Christoph Lövenich, Gastautor / 21.07.2023 / 10:00 / Foto: Pixabay / 33 / Seite ausdrucken

Ausgestoßene der Woche: Feigenblatt und Penis-Attrappen

Bei den Erfurter Domstufenspielen wird diesen Monat „Fausts Verdammnis“ aufgeführt. Der zuständige Weihbischof beschwerte sich jedoch über große Penis-Attrappen, die ursprünglich in der Inszenierung zum Einsatz kamen. Sie wurden schließlich gestrichen.

Gabriele Krone-Schmalz war bei uns schon Thema, diesmal kommt sie gleich doppelt vor. Dass die Journalistin in der Auseinandersetzung um Ukrainefragen kremlfreundlich agiert, macht sie für viele zum roten Tuch. Umso überraschter konnte man sein, als dieser Tage angekündigt wurde, dass sie einen Preis erhalten soll – und zwar zusammen mit Prinzen-Musiker Sebastian Krumbiegel. Den Löwenherz-Friedenspreis verleiht Human Projects, eine gemeinnützige GmbH mit Sitz im schwäbischen Leonberg. Weit weniger überrascht, dass Krumbiegel am Dienstag auf Twitter erklärte, den Preis nicht annehmen zu wollen.

Der Mainstream-Künstler – unter anderem Unterstützer der Amadeo-Antonio-Stiftung und Verächter von „Corona-Leugnern und Impfgegnern“ – begründete seinen Schritt damit, dass er „mit der Meinung einiger der Beteiligten zum #Ukrainekrieg und dessen Ursachen nicht überein stimme“. Damit meinte er wohl primär Krone-Schmalz. „Vor allem in Kriegszeiten müsse man sich aber klar positionieren“, zitiert ihn eine Agenturmeldung indirekt, „und keine Zweifel darüber aufkommen lassen, auf welcher Seite der Barrikade man stehe“.

Krumbiegel sollte den Preis wegen seinespersönliches Engagements für gesellschaftlichen und sozialen Zusammenhalt für eine starke Demokratie und Vielfalt“ erhalten, Krone-Schmalz wird er verliehen, weil Human Projects sie als Brücke zwischen Russland und Deutschland sieht. In der Vergangenheit wurde der Preis einer illustren Runde von Persönlichkeiten wie Michail Gorbatschow und Bodo Ramelow zuerkannt – sowie Fridays for Future.

Kreuzritter gegen Krone

Nicht nur Gabriele Krone-Schmalz, sondern auch Ulrike Guérot triggert gewisse Reaktionen, letztere zudem wegen ihrer Haltung zur Corona-Politik. Beide Frauen traten am Sonntag bei der Veranstaltung „Frieden in planetaren Grenzen – gemeinsame Sicherheit heute“ auf. Diese wurde von der ökopazifistischen NaturwissenschaftlerInnen-Initiative Verantwortung für Frieden und Zukunftsfähigkeit (NatWiss) ausgerichtet und sollte ursprünglich im Mainzer Haus der Kulturen stattfinden. In dieser Begegnungsstätte, die von einer Organisation des Malteserordens betrieben wird, „geht [es] konkret um die Vermittlung von Werten, die das Miteinander in Deutschland maßgeblich regeln“.

Und diese Werte verletze „Pro-Russische [sic!] Propaganda und die wissentliche Verbreitung von Verschwörungsmythen und Halbwahrheiten“, die der Ritterorden mit Guérot und Krone-Schmalz in Verbindung bringt. Er kündigte die Buchung. Die Bewerbung der Veranstaltung […] ohne klare Distanzierung zu antidemokratischen, antisemitischen und postfaktischen Tendenzen“ verstoße nicht nur gegen den „Wertekompass“ der Kreuzritter, sondern – in Deutschland wichtiger – auch gegen die „Hausordnung“. „Warum sollten wir uns von etwas distanzieren, was wir nicht vertreten?“, kontert Malte Albrecht von NatWiss. Ihm zufolge habe seine Vereinigung von Anfang an mit offenen Karten gespielt, so dass keine neuen Umstände aufgetreten seien, die eine Beendigung des einmal eingegangenen Vertragsverhältnisses gerechtfertigt hätten.

