan eine Insektenfressende digitale Sklavengesesellschaft auf vorindustriellem Niveau sein soll, dann dürfte es naturgemäss schwierig sein dafür Mehrheiten in demokratischen Wahlen zu gewinnen. Also muss die Demokratie weg! Und wie nennt man das? Richtig: Demokratieförderung. Fänzis faschistische Allmachtsfantasien sind nur der Vorgeschmack und dass das WEF ausgerechnet “Desinformation” als grösste Bedrohung für die Menschheit ausgerufen hat lässt Schlimmes erahnen.

Oliver Hoch / 14.02.2024

Vielen Dank, Herr Lommatzsch, für diese nützliche Information. Gerade für mich ist diese geradezu demokratiewichtig, gehöre ich doch auch zu den allzu leicht von rechten Rattenfängern überredeten potentiell demokratieschädlich an den sächsischen Landtagswahlen Teilnehm:Innenden. Aber “faktenstark” wird mich retten. Das wird schon garantiert durch die Ausgewogenheit der dahinterstehenden Einrichtungen. Die Bertelsmannstiftung ist einfach nur großartig und steht wie “codetekt” politisch ziemlich genau in der Mitte. Zwischen Beria und Dschugaschwili. Die Erich-Mielke-Stiftung schließlich wird hingebungsvoll geführt von einer Dame, welche sich bereits im ersten besten Deutschland aller Zeiten um die Sicherheit des Staates verdient gemacht hatte, wenn auch damals nur informell. Ich mag ja niederschwellig sein, aber “faktenstark” wird als antifaschistischer Schutzwall gegen Desinformation - nicht zuletzt unser aller Steuergelder zum Danke - sicher hoch genug schwellen, um mir schädliche Fakten vom Leib zu halten. Jetzt endlich fühle ich mich warm eingehegt und allzeit bereit, meine unsichere Hand beim Ausfüllen der Wahlzettel durch die Faktenstark:innen führ:Innen zu lassen.

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