Schützt die EZB unsere Souveränität?

Schützt die EZB unsere Souveränität? Die Frage wird vom französischen Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire jubelnd bejaht. Er hat gut lachen. In Frankreich läuft nicht nur die medizinische Versorgung der Covid-Patienten schlecht und die Infektionszahlen nehmen wie in wenigen Ländern zu. Vielmehr zeigen die wirtschaftlichen Koeffizienten, in welcher dramatischen Situation das Land steckt. Die Rezession ist sehr viel härter ausgefallen als beispielsweise beim östlichen Nachbarn Deutschland und die Defizite – bereits  über 3 Prozent vor der Pandemie – sind auf 10,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gewachsen. Obschon Frankreich eine durchschnittliche Belastung bei Steuern und Abgaben von 44 Prozent der Löhne aufweisen kann, sattelt der Finanzminister Le Maire noch einmal drauf. Er führte nicht nur ein großzügiges Kurzarbeitergeld ein, sondern schuf für „coronabedrohte Unternehmen (wer immer das auch sei) großzügige Schutzschirme. So sprang der Bruttoschuldenstand Frankreichs von 98,1 Prozent des BIP im Jahr 2019 auf 117,5 im Jahre 2020. 

An dieser Größenordnung wird sich sobald nichts ändern. Dies ist von der französischen Regierung auch gar nicht gewollt. Denn die guten Jahre des Wachstums bis Ende 2019 ließ der vollmundige Macron verstreichen, ohne auch nur den Ansatz einer Konsolidierung der öffentlichen Finanzen zu wagen.  In dieser für die Schuldentragungsfähigkeit bedrohlichen Situation belegt der Hinweis des Finanzministers auf den Schutz der Souveränität durch die EZB nichts anderes als die Abhängigkeit Frankreichs von den Anleihenkäufen der Europäischen Zentralbank und des Eurosystems. Beständen sie nicht in dem bislang unbekannten Ausmaße, wären die Zinsen sehr viel höher und müsste Frankreich für die galoppierende Zunahme der Netto-Neuverschuldung, als auch für seinen vor Jahren noch unvorstellbar hohen Bruttoschuldenstand sehr viel mehr Zinsen berappen. 

In gewisser Weise hat also Le Maire Recht: Durch ihre fortgesetzte Verfälschung des Wettbewerbs auf den Kapitalmärkten in Gestalt immenser Anleihenkäufe „schützt“ die EZB Frankreich vor einer zunehmenden Abhängigkeit vor eben diesen Märkten. Die EZB protegiert Frankreich vor den Sanktionen des Marktes gegenüber einer Haushaltsführung, die von den ehemaligen Brüsseler fiskalpolitischen Tugendwächtern immer wieder gerügt worden war, ohne allerdings irgendeine Konsequenz für Frankreich zu zeitigen. Denn, so betonte der ehemalige Kommissionspräsident Juncker stets, Frankreich sei halt Frankreich.  

Die Eloge des französischen Finanzministers auf die EZB, um deren Mandatserweiterung sich der Chef der Bank von Frankreich momentan mit einem ungenierten Lobbying bemüht, kaschiert die Unfähigkeit des Landes seine Ausgabenstruktur in den Griff zu bekommen und die Neuverschuldung zu drosseln. Paris vertraut darauf, dass dieses Spiel der Wettbewerbsverfälschung durch die EZB noch so lange weitergeht, wie das Pariser Regime an der Macht ist. Dafür stehen die Chancen nicht schlecht, denn gegenwärtig bieten sich in der Öffentlichkeit gegenüber Emmanuel Macron und seiner Regierung wenig beeindruckende Alternativen von links bis rechts an.