„Die von den Maltesern vertretene gesinnungsethische Bekenntnispolitik ist zwar en vogue, sie ist aber wissenschaftsfeindlich und autoritär“, so sein Verdikt. NatWiss macht „den Druck Einzelner in den digitalen Medien“ für die Reaktion der Malteser verantwortlich. Verzichten will der Verein auf eine Klage gegen die Ordensritter – wegen „ihrer wichtigen Arbeit für von Krieg und Katastrophen getroffene Menschen“. Er hatte Glück im Unglück, da sich kurzfristig ein Ersatz für den Veranstaltungsort organisieren ließ: Jenseits des Rheins und der Landesgrenze in Mainz-Kastel, das zu Wiesbaden gehört, fanden die Vorträge im Startimer Oldtimer-Museum statt.

Schwanz ab

Bei den Erfurter Domstufenspielen wird diesen Monat Fausts Verdammnis aufgeführt (Achgut berichtete). Sie heißen so, weil die Bühne sich auf der Treppe zum Erfurter Dom und zur Severikirche befindet. Der Dom fungiert als Bischofskirche der römisch-katholischen Diözese Erfurt. Deren Weihbischof, Reinhard Hauke, war als Zuschauer von einem Teil der Inszenierung gar nicht begeistert: große Penis-Attrappen, die Schauspieler in einer Szene tragen. Hauke zufolge „schauten meine Sitznachbarn an dieser Stelle verschämt nach links und rechts weg“. In einer Meldung ist davon die Rede, dass „sich die Frauen im Publikum um ihn herum wegen der besagten Kostüme irritiert gezeigt hätten“. Auf seine Beschwerde beim Generalintendanten hin verschwanden die Kunstpenisse „sowie ein überdimensionaler Rattenschwanz“ sofort. Wir sehen: Kostüme können auch auf der Abschlussliste landen, wenn gar keine „kulturelle Aneignung“ im Spiel ist.

Konservatives Feigenblatt

Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie eine Artikelüberschrift wie „AfD schreckt ausländische Fachkräfte ab“ lesen? Eine junge Dame namens Julia Ruhs kommentierte diesen Tagesschau-Onlinebeitrag am Samstag wie folgt: „Jetzt soll also die #AfD am Fachkräftemangel mitschuld [sic!] sein, aha. Ist wohl eher so, dass v.a. unser Sozialsystem für Migranten attraktiv ist und Fachkräfte kein Bock auf ein Land haben, in dem es ein berechtigt miserables Ausländer-Image gibt, das andere ihnen eingebrockt haben.“ Das wäre vielleicht im Social-Media-Getöse untergegangen, würde Ruhs nicht für die gleiche behördliche Senderfamilie arbeiten: Sie ist Journalistin beim BR. Der Cicero taufte Ruhs eine „konservative ARD-Rebellin“, sie durfte sich schon als Volontärin gegen das Gendern aussprechen oder kürzlich im Presseclub Öko-Lobbyismus kritisieren.

Auf ihren Tweet zum Fachkräftemangel hin erntete sie Forderungen nach ihrem Rausschmiss beim BR. Ein Twitterer – „vegan, plant Photovoltaikanlagen“ – fragte die Sendeanstalt: „wie lange wollt ihr diese Rechtsradikale person noch ertragen?“ (Schreibweise im Original.) „Die [sic!] Dame gehört […] sofort gekündigt!“ ergänzte ein anderer. Nach gewissem Aufruhr, auch unter Beteiligung eines grünen EU-Parlamentariers, sah sich Ruhs offenbar zu einer Reaktion veranlasst: „Ich hatte nicht vor, die AfD mit meinem vorigen Tweet in Schutz zu nehmen, wollte mich in keinster Weise parteipolitisch positionieren und ich sympathisiere nicht mit der AfD.

