Auf vielen Speisekarten taucht gerade ein „ganz besonderes Gericht“: ein Salatkopf im Ganzen, nur mit etwas Dressing verfeinert. Für mich ist ein roh servierter Salat kein Gericht, allenfalls eine Beilage.
Die Umerziehung der Deutschen zu Grünzeug mümmelnden Kaninchen macht Fortschritte. Während der Fleischverzehr 2018 hierzulande noch 61 Kilogramm pro Kopf und Jahr betrug, sank er bis 2022 auf 52 Kilogramm. Neun Prozent der Bevölkerung ernähren sich laut einer Forsa-Umfrage mittlerweile vegetarisch, drei Prozent vegan. 41 Prozent der Befragten bezeichnete sich als Flexitarier, also Menschen, die angeben, nur noch gelegentlich Fleisch zu essen. Die taz, Fachblatt für Volksaufklärung und Pflichtlektüre untergetauchter Linksterroristen, rundete diese 41 Prozent großzügig zu „fast die Hälfte“ auf.
Aber natürlich ist das immer noch zu viel. Gerade korrigierte die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DEG) das Limit für den noch tolerierbaren Fleischkonsum mal wieder kräftig nach unten. Während „Deutschlands wichtigste Ernährungsberater:innen“ (taz) bisher 300 bis 600 Gramm wöchentlich angemessen erschienen, empfiehlt sie von nun an „maximal“ 300 Gramm.
Das entspricht etwa einem Schnitzel und fünf Scheiben Wurst, was dem auf einem neben dem Artikel posierenden, etwas bleich aussehenden taz-Redakteur aber immer noch nicht genug ist, weil die Tierhaltung 14 Prozent der deutschen Treibhausgase verursache und „maßgeblich zum Artensterben beitrage“. Außerdem würden „viele“ Nutztiere unter ethisch nicht vertretbaren Bedingungen gehalten. Die Wörtchen „maßgeblich“ und „viele“ sind auch solch nette Aufrundungen, wenn man es mit den Fakten nicht so genau nimmt.
Bunkernahrung für den anstehenden Dritten Weltkrieg
Passend dazu ein Trend, der jüngst in einem Artikel der Welt prominent thematisiert wurde. „Auf vielen Speisekarten“ tauche gerade ein „ganz besonderes Gericht“ auf: ein Salatkopf im Ganzen, nur mit etwas Dressing verfeinert. Etwa im Berliner In-Restaurant „Grill Royal“: „Ohne viel Schnickschnack gibt es dazu entweder eine Vinaigrette aus Essig, Öl und Kräutern oder ein Buttermilch-Dressing mit Orange und Olivenöl. Eine bodenständige Freude und gleichzeitig ein kulinarischer Höhenflug.“
Für mich ist ein roh servierter Salat kein Gericht, allenfalls eine Beilage. Und wer in Zusammenhang mit Kopfsalat, ob nun im Ganzen oder in Form einzelner Blätter, von einem kulinarischen Höhenflug spricht, muss schon ziemlich verpeilt sein. Das ist eher Bunkernahrung für den anstehenden Dritten Weltkrieg. Wobei man das Grünzeug vor dem Genuss erst einmal dekontaminieren müsste.
Der einzige Salat, der kalt genossen kulinarische Qualitäten aufweist, das wusste schon Wolfram Siebeck, ist der Feldsalat. Und das auch nur im Winter, wenn diese Salatsorte Saison hat und im Freien geerntet wird. Salat aus dem Gewächshaus, ob Feldsalat, Kopfsalat, Lollo Rosso, Romana, der berüchtigte Eisbergsalat, oder wie die lätscherten Blätter sonst noch heißen, ist notabene fast immer nahezu geschmacklos und auch mehr oder weniger frei von Vitaminen und anderen möglicherweise gesundheitsfördernden Inhaltsstoffen.
„Ich will im Restaurant essen, nicht grasen“
Aber auch im Sommer, wenn man Freilandware kaufen kann oder sie aus dem eigenen Garten bezieht, sind die grasigen Blätter, ob grün, gelb oder rötlich, ob glatt, kraus oder gerippt, eine Zumutung. Zumindest wenn nicht Urlaubstimmung den Verzehr einer Insalata mista am Adriastrand in etwas rosigerem Licht erscheinen lässt. Wenn man sich zwecks besserer Verdauung unbedingt Ballaststoffe zuführen möchte, sollte man gleich zu Flohsamen greifen. Zwei Teelöffel in Wasser anrühren, kurz quellen lassen, Nase zuhalten und runter damit.
Ich kann mir kaum vorstellen, wie man einen ganzen Kopfsalat bewältigen soll, eine Riesenportion feuchtes Papier gewissermaßen. Wie zerkleinert man den, ohne auf dem Tisch eine komplette Sauerei anzurichten? Soll man den Strunk mitessen, weil der ja vermutlich ganz besonders gesund ist? „Viel Spaß beim Blättchen knabbern…manche leben auf dem Niveau der Haustiere“, kommentierte eine Welt-Leserin treffend, ein anderer User meinte: „Ich will im Restaurant essen, nicht grasen.“ Daumen nach oben!
Dann doch lieber ein Wagyue-Beef aus Australien, Marmorierungsgrad 7 bis 8, 300 Gramm für 138 Euro, wie es im Grill Royal die Speisekarte ziert, denn bei diesem Laden handelt es sich genau genommen um ein Steakhaus. Vielleicht hat man den Kopfsalat dort ja nur aus dem Grund auf die Karte gesetzt, um der sicher bald regelmäßig anrückenden Klimapolizei eine Veggie-Alternative präsentieren zu können. Die kostet übrigens stattliche zwölf Euro. Da ist das Schüsselchen Speck-Krautsalat für 5,10 Euro, das in einem Gasthof am Englischen Garten in München als Beilage zum Schweinsbraten offeriert wird, fast ein Schnäppchen. Früher gabs den obligatorisch zum Braten ohne Aufpreis, ein Beispiel für versteckte Preiserhöhungen. Aber immer noch besser als Kopfsalat mit oder ohne Fußbad.
Wenn schon, dann Kochsalat
Wenn es unbedingt „grüner“ Salat sein soll, sollte man ihn nicht als Rohkost, sondern als warme Speise servieren. In Österreich einst weit verbreitet war der Kochsalat, eine Spinatalternative. Dazu wird Römersalat (Romana) in sprudelndem Salzwasser weichgekocht, in Eiswasser abgeschreckt und gut ausgedrückt, bevor man ihn in eine Sauce auf Basis einer Mehlschwitze gibt, die mit Zwiebeln und Knoblauch verfeinert und mit Brühe verlängert wird. Wer möchte, kann noch Erbsen unterrühren. Passt gut zu deftigem Fleisch.
Auch Radicchio, am besten Radicchio Trevisano, schmeckt am besten, wenn man ihn in etwas Olivenöl schmort oder im Ofen bäckt, weil er dann einen Teil seiner Bitterkeit verliert. Und aus dem banalen, bleichen Chicorée kann man ein sehr schmackhaftes Gratin machen. Aber dazu braucht‘s wieder Sahne und Käse. Veggie-Aposteln schütteln jetzt schon wieder besorgt mit dem Kopf. Aber niemand soll müssen müssen, wenn er nicht will. Wenn man sich weiterhin auf diese Grundbedingung einer freiheitlichen Lebensweise verständigen könnte, kann man von mir aus auch einen ganzen Kopfsalat niedermachen.
Georg Etscheit schreibt auch für www.aufgegessen.info, den von ihm mit gegründeten gastrosophischen Blog für freien Genuss.