Georg Etscheit / 03.03.2024 / 12:00 / Foto: Pixabay / 7 / Seite ausdrucken

Cancel Cuisine: Spaghetti alle vongole

Ein Abend Italienurlaub lässt sich auch in der heimischen Küche mit Pasta und Venusmuscheln simulieren. Hier steht, wie's geht.

Was wäre die Welt ohne Katastrophenszenarien? Klimawandel, Corona, „rechte“ Machtergreifung, Artensterben, Putin ad portas. Für machiavellistisch gesinnte Politiker gibt es nichts besseres, als den Menschen dauernd Angst einzujagen. Das macht sie gefügsam. Meist ist die Wahrheit jedoch eine ganz andere. Dass der Gardasee trotz anderslautender Horrorszenarien zu Beginn des vergangenen Jahres noch nicht ausgetrocknet ist, darüber schrieb ich hier.

Etwa zur gleichen Zeit hieß es, dass auch dem Po, Italiens längstem Fluss, infolge anhaltender Dürre das letzte Stündlein geschlagen habe – und mit ihm der traditionsreichen Venusmuschelzucht im Podelta. Es gelange zu wenig Süßwasser in die Lagune, Algen breitete sich aus, die Muscheln litten. 

Auch diese Endzeit-Meldung erweist sich als großzügige Übertreibung, denn natürlich gab es solche Trockenperioden schon immer, wie es extreme Hochwasser gab und gibt, deren schreckliche Folgen heute durch hohe Schutzdämme entlang des Flusses Po mehr oder weniger der Vergangenheit angehören. Und die in der Sacca die Goro, dem wichtigsten Zuchtgebiet im Podelta, lebenden Vongole-Spezies Ruditapes philippinarum sei besonders resistent, wie die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) schrieb.

Nicht billig, aber...

Ein persönlicher Lokalaugenschein vor zwei Wochen zeigte das als UNESCO-Weltnaturerbe ausgewiesene Delta wieder in seiner ganzen aquatischen Pracht. Wasser im Überfluss, in dem nicht nur die berühmten Venusmuscheln prächtig gedeihen, sondern auch Myriaden anderen Wassergetiers sowie zahllose Wasservögel, darunter große Kolonien von Flamingos, die man von der Uferstraße südlich von Chioggia am südlichen Ende der Lagune von Venedig bei ihren bizarren Balztänzen beobachten kann. In der Ferne nach Norden hin zeichnen sich die noch schneebedeckten Gipfel der Alpen ab. Eine offenbar ziemlich intakte Traumlandschaft, mitten in einer der am dichtesten besiedelten Regionen Europas. 

Übrigens dürften auch die Zeiten, als Venedig regelmäßig Katastrophenschlagzeilen schrieb, vorbei sein. Seit das gigantische „Moses“-Sperrwerk in Betrieb ist, kann die Lagune wirksam vom Hochwasser der Adria abgeschirmt werden. Schlechte Nachrichten für Weltuntergangspropheten, denen nun die schönen Bilder von der infolge Klimawandels versinkenden Lagunenstadt abhandengekommen sind. Zugleich ein Triumph der Technik, die, verantwortungsvoll entwickelt und angewendet, ein Segen ist und kein Fluch, wie uns grüne Fortschrittsfeinde immer wieder weismachen wollen.

Wenn man sich Duft und Geschmack dieser zauberhaften Landschaft nach Hause holen will, sollte man sich beim gut sortierten Fisch- oder Feinkosthändler ab und zu mal ein Beutelchen Vongole veraci gönnen. Keine billige Angelegenheit, denn ein Kilo kostet zwischen zwanzig und dreißig Euro. Solch ein Plastiknetz reicht für zwei Personen, auch wenn das wenige Muschelfleisch, das nach Entsorgung der Schalen übrigbleibt, kaum ins Gewicht fällt. Denn es kommt auf den Geschmack an, der den Schalen anhaftet, und den im Inneren der Muscheln befindlichen Resten von Meerwasser. Aus diesem Grund wird man auch mit ausgelöstem Venusmuschelfleisch, das es pasteurisiert in Gläsern zu kaufen gibt, kein wirklich befriedigendes Ergebnis erzielen.