„Ich persönlich halte solche Abbitten für falsch“, kommentiert der kritische Journalist Boris Reitschuster. „Die ganze Ängstlichkeit des deutschen Journalismus in einem Tweet“, meint Achgut-Autorin Anabel Schunke. Bei Ansage! führt Beate Steinmetz aus: In den großen Mainstreammedien „benötigt [man] halt immer ein paar konservative Feigenblätter ­­–, doch keinesfalls darf die Kritik zu groß an der Zuwanderung sein und auf gar keinen Fall – noch viel schlimmer – darf man etwas für die AfD übrig haben“. Oder sie auch nur in Schutz nehmen. Gerade jüngere Journalisten wie Ruhs müssten für ihre gesicherte wirtschaftliche Existenz in Kauf nehmen, „dass sie öffentlich nie so reden dürfen, wie sie vielleicht gerne würden, und auch im Privaten müssen sie ständig aufpassen, wem sie etwas erzählen“.

Jetzt kommt’s dicke

Dem Blogger Hadmut Danisch wurde sein Konto bei der Deutschen Bank gekündigt. Über diese Bankverbindung hatte er Schenkungen von Lesern empfangen. Mutmaßlich spielte dabei eine Anfrage der Staatsanwaltschaft eine Rolle, die im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens seine finanziellen Verhältnisse klären wollte und ihn so gegenüber dem Finanzinstitut in ein potenziell kriminelles Licht rückte. Danischs umfänglichen Ausführungen zufolge sei es bei dem Ermittlungsverfahren zunächst darum gegangen, dass er die Grünen-Bundesvorsitzende Ricarda Lang „klein, dick, dumm, hässlich, unverschämt“ genannt hatte. Später habe man ihm stattdessen andere Formulierungen aus dem gleichen Blog-Eintrag zum Vorwurf gemacht, nämlich dass er die Politikerin als „Sinnbild eines Orwellschen Schweines“ bezeichnet und ihre Sitzposition in einem Interview mit der von Jabba the Hut verglichen hatte. Außerdem führe er gegen Lang einen Zivilprozess, in dem er sogar nachweisen müsse, ob er „denn überhaupt in der Lage und befugt wäre, zu erkennen und festzustellen, ob Ricarda Lang dick ist oder nicht“.

Im Nachhinein verschwunden

„Hat die Bild-Zeitung eine ‚ungebührliche‘ Passage aus einem Artikel entfernt?“, frug ich vergangene Woche. Diesmal hat der SWR anscheinend einen „falschen“ Zeitgenossen nachträglich aus einem Online-Beitrag gelöscht. Hintergrund war ein Interview des NDR mit dem Parlamentarischen Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion in Mecklenburg-Vorpommern, Philipp da Cunha. Eine kritische Nachfrage zu einem Vorgang um seine Fraktion „beantwortete“ er minutenlang mit immer denselben Phrasen. Ein Gespräch mit ChatGPT wäre weit erhellender gewesen. Es war dann „der Bestsellerautor Marc Friedrich, der mit seinem Tweet dem spektakulär gescheiterten TV-Interview zu größerer Reichweite verhalf“, wie der Focus schreibt. Das Magazin bettet diesen Tweet auch ein. Ähnliches, so Friedrich, war im SWR-Artikel auch der Fall, bis nach seiner Aussage dieser behördliche Sender am Folgetag den Passus und den Tweet herausstrich. Im Internet Archive lässt sich das leider nicht überprüfen.

