Jetzt bannen auch die Sternsinger die AfD. Weil sie gegen das Ausgrenzen sind, grenzen sie aus.
Wenn es darum geht, dem Zeitgeist zu huldigen und dem übergriffigen Staat gefällig zu sein, gehen die Kirchen längst mit mehr gläubiger Inbrunst ans Werk als in ihrem Kerngeschäft: der Verkündigung des Evangeliums und der Anbetung des Heiligen Geistes. Das zeigte sich schon zu Zeiten der Corona-Maßnahmen, als die innerkirchlichen Hygienevorschriften absurde Züge annahmen. Jetzt hat sich die Amtskirche mit ebensolcher Verve dem „Kampf gegen rechts“, sprich die AfD, verschrieben.
Ein jüngst von der Deutschen Bischofskonferenz verabschiedeter „Radikalenerlass“ ließ an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Dann verlautbarte Jürgen Schuch, Präsident der (evangelischen) Diakonie, dass er keine „überzeugten AfD-Wähler“ unter seinen Mitarbeitern mehr dulden möchte: „Wer sich für die AfD einsetzt, muss gehen.“ Was ihm eine Strafanzeige vonseiten der AfD-Bundestagsabgeordneten Beatrix von Storch einbrachte.
Nun haben auch die Berufsjugendlichen vom Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) nachgezogen. Laut einer „Empfehlung“ der BDKJ-Hauptversammlung sollen in Zukunft AfD-Politiker und AfD-Amtsträger keinen Besuch von Sternsingern mehr erhalten. „Wir verstehen uns als antifaschistisch“, sagte die BDKJ-Bundesvorsitzende Lena Bloemacher in schönstem SED-Sprech. „Wir stehen für eine demokratische, gleichberechtigte und solidarische Gesellschaft und Kirche ein und wenden uns gegen jede Art der Ausgrenzung und Unterdrückung. Mit dem Beschluss bekräftigen wir unser Engagement gegen Diskriminierung und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. Wir werden weiter laut sein!”
Keine offiziellen Termine
Das Sternsingen ist eine alte und sympathische Tradition. Jedes Jahr um das Dreikönigsfest ziehen Gruppen von Kindern und Jugendlichen in der Verkleidung der Heiligen Drei Könige mit einem Weihrauchfass und dem Stern von Bethlehem von Haus zu Haus und erbitten Spenden für notleidende Altersgenossen in Entwicklungsländern. Als Dank singen sie ein Lied und segnen das Haus, indem sie über die Eingangstür mit Kreide die Initialen des lateinischen Spruches „Christus mansionem benedicat“ („Christus segne dieses Haus“) schreiben, versehen mit drei Kreuzzeichen und der aktuellen Jahreszahl. Seit 2015 gehört diese deutsche Tradition zum immateriellen Kulturerbe der UNESCO.
Wie soll nun diese Empfehlung von den jeweiligen Pfarrgemeinden, die die Sternsinger losschicken, umgesetzt werden? Wird es schwarze Listen mit den Adressen von AfD-Politikern geben, die von den Sternsingern nicht mehr aufgesucht werden dürfen? Oder werden die betreffenden Häuser mit geheimen Zeichen, Zinken, versehen, ähnlich derer, die einst fahrende Banditen an „guten“, Beute versprechenden, und „schlechten“ Häusern anbrachten?
Nein, Listen werde es keine geben, das sei ein Missverständnis, sagt der BDKJ-Sprecher, der auf den schönen Namen Christian Toussaint hört, wie im Französischen das „Allerheiligenfest“ genannt wird. Es gehe nicht um Privathaushalte. Vielmehr sollten die Sternsinger keine Einladungen mehr zu offiziellen Terminen von AfD-Politikern und gewählten Amtsträgern wie Parlamentsabgeordneten oder Bürgermeistern annehmen. Analog zu dem traditionellen Empfang von Sternsinger aus allen katholischen Bistümern durch Bundespräsident und Bundeskanzler, letzterer hatte seine die Eidesformel als in der Wolle gefärbter Sozialist natürlich ohne Gottesbezug geleistet.
