Henryk M. Broder / 14.11.2020 / 11:00 / Foto: Acgut.com / 101 / Seite ausdrucken

Omas gegen rechts. Jetzt glatt koscher

Es hat sich schon herumgesprochen, dass Josef Schuster, der Vorsitzende des Zentralrates der Juden, und ich „best buddies“ sind. Wir kommunizieren beinahe täglich miteinander und beraten uns gegenseitig. Unsere Freundschaft ist eine echte deutsch-jüdische Symbiose, eine Win-Win-Situation für uns beide. 

Es ist noch nicht lange her, da rief er mich auf meinem Handy an – ich war gerade auf den Faröern unterwegs – und erzählte, demnächst stünde wieder die Verleihung des Paul-Spiegel-Preises für Zivilcourage an, der letzte Preisträger, Wilfried Manneke, evangelischer Pastor aus Unterlüß in Niedersachsen, habe als seinen Nachfolger den katholischen Seelsorger von Oberlüß vorgeschlagen, der aber habe dankend abgelehnt, weil er sich nicht „instrumentalisieren“ lassen wollte. Ob ich jemanden wüsste, der den Preis verdienen würde. "Natürlich!", sagte ich, und schlug Jürgen Todenhöfer vor, mit dem ich ebenfalls seit der Schlacht um die Düppeler Schanzen herzlich befreundet bin, wenn auch nicht ganz so intensiv wie mit dem Schuster, Josef. 

Der sagte zu meinem Vorschlag nichts, woraus ich folgerte, dass er nicht angetan war. „Wie wäre es mit Ruprecht Polenz?“, sagte ich, der war immerhin mal Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses. Heute amtiert er als Vorsitzender der christlich-muslimischen Friedensinitiative e.V., ist Kuratoriumsmitglied der Christlich-Islamischen Gesellschaft und vertritt die Bundesregierung im Dialog um den Völkermord an den Herero und Nama mit Namibia. Außerdem hat er die AfD wiederholt als „rechtsradikal, rechtsextremistisch und faschistisch“ bezeichnet. Hmmm, hmmm, murmelte Schuster. Worauf ich mein letztes Ass aus dem Ärmel zog: „Michael Blume, der Antisemitismus-Beauftragte des Landes Baden-Württemberg!“

„Ja, an den haben wir auch schon gedacht“, sagte Josef Schuster, „aber ...“

Und bevor er den Satz vollenden konnte, rutschte es aus mir heraus: „Dann nehmt doch die Omas gegen rechts!“

Ich weiß, es hört sich verwegen an, aber ich wusste zu diesem Zeitpunkt nicht, dass es die „Omas gegen rechts!“ tatsächlich gibt. Es fiel mir einfach ein, es hätten auch „Gartenzwerge für den Frieden“ oder „Geigerinnen gegen Fast Food“ sein können. 

Wir plauderten noch eine Weile hin- und her und verabschiedeten uns bis zum nächsten Mal.

Ich hätte die Geschichte längst vergessen, wenn ich nicht vor drei Tagen eine Pressemeldung vom Zentralrat bekommen hätte, überschrieben mit: Initiative „Omas gegen rechts“ erhält Paul-Spiegel-Preis 2020. Darin heißt es:

Die ‚Omas gegen rechts‘ bringen ihre Lebenserfahrung und ihre Zeit ein, um sich für unsere Demokratie zu engagieren. Sie setzen laut und deutlich ein Zeichen gegen den wachsenden Antisemitismus und Rassismus sowie gegen Frauenfeindlichkeit. Ihre Protestformen sind kreativ und modern. Leider sind sie regelmäßig Anfeindungen ausgesetzt. Doch davon lassen sie sich nicht einschüchtern. Ihr Engagement ist vorbildlich und sollte in unserem Land stärker gewürdigt werden als bislang. 

Da sehen wir mal wieder, wie aus einem harmlosen Scherz grausamer Ernst werden kann. Es geht, einmal mehr, nicht darum, etwas zu tun, sondern ein Zeichen zu setzen, laut und deutlich, kreativ und modern, engagiert und vorbildlich. 

Jetzt möchte ich nur wissen, was die „Opas gegen rechts“ dazu sagen, dass sie zugunsten ihrer Frauen übergangen wurden.

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Volker Wache / 14.11.2020

Kennen Sie schon Nazis gegen rechts? Nein? Macht nix, ich auch nicht. Ist aber genauso sinnfrei wie Omas gegen rechts.