Wirtschaftsautor und „Crash-Prophet“ Friedrich könnte im Nachhinein entfernt worden sein, weil er sich inzwischen „alternativmedial“ betätigt. Auf seinem YouTube-Kanal führt er Interviews mit Ulrike Guérot, Sahra Wagenknecht, Friedrich Pürner, Markus Krall und anderen aneckenden Andersdenkenden. (Und mal mit der oben erwähnten Grünen-Bundesvorsitzenden in Davos.) Im Mai hielt er eine Vortragsveranstaltung mit prominenten Gästen ab. Friedrich präsentiert den Sachverhalt so, dass es zwischen der ersten und der jetzigen Version des SWR-Beitrags noch eine Zwischenfassung gegeben habe, in der er noch nicht gelöscht, aber bereits negativ geframt war.

Zum wiederholten Male: Maaßen

Vor wenigen Tagen sprach ein Dauergast dieser Kolumne, Hans-Georg Maaßen, im Kurhaus Bad Aibling zum Thema „Der Umbau der Gesellschaft in Deutschland. Was kann und muss dagegen getan werden?“ Der Auftritt hatte seine Feinde: Neben Antifa-Demonstranten den Regisseur Michael Stacheder, der sich im Vorfeld für das Canceln der Veranstaltung ausgesprochen hatte. Stacheder unterstellt Maaßen, wie das Oberbayerische Volksblatt zitiert, eine „Sprache aus dem Milieu der Antisemiten und Verschwörungsideologen bis hin zu völkischen Ausdrucksweisen“. Der Regisseur nenne Maaßen sogar einen „rechten Hetzer“ und „Antisemiten“. Keine „rechte Hetze“ hingegen sieht der Bürgermeister Bad Aiblings, Stephan Schlier (CSU): „Man muss auch Meinungen aushalten können, die man selbst nicht gut findet.“ Der Kurdirektor stößt ins gleiche Horn: „Jeder sollte in einer Demokratie die Möglichkeit haben, sich zu äußern.“ Und die Veranstaltungsleiterin beim neuen Pächter des Kurhauses ergänzt: „Das Problem sind nicht die unterschiedlichen Ansichten. Das Problem ist, dass die Menschen überhaupt nicht mehr miteinander sprechen und einander zuhören.“

Pax Augustana

Nicht jeder Antisemitismus-Vorwurf geht fehl. Einen Vortrag mit dem Titel „Rechtsruck in Israel: Gibt es noch Chancen für den Friedensprozess?“ mit dem Autor Jakob Reimann im Rahmen der Augsburger Friedenswochen zu planen, könnte durchaus „Ausdruck eines linken Antisemitismus“ sein, wie Bernhard Schiller es formuliert. Denn Reimann ist glühender Israelhasser, der Äußerungen wie „Israel ist ein Apartheidstaat, geführt von Rechtsradikalen!“ von sich gibt, der die Relativierung von Holocaust-Verharmlosung durch Palästinenserpräsident Abbas kombiniert mit Hetze gegen Kritiker der Coronapolitik und – als Zeichen des Neulinken – Gendersprache verwendet.

Sowohl er als auch die Hauptveranstalterin, die Augsburger Friedensinitiative (AFI), bestreiten zwar den Vorwurf, dass Reimann dem BDS-Aktivismus angehöre oder ihn propagandistisch unterstütze. Nach Kritik von Politikern und jüdischen Organisationen hat sich die AFI aber letztlich – zusammen mit ihren Mitveranstaltern DFG-VK, VVN-BdA und pax christi – dazu entschlossen, den für kommenden Dienstag anvisierten Vortrag zu verschieben, so dass er nicht mehr im Rahmen der Friedenswochen stattfindet. Interessanter wäre, eine streitige Diskussionsveranstaltung durchzuführen.

Rache für Stolz?

Haben Sie den Stolzmonat mitbekommen? Im Juni wurde dem Hype-artigen Pride Month in seinen Regenbogen- und Progress-Pride-Farben ein an die schwarz-rot-goldene Trikolore angelehntes Motiv entgegengehalten – vor allem bei Twitter, teils sogar in gedruckter Form. Der von einer rechtsalternativen Szene mit vielen jüngeren Leuten propagierten Aktion gelang es Anfang letzten Monats sogar, sich in den Twitter-Trends noch vor dem Pride Month zu platzieren. Der auch von einigen AfD-Politikern und ‑Gliederungen unterstützte Stolzmonat rief im Mainstream Missbilligung hervor.