Mit der Empfehlung der BDKJ-Hauptversammlung solle verhindert werden, dass die AfD „das Engagement der Kinder für ihre Zwecke instrumentalisiert“. Nachfrage: Wie soll mit Kindern umgegangen werden, die aus AfD-Familien stammen? Es komme hier, so Toussaint, auf die Werte der Kinder an, nicht die der Eltern. „Wir treten aktiv für Toleranz ein und grundsätzlich sind alle eingeladen, die diese Werte teilen.“ Wenn ein Kind nicht für die Werte der Sternsinger eintrete, „wird es ja auch nicht bei uns mitmachen.“
Der Mohr muss gehen – wegen „Blackfacing“
Zu den Werten der Sternsinger gehört natürlich auch die „Vielfalt“. Allerdings nicht in dem Sinne, dass die verschiedenen Herkünfte der drei Weisen aus dem Morgenland an deren Hautfarben abzulesen wären. „Wir sagen, kommt wie ihr seid“, heißt es in einer Handreichung der Sternsinger-Aktion zum Thema Blackfacing, also dem Schminken des schwarzhäutigen Königs, wobei nicht ganz klar ist, ob es sich dabei um Melchior oder Baltasar handelt.“ Doch das geht heute natürlich gar nicht.
Die Abschaffung des Mohren ist auch von einem theologischen Standpunkt aus gesehen fragwürdig. „Als ich selbst vor über 60 Jahren Sternsinger war und vor 48 Jahren als Diakon die Sternsingeraktion organisierte, wurde immer einer gelb angemalt und asiatisch gekleidet, einer weiß und europäisch, einer schwarz und afrikanisch, soweit es möglich war“, sagte der frühere Bischof von Bamberg, Ludwig Schick, der sich vergangenes Jahr noch über das „ideologische“ Verbot echauffierte:
„Uns wurde das so begründet und so habe ich es selbst getan: Der neue Stern kündete den gelbhäutigen, den weißhäutigen und dunkelhäutigen, also allen Menschen Heil und Frieden an; alle Menschen sollten zur Krippe kommen, weil Gott sie alle gleich erachtet unabhängig von ihrer Hautfarbe; wir Kinder sollen uns als gleichwertig und füreinander verantwortlich wissen. Das war kein Rassismus, sondern Lehrstunde für Gleichheit und Einheit aller Menschen! Ich bedauere, dass es diese Lehrstunde bei der Sternsingeraktion so anschaulich nicht mehr geben soll.“
Dass politisch korrekte Sternsinger nicht bei allen Menschen gut ankommen, zeigte ein Vorfall in der österreichischen Steiermark, wo einer Gruppe von Sternsingern, die ohne Mohr umherzogen, die Tür gewiesen wurde. „Ihr habt keinen Mohr – dann auf Wiederschaun!“. Mit dem AfD-Bann sind die Verantwortlichen jetzt noch einen deutlichen Schritt weiter gegangen und spalten nach Kräften, obwohl sie vorgeben, zur Versöhnung aufrufen zu wollen. Zum Glück gibt es im Devotionalienhandel „Dreikönigspäckchen“ mit Kreide, Weihrauch und Räucherkohle.
Do it yourself statt do it woke!
Georg Etscheit ist Autor und Journalist in München. Fast zehn Jahre arbeitete er für die Agentur dpa, schreibt seit 2000 aber lieber „frei“ über Umweltthemen sowie über Wirtschaft, Feinschmeckerei, Oper und klassische Musik u.a. für die Süddeutsche Zeitung. Er schreibt auch für www.aufgegessen.info, den von ihm mit gegründeten gastrosophischen Blog für freien Genuss, und auf Achgut.com eine kulinarische Kolumne.