Tja- geht nicht immer so wie bei Richard Strauss. Der soll bei einer Probe mit der Partitur nach der Sopranistin geworfen haben, woraufhin sie hinter die Bühne verschwand. Er folgte ihr - und als er nach etlichen Minuten wiederkam, erklärte er dem Orchester: “Meine Herren, wir haben uns soeben verlobt.”
Ich find in diesem Artikel nix Halbes und nix Ganzes.
Wenn ich all denen die es verdient haben eine Backpfeife geben könnte, hätte ich keine Zeit mehr für was anderes und müßte zweihundert Jahre alt werden. Da ist doch der Ruhestand die bessere Alternative. Sir John Eliot Gardiner ist achtzig. Nach ihm kommt bestimmt noch mancher schlechte Dirigent. Das soll ihn nicht stören. Es ist gewollt.
Wenn das mit der Ohrfeige wirklich stimmt, hat Mr. Gardiner nichts mehr am Dirigentenpult verloren - unabhängig davon, was er Großartiges in der Vergangenheit geleistet hat. - Allerdings: Eine Chance hat er auf jeden Fall verdient! - Ich steige nun mal in niedere Gefilde ab und stelle mir vor, was mit mir als Lehrerin passiert wäre, wenn ich einem mich ständig beleidigenden, drohenden, andere Schüler drangsalierenden, sich an keine Regeln haltenden Knaben - noch dazu zur Familie “Einmann” gehörend - irgendwann im Affekt eine geknallt hätte. Dann wäre ich wohl für immer weg vom Fenster - ein Gericht hätte höchstwahrscheinlich zu meinen Ungunsten entschieden - und meine erfreuliche Pension hätte ich wohl auch nicht. - Was ich damit sagen will: Sir Gardener ist nichts von alledem durch den jungen Sänger widerfahren, was Lehrern, Polizisten, Sanitätern und vielen anderen mehr täglich geschieht, die allen Grund hätten, die GEBALLTE Hand auszufahren - und deswegen ist sein “Ausrutscher” in meinen Augen nicht zu entschuldigen - Genie hin oder her. Er ist auch nur ein Mensch! -Schade, dass er sich einen derartigen Abgang verschafft - immer vorausgesetzt, dass die Geschichte wirklich stimmt!
Was hat dieser Vorfall mit seiner musikalischen Karriere zu tun? Gar nichts! Der Vorfall ist zivilrechtlich, eventuell strafrechtlich zu klären, wenn keine Einigung möglich ist. Ich sehe nicht ein, warum der Vorfall zwingend das Ende seiner künstlerischen Karriere bedeuten soll. Die zeitgenössische “Mode”, wegen eines unliebsamen Vorfalles die Existenz eines Menschen zu vernichten ist unlogisch, dumm, niederträchtig, extremistisch, unmenschlich. Er hat einen Fehler begangen und sich entschuldigt. Damit sollte es gut sein. Wer noch die Vernichtung seiner Karriere fordert oder feiert ist ein Schwein.
“Der britische Dirigent Sir John Eliot Gardiner zieht sich in den Ruhestand zurück.” ... Das passt zum Fachkräftemangel. Sollen es doch diejenigen, die übrig bleiben, alles selber machen ... wenn sie können, was zu bezweifeln ist, weil sie maximal mittelmäßig sind. Sie begreifen nicht einmal, dass der Fachkräftemangel auch eine Innere Immigration ist.
Johann Sebastian Bach lebte in einer Zeit, die man nicht grundlos “grobianisch” nennt, d.h., er benahm sich nicht oder kaum schlimmer, als es für Männer mit einer gewissen Autorität allgemein üblich war und als normal angesehen wurde. Zu den europäischen Eliten von etwa 1750 bis 1914 gehörten relativ viele Menschen mit erträglicheren Persönlichkeiten und Sitten. Es gelang ihnen, ihre Gesellschaften einigermaßen zu zu zivilisieren, und trotz verheerender Kriege und Kriegsverbrechen in jedem Jahrhundert und und totalitärer Systeme und Verbrechen im 20. Jahrhundert gibt es darüber noch heute einen Restkonsens. Bei allem Verständnis, das ich im konkreten Fall für einen Ausraster eines nicht-pflegeleichten Künstlers aufbringen kann, halte ich es für wichtig, an den Grundsätzen des zivilisierten Lebens festzuhalten. Schlagen geht nicht, außer in Selbstverteidigung. Es ist richtig, wenn Gardiner das Dirigentenpult verlässt, obwohl es schade ist.
Ich finde das jetz nicht wirklich erstaunlich. Immerhin hat er doch als Sir die nötige Beachtung bereits gefunden. Hätte er sich da nicht gleich rechtzeitig zurückziehen können? Jähe Wendungen erschrecken uns zwar seit Erich Honecker immer wieder, aber man muss das mal ins Verhältnis setzen. Was wäre etwa, wenn er ohne ausdrückliche eigene Schuld als Russe geboren worden wäre. Da wäre doch die Karriere von Anfang an unter einem Dark Star gewesen. Es ist diese Sucht, alles alleine zu machen. “Lasst mich die Leiche auch noch spielen!” Und dann wundert man sich, wenn es ernst wird. Immerhin hat er ja durch seine dirigentale Supremacie verhindert, dass andere Künstlernde auch mal ran dürfen. Er hat damit nicht nur meine Dirigenten-Karriere frühzeitig beendet, sondern auch die von Ricarda Lang und Anton Hofreiter. Er ist also nicht ganz schuldlos.
Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.