Jetzt freut sich der in diesem Zusammenhang auf Twitter ebenfalls verspottete Bodo Ramelow über einen großen Zensurschlag gegen die Szene hinter dem Stolzmonat. Am Mittwoch und Donnerstag vergangener Woche ereignete sich in mehreren Wellen konzertiert ein schnell so getaufter „Discord Purge“. Also eine Säuberungsaktion beim Internetdienst Discord, der Text-, Audio- und Videokommunikation unter Teilnehmern ermöglicht. Ein Betroffener spricht von 50 bis 100 Accounts von Personen, die deaktiviert wurden – darunter solche von Szeneprominenten. Zwei Server, einer davon mit 2.600 Teilnehmern, wurden gelöscht. Für Ramelow ein „‚technischer Marktplatz‘ auf dem man sich zur koordinierten Aktion verabredet hat“. Als Begründung für die Sperrungen seitens Discord erfolgte jeweils nur ein allgemeiner Hinweis auf einen angeblichen Regelverstoß. „Such dir den Vorwurf aus, der zu dir am besten passt“, ätzt genannter Betroffener.

Die Vermutung liegt nahe, dass Discord nicht ganz von selbst aus heiterem Himmel zu einem solchen Schlag ausholt, sondern einen kleinen politischen Motivationsschub erhalten hat. Spekuliert wird, dass eine Gemengelage, in der neben dem Stolzmonat auch die AfD-Umfrageergebnisse, die jüngsten Erfolge der Partei bei zwei kommunalen Wahlen und ein Auftritt Björn Höckes in der einschlägigen Wochensendung Honigwabe eine Rolle spielt, diesen „Gegenschlag“ ausgelöst haben könnte. Am ersten Tag der Zensurkeule erschien ein Artikel bei der Amadeu-Antonio-Stiftung (AAS), der die Honigwabe als „rechtsextremen Troll-Podcast“ beschimpft; im Stiftungsrat der AAS sitzt Ramelows Geheimdienstchef Stephan Kramer. Inzwischen gibt es bei Discord einen Ersatz-Server.

Gewaltig

Eine Nationalflagge kommt auch im nächsten Fall vor, und zwar eine mit Sternen und Streifen. Im Song „Try That In A Small Town(„Versucht das mal in der Kleinstadt“) wendet sich der namhafte US-Countrymusiker Jason Aldean gegen diverse Erscheinungen, die er eher in urbanen Gefilden beheimatet sieht, und stellt dem das Ideal eines kleineren, patriotischen Ortes entgegen. Flaggen verbrennen, Polizisten ins Gesicht spucken, Läden überfallen oder das Recht auf Waffenbesitz einschränken wollen – all das sollte man, so die Botschaft des Liedes, in der Kleinstadt gar nicht erst probieren. Der einschlägige Musiksender CMT weigert sich nun, das Musikvideo zu dem Song zu spielen.

Hintergrund dürfte sein, dass Kritiker wie die Waffengegnerin und Musikerin Sheryl Crow dem Text unterstellen, Gewalt zu verherrlichen. Einem Landesparlamentarier der Demokraten aus Tennessee zufolge ruft das Lied sogar zu „rassistischer Gewalt“ auf. Aldean verteidigt sich in einem Statement von Dienstag: „Rasse“ kommt im Text gar nicht vor, er sei auch keineswegs für Lynchjustiz oder dergleichen; vielmehr gehe es ihm um ein „Gefühl des Zusammenhalts“, mit dem er aufgewachsen ist. Dem Erfolg von „Try That In A Small Town“ scheint die Aufregung keinen Abbruch zu tun, im Gegenteil.