Das einzige Problem ist der Sand

Das einzige Problem bei der Zubereitung von Spaghetti alle vongole ist der Sand, der sich noch im Inneren der Muscheln befinden kann. Um ihn restlos zu entfernen, sollte man die Muscheln vor der Zubereitung eine halbe bis eine Stunde in kaltes Salzwasser legen. Dann stoßen sie Sand und andere störende Partikel von selbst aus. Anschließend sollte man sie noch einmal sorgfältig bürsten und abbrausen, bevor man sie mit etwas Knoblauch und gehackter Zwiebel in Olivenöl anbrät und mit Weißwein ablöscht. 

Dazu eignet sich ein trockener Weißwein aus Venetien, etwa ein Soave Classico. Der eignet sich auch als Begleitung, wobei auch ein frischer, fruchtiger Verdicchio dei castelli di Jesi aus den Marken oder ein Verdicchio di Matelica, der etwas säurebetonter daherkommt, eine gute Figur machen. Und wer auf Lugana steht, den meist überteuerten Trendwein vom Gardasee, liegt auch nicht falsch.

Jene Muscheln, die sich nach dieser Prozedur nicht vollständig geöffnet haben, muss man schweren Herzens wegwerfen. Wer will, kann die Schalen mit dem gegarten Muschelfleisch jetzt herausnehmen, warmhalten und den Sud noch etwas einkochen, bevor man die „al dente“ gekochten Nudeln in den Topf gibt. Dann kommen auch wieder die Muscheln dazu, wobei man das Muschelfleisch vor dem Servieren auslösen kann. Oder man überlässt diese Arbeit den Gästen, denen man dazu eine Schürze oder eine übergroße Serviette umhängen sollte wie bei einem Krebsessen. 

Grob gemahlener Pfeffer, grobes Meersalz, gehackte Petersilie und etwas Chili dienen als Würzmittel, auf geriebenen Parmesankäse sollte man verzichten – er überdeckt den zarten Meergeschmack. Allenfalls kann man noch einen Schuss Wermuth oder Noilly Prat dazugeben. Neben dem Klassiker „in bianco“ gibt es die Variante „al pomodoro“, also mit Tomaten. Ich zöge immer die schnörkellose Version vor, denn einfacher und besser geht es nicht, wenn man im in jeder Hinsicht trüben deutschen Restwinter des Jahres 2024 einen Abend Italienurlaub simulieren möchte.

 

Georg Etscheit schreibt auch für www.aufgegessen.info, den von ihm mit gegründeten gastrosophischen Blog für freien Genuss.

Foto: Pixabay

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Wilfried Cremer / 03.03.2024

oder machen die Muscheln das alleine?

Rolf Menzen / 03.03.2024

Ische nixe Muscheln esse wg. Allergie.

Wolfgang Feldhus / 03.03.2024

Lupini….das sind die besseren Vongole. Und jede einzelne wird vorher auf Marmor geklopft…..eine sandige dabei versaut die Pfanne.

Rainer Irrwitz / 03.03.2024

das Artensterben ist real und kein Szenario! (das erkennt man schon daran dass die Globalisten noch kein Geschäftsmodell daraus gebastelt haben) Guten Appetit, wer Muscheln mag kann ja auch mal Nierensteine essen oder den Luftfilter im Auto auskochen, gibt ein feines Süppchen.

Gerd Maar / 03.03.2024

Sehr lecker auch die japanische Variante mit Asari-Muscheln und Sake.

Thomas Taterka / 03.03.2024

Wer so verzweifelte Sehnsucht nach Italien hat ( Oh ja , kenn’ ich , wasche mich sogar mit italienischer Seife , Nesti Dante Cypresso , man riecht wie aus dem Ei gepellt ! ) , sollte seinen Tag bereits mit ” Uova in Purgatorio ” beginnen . Vielleicht mit Speck , hält länger vor . Gutes italienisches Brot dazu kann auch nicht schaden . Espresso kommt aus der Bialetti . Italien kann so einfach sein : Riecht gut, schmeckt gut , sieht gut aus . Paolo Conte , ”  Aguaplano ” , Platin -und ab .

Wilfried Cremer / 03.03.2024

hi, haben die Städte am Po inzwischen Kläranlagen?

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