Von dem Tage, an dem die Europäische Zentralbank ihre Anleihenkaufpolitik, die ja angeblich nur temporär erfolgt, ändern will, dürfte es also von Seiten Frankreichs Protest hageln. Deshalb bleibt es auf Dauer bei den Anleihenkäufen, denn gegen Frankreichs Willen läuft in der EZB deshalb nichts, weil Bundesbank-Präsident Weidmann, der ehemalige Gehilfe Merkels, nie beißen wird. Frankreich hat sich in eine ausweglose Falle manövriert und hofft dennoch durch seine überproportionalen Einfluss in der EZB vor den Sanktionen des Marktes sicher zu sein. Bisher kann es dabei auf das Merkel-Deutschland zählen. Aber Merkels Tage sind gezählt.  Danach ist Schluss mit lustig. 

 

Markus C. Kerber, Dr. jur. Professor für Finanzwissenschaft und Wirtschaftspolitik an der Technischen Universität Berlin, ist Gründer von www.europolis-online.org,

Foto: Wilson Dias/ Agência Brasil CC BY 3.0 br via Wikimedia Commons

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Jochen Brühl / 05.10.2020

Aber Merkels Tage sind doch nicht gezählt. Aus einer völlig alternativlosen Situation wird sie wieder antreten und die Mainstreammedien werden den Beschluss fassen, dass sie auch wieder gewählt wird - mit gewünschter Grünen-Koalition. Niemand in der Union wird das verhindern, auch keine Werteunion. Das ist dann noch eine so lange Zeit, dass Frankreich weiter bei deutlich geringeren Steuersätzen als Deutschland auf gut über 200 % Verschuldung kommen kann.

Wolfgang Kaufmann / 05.10.2020

Ehrlich gesagt weiß ich nicht, ob die schlechten Coronazahlen von Frankreich, Italien und Spanien nur auf Fehlbehandlungen durch Intubierung und HCQ zurückzuführen sind oder auch auf Korruption und systematische Unfähigkeit. Oder ob diese Länder die Sterbeziffern gar mit statistischen Tricks nach oben treiben, nur um noch leichter in den Genuss fetter deutscher Corona-Milliarden zu kommen. – Auf jeden Fall ist klar, dass diese Länder alle drei abgewirtschaftet haben, noch deutlicher als Deutschland. Zum Teil stehen dort schon konservative Parteien in den Startlöchern, die den unwürdigen EU-Kommunismus nicht weiter betreiben wollen, etwa Salvini/Meloni und Marine Le Pen.

Karla Kuhn / 05.10.2020

“Danach ist Schluss mit lustig. ”  Nein , mit Sicherheit nicht. Merkel tritt nicht eher von der Bühne ab, bis sie den richtigen Nachfolger gefunden hat. Söder wird es wahrscheinlich nicht, dafür läuft er m. E. Merkel viel zu sehr hinterher. Auch wenn ihre (m. M. n ) narzisstische Ader das privat vielleicht gut findet, politisch nicht, ich glaube sie wird den Laschet nehmen. Flüchtlingsfreundlich, kaum eine eigene Meinung, vor allem nicht so aufdringlich wie einst Schulz und jetzt Söder, den ich überhaupt nicht mehr wiedererkenne. Strauß rotiert wahrscheinlich jede Nacht im Grabe und ich kann mir auch nicht vorstellen, daß der gebildete Stoiber glücklich über das Verhalten ist. Hochflieger landen fast alle hart. Spahn ?? Nee zu inkompetent und wahrscheinlich ein “Günstling” der Pharmaindustrie. Außerdem egal was Umfragen sagen, sehr unbeliebt bei den meisten Deutschen.  WELCHE Souveränität meinen Sie ?? Deutschland hatte noch nie eine Souveränität !  Wir waren nur immer Zahlemann und Söhne (und abhängig von den Amis) und damit gerne gesehen im Ausland. Seitdem wir uns zum Bevormundungsstaat entwickelt haben und selber fast ( oder schon ganz?) Pleite sind, wird das Interesse abklingen: Wenn erst mal durch die grünen Träumereien die Industrie am Boden liegen wird, wir den teuren Strom von ausländischen Kernkraftwerken kaufen müssen, die Reisebranche, die jetzt am Boden liegt, völlig zerstört wird, die Arbeitslosigkeit steigt, damit ein Konsumeinbruch einhergeht, KOMPETENZ auswandern wird, dann kräht kein Hahn mehr nach Deutschland. Das ist wie mit einer reichen Erbtante, die hofiert wird aber parout nicht sterben will und ihr Geld selber verprasst, die wird wahrscheinlich auch fallen gelassen. Selber schuld, wie gewählt, so erhalten !!