Rede zur Freiheit abgesagt

Letzte Woche haben wir den Fall eines gecancelten Vortrags an der Uni Würzburg kurz behandelt. An einer anderen fränkischen Hochschule, der Uni Erlangen-Nürnberg, wurde nun ebenfalls ein Vortrag abgesagt. Der Althistoriker Prof. Egon Flaig sollte letzten Freitag im Rahmen eines Workshops mit dem Titel „Archäologische Grundbegriffe“ zum Begriff „Freiheit“ reden. Aber mit der Freiheit der Andersdenkenden ist das bekanntlich so eine Sache. Einen Auftritt von Achgut-Gastautor Flaig an der Uni Osnabrück hatte 2021 unter anderem der AStA zu verhindern versucht. Flaig wird unterstellt, „neurechte Ideologie“ zu vertreten. Das Nürnberger Bündnis Nazistopp wirft ihm zum Beispiel vor, dass seine Bücher über einschlägige Verlage bezogen werden können (bei denen sie gar nicht erschienen sind!) und dass er „mit postkolonialer Theorie […] grundsätzliche Probleme zu haben [scheint]“.

Studienlage

Dazu passen Erkenntnisse aus einer aktuellen, europaweiten Studie der TU Dresden: „Die Ablehnung abweichender Meinungen“ ist bei Linken beziehungsweise „Progressiven“ stärker ausgeprägt als bei Rechten beziehungsweise Liberalen und Konservativen. Das bestätigen Umfrageergebnisse aus der Forschung von Prof. Richard Traunmüller (Uni Mannheim): Bei der Cancel Culture „ist es in Deutschland die linke Seite, die dort intoleranter auftritt als die konservative.“

Mit dieser nicht ganz so überraschenden Einsicht endet der allwöchentliche Überblick des Cancelns, Framens, Empörens, Strafens, Umerziehens, Ausstoßens, Zensierens, Denunzierens, Entlassens, Einschüchterns, Moralisierens, Politisierens, Umwälzens und Kulturkämpfens. Bis nächste Woche!

Ein Archiv der Cancel Culture in Deutschland mit Personenregister finden Sie unter www.cancelculture.de. Um auch weniger prominente Betroffene aufnehmen zu können, sind die Betreiber der Webseite auf Hinweise angewiesen. Schreiben Sie ihnen gerne unter cancelculture@freiblickinstitut.de.

Foto: Pixabay

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Leserpost

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Didi Hieronymus Hellbeck / 21.07.2023

Zu Hadmut Danisch: er kämpft grandios und wird sich durchsetzen. Ein Grund für die miesen Versuche gegen ihn: GRÜNE Dumpfbacken werden ihm niemals verzeihen, dass er den Lebenslauf der Baerbock auf die Sezierplatte gelegt hat und damit die Tante als .... Sie wissen schon ..... überführen konnte. Danisch hat die Tante regelrecht auseinandergenommen - dass sie heute als Witzvorlage dient und internationalem Gespött anheim gefallen ist, verdanken wir wesentlich seinen Recherchen. Ohne Danischs Recherchen wäre dieses grotesk-mediale Kunstprodukt gar “Bundeskanzlerin” geworden. - Danisch kämpft, grinst sich eins, verdient gewiss ordentlich weiter, und die Dumpfbacken dürfen einmal mehr in die Tischkante beißen.  Hadmut, der Kampf geht weiter!