Carlos Redder / 14.11.2020

“Omas gegen rechts”? Wie? Die alten Weiber haben Zeit für solch schrullige Aktivitätern!? Ich dachte diese “alten Umweltsäue” scheppern mit ihren Motorrädern in Hühnerställen herum. Oder klöppeln für Samos, Racketen und beloved Bedfort? Nein, “Omas gegen rechts‘ bringen ihre Lebenserfahrung und ihre Zeit ein, um sich für unsere Demokratie zu engagieren.” (= LAUDATIO TREMENS)  Omas Lenbenserfahrung also supi, Opas alte weisse Männer Lebenserfahrung toxisch, nazi? Die Juden in Deutschland haben sich mit diesem durchwachsenen Alteleutekonglomerat wohl die lustigste Vertretung ever gegönnt. Und Frage: WELCHE OMAS sind gemeint? Wieder mal so eine elitäre, gutsituierte und gelangweilte Hucke?  Ich zitiere mal aus der “WELT”:  “Sie kochen Kohlrabiblätter aus und heizen nur ein Zimmer. Altersarmut trifft oft Frauen (Irene Götz am 7.2.2018 ebenda über die krasse Altersarmut alter Frauen, sprich “Omas”) DIESE OMAS haben andere Sorgen als die nun prämierten gehätschelten, alten, weissen Weiber…

Z . Störck / 14.11.2020

” Omas gegen rechts ” tragen Vulvamützen . Kein Scherz . Man stelle sich vor was Opas gegen rechts tragen müssten , handgehäkelt und ausgestopft ... mind boggles . Darum gehen sie nicht auf die Straße , wenn es sie denn überhaupt gibt ....

A. Kaltenhauser / 14.11.2020

Oder Ur-Opas gegen Links und Alles und Jeden. # Der RAMMSTEIN-Gitarrist Paul Landers (Genre: Neue Deutsche Härte, kurz NDH) erklärte zum produzierten Lied “Links 2 3 4”, einer Reaktion auf permanente Vorwürfe rechter Gesinnung: „Wir sehen die Welt anders als in links und rechts aufgeteilt. Aber für diesen Song bedienen wir uns der schlichten Schwarzweißmetaphern, die Journalisten scheinbar wichtig finden, um uns zu erklären.” (aus Wikipedia)

Steve Acker / 14.11.2020

Generell nehme ich diese ganzen Preise überhaupt nicht mehr ernst. Sie sind in keinster Weise mehr eine wirklich Ehrung für eine wirkliche Leistung. Man denke nur daran, dass Relotius oder Greta mit Preisen überschüttet wurden. aber dieses Beispiel zeigt. Es gibt immer wieder Möglichkeiten die Lächerlichkeit noch zu toppen.

Petra Wilhelmi / 14.11.2020

Ich finde den Artikel zwar lustig, wie so ein Preis ausgekungelt werden kann, aber ... naja. Ich denke, dass Sie, Herr Broder, die Auszeichnung für “Omas gegen rechts” nur als Scherz ins Spiel geworfen haben. Als ich das vor Monaten das erste Mal hörte, dass es so eine Gruppe gibt, habe ich auch an einen Scherz geglaubt. Als Scherz ist es sehr originell. Schlimm finde ich, dass dieser Scherz zur Wahrheit wurde. Somit fühle ich mich veranlasst, den Omas an den Kopf zu werfen, dass sie überhaupt nicht aus ihrer Lebenserfahrung schöpfen, sonst wären Sie nicht so doof, “Omas gegen rechts” zu gründen, sondern sie haben sich vom linken Zeitgeist ohne Nachzudenken einwickeln lassen. Vielleicht sind es auch altlinke Omas, oder altmaoistische Omas oder einfach nur welche, die zwischen den Ohren nichts haben. Eben, doofe Frauen, wie wir sie in der Öffentlichkeit in Massen erleben. Ich bin eine völlig andere Oma und habe meine 5 Sinne noch beisammen und kenne die DDR-Diktatur aus eigenem Erleben. Eigentlich wollte ich so etwas nicht noch einmal in einer deutlich verschärften Ausführung erleben. Aber das Leben kennt keinen Gerechtigkeitssinn.

Anna Barbara Zahn / 14.11.2020

Das sind doch die “Omas gegen Rääächts”, die auch beim Evang. Kirchentag regelmässig für einen Boykott gegen israelische Waren aufrufen. Warum gibt es keine Omas gegen Links, die wären wenigstens aktueller.

Heike Olmes / 14.11.2020

Nein, Herr Broder, feinsinniger Humor und Ironie sind nicht die Sache der Linken. Bitte sprechen Sie stets EINFACH und UNMISSVERSTÄNDLICH mit ihnen. Übrigens bin ich für die Nominierung von Gröhlemeyer.

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