Claudius Pappe / 05.10.2020

Der Cub Med. ist unser Verderben. Ich weiß das, obwohl ich kein Dr. jur. bin. Ein Jurist als Finanzexperte ? Ach ja, der Schäuble ist ja auch Jurist. Was hat Scholz studiert ? Juristen können ja alles. Und Physikerinnen überlisten die Physik.

Andreas Hofer / 05.10.2020

Merkels Tage sind gezählt? Daran glaube ich nie und nimmer! Wer soll es denn machen? Was auch immer „es“ ist.

Paul Hulot / 05.10.2020

” Danach ist Schluss mit lustig”  schön wäre es aber danach wird wohl Schwarz / Grün weitermachen…für die ist das ” Projekt Europa ” heilig und dazu gehört, dass sich Südeuropa inkl. Frankreich weiter nach Herzenslust verschulden dürfen.

Heinz Becker / 05.10.2020

Ich musste zweimal hinsehen: Professor für Finanzpolitik und Gedöns? Schlechter Artikel, setzen. Frankreich könnte doch in gar keiner besseren Situation sein. Die BRD-Idioten werden zahlen, bis nichts mehr da ist, und das könnte noch ein wenig dauern, Erika hin oder her. Wer sich in eine ausweglose Situation manövriert hat, ist die BRD und sonst niemand…Rette sich, wer kann.

Thomas Brox / 05.10.2020

Frankreich ist der Beamtenstaat par excellence, aber die anderen Staaten der Eurozone ticken ähnlich. Riesige unproduktive Staatssektoren, riesige unproduktive Sozialsektoren, schrumpfende produktive Basis. Über allem thront die EZB und die EU-Bürokratie. Dieses politische System wird durch eine gigantische Umverteilung via Inflation am Leben erhalten. Die EZB erzeugt mit der elektronischen Notenpresse schon seit Jahren zig tausende Milliarden Euro um Staatsanleihen aufzukaufen (Staatsfinanzierung durch die EZB). Außerdem laufen die Target-2 Kredite an die Südländer immer weiter hoch (deutsche Target-2 Kredite: 1000 Milliarden). Abgezockt werden primär Geldvermögen in jeglicher Form (Festgeld, Betriebsrenten, Lebensversicherungen, Bausparverträge, ... ), sekundär kommen auch normale Einkommen oder Renten unter die Räder (Preissteigerungen). Die Asset Inflation ist schon lange deutlich sichtbar. Die Verlierer sind hauptsächlich normale Bürger der Nordländer, vor allem die Deutschen (dank der deutschen Regierung). Die Nutznießer sind unter anderem die südlichen Staaten der Eurozone, insbesondere Frankreich. ++ Eigentlich müsste jeder Depp kapieren, dass durch Geld “drucken” kein einziges Produkt oder keine einzige Dienstleistung ensteht, und dass jedes Produkt, bevor es konsumiert wird, hergestellt werden muss - von nichts kommt nichts. ++ Die Bürger sollten nicht fälschlicherweise glauben, dass die zukünftigen Generationen die Schulden zahlen. Gezahlt wird ab dem Moment, in dem das Inflationsgeld von der EZB erzeugt wird. Die Folge dieser Politik ist eine elegante Absenkung des Lebensstandards der breiten Masse. Es wird aber noch viel dicker kommen: Enteignung von Immobilen und anderen Vermögenswerten sind absehbar, direkt oder über Steuern oder Zwangshypotheken.

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