Hjalmar Kreutzer / 21.07.2023

Der Bericht zu den Domstufenspielen in Erfurt scheint mir kein gutes Beispiel für die in dieser Kolumne behandelte Cancel Culture zu sein. Ich bin weder katholisch noch habe ich „Fausts Verdammnis“ in den Domstufenspielen besucht; der Bericht reicht mir schon wieder. Kommt denn heute keine Aufführung ohne „modernes deutsches Regietheater“ aus und erschöpft sich dessen „Mut und Fortschrittlichkeit“ im Zeigen imitierter Genitalien und Nacktheit? Muss erwachsenen Zuschauern immer wieder die donnernde Entdeckung präsentiert werden: „Der Papi hat nen Schniedi, und die Mutti, die hat keinen“ (Mike Krüger)? Liebe Reschissöre, Tänzer, Sänger, Schauspieler, wenn Euch die alten Meister Goethe, Berlioz, Gandonnière usw. zu „popelig“ sind, erschafft bitte etwas Eigenes, zeigt dabei so viel Genialitäten und Genitalien, wie Ihr mögt und fallt damit durch. Ansonsten bringt Ihr gefälligst auf die Bühne, was Autoren, Komponisten und Librettisten aufgeschrieben haben und nichts anderes! Ich wünsche ein schönes theaterfreies Wochenende.

A.Schröder / 21.07.2023

“... Weihbischof beschwerte sich jedoch über große Penis-Attrappen ...”. Man sollte den Mann ernst nehnem. Er hat womöglich die besseren Einblicke und das bessere Wissen. Kleine Jungs haben ...

Marianne Denninger / 21.07.2023

Noch eine Ausgestoßene! Überschrift heute in der B.- Zeitung: “WEIL STUDENTINNEN SICH „UNWOHL“ FÜHLTEN, Becken zu gebärfreudig! Uni entfernt Frauen-Skulptur.” Die Gleichstellungsperson der Europa- Universität läßt eine kleine Statue entfernen….nach Googlen der Person kann ich verstehen, daß der Anblick nicht vergleichbar ist…tja Pech, die Natur ist halt launisch, sollte man aushalten können.

Andrea Nöth / 21.07.2023

Solange Weibischof Haucke sich nur an Plastikpenissen stört und nicht an den Penissen von Kirchenheiligen, die in Kinder eindringen, ist doch alles im grünen Bereich. Ironie off.

Wilfried Cremer / 21.07.2023

Lieber Herr Lövenich, das Abendland ist geistig abgebrannt, und mit verkohlten Charakteren kann man nicht mehr reden. Wer das Schweigen nicht erträgt, greift zu Verschwörungstheorien. / Ihre Dokumentation des Elends ist zwar nötig, doch im Endeffekt nicht mehr als aufgestellte Kreuze. Aber besser vor der Zeit Erinnerungskultur als nichte nicht.

Jörg Themlitz / 21.07.2023

Das mit Prof. Egon Flaig kann ich gut verstehen. Seine Forschungsergebnisse bringen das ideologisch zusammen gebastelte, rot grüne sozialistische Geschichtsbild zum Einsturz. Die Wahrheit ist leider auch, das Volk steht auf Dichtung nicht auf Fakten und Wahrheit. Professor Brinkmann von der Schwarzwald Klinik wurde ständig um medizinischen Rat gebeten, den Aktientips von Manfred Krug (ruhe in Frieden auf dem schönen Stahnsdorfer Waldfriedhof) wurde blind vertraut und die Claas Relotius Geschichten im “Der Spiegel” waren der Renner.

Günter Schaumburg / 21.07.2023

Es ist unglaublich, wie tief wir in Sachen Sitte und Moral bereits verkommen sind. Da wird “Kunst” benutzt, um vor diesem einmaligen Kirchen-Ensemble die Verkommenheit unserer Gesellschaft mit Gemächten und Rattenschwänzen Theaterfreunden zu demonstrieren. Einfach nur eklig und pervers. Der Kunst mitunter genauer auf die Finger zu schauen, siehe auch Documenta Kassel, und andere “Kunst”-ergüsse, scheint offensichtlich geboten, wenn selbst ein Generalintendant den Unterschied zwischen Kunst und Mist nicht mehr zu kennen scheint. Betroffen macht auch, daß es in sogenannten gebildeten Kreisen keine Grenzen mehr darüber gibt, was sich gehört und was nicht. Dekadenz pur. Gab es wenigstens Pfiffe und Buf-Rufe?

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