Thomas Rietzschel / 25.01.2019 / 09:30 / Foto: Lusitana / 53 / Seite ausdrucken

Merkel und Macron spielen Karl der Große

Als Karl der Große 814 in Aachen starb, erstreckte sich sein Reich über ganz West- und weite Teile Mitteleuropas, über Frankreich, Korsika, Norditalien und das Gebiet des heutigen Deutschland bis nach Spanien im Westen und Böhmen sowie Mähren im Osten. Zu den abhängigen Gebieten zählte der nördliche Balkan.

Dank dieser Ausdehnung war das Reich der Karolinger mächtig genug, in Europa den Ton anzugeben. Das Fränkische verband sich mit dem Germanischen zu einer Weltmacht, zu einem Schutzschild für seine Untertanen, die freilich auch nie mehr als eben das gewesen sind: Untergebene der Monarchie. Kein Herrscher nach ihm konnte Karl dem Großen das Wasser reichen, weder der unersättliche Feldherr Napoleon noch der deutsche GröFaZ Hitler besaßen das Zeug dazu. Beide überhoben sie sich fürchterlich, auch wenn sich die historische Leistung des einen nicht mit dem Unheil vergleichen lässt, das der andere anrichtete.

Solange die Nachgeborenen noch halbwegs bei Verstand waren, wagte es bisher kein Europäer, in die Fußstapfen des fränkischen Königs zu treten. Zu dieser Hybris sollten sich erst Angela Merkel und Emmanuel Macron versteigen, als sie sich am 22. Januar 2019 in Aachen, der einstigen Kaiserpfalz, darauf verständigten, zusammen einen „Schutzschild“ für Europa zu bilden. Unter den Tisch fiel die Frage, ob die übrigen Länder des Kontinents überhaupt beschützt sein wollen. Als handele es sich um Mandatsgebiete, wurden sie der deutsch-französischen Vorherrschaft unterstellt. Ein Akt machtpolitischer Anmaßung ohnegleichen.

Genau 55 Jahre zuvor, als Charles de Gaulle und Konrad Adenauer am 22. Januar 1963 den deutsch-französischen Freundschaftsvertrag im Élysée-Palast unterzeichneten, ging es noch um die Aussöhnung zweier Nationen, um die Beilegung einer verhängnisvollen „Erbfeindschaft“. Nun in Aachen haben zwei Länder, deren Führer die kontinentale Vorherrschaft beanspruchen, nicht mehr und nicht weniger als die politische Entmündigung der europäischen Nationalstaaten beschlossen.

Fortschreitenden Realitätsverlust zweier Politiker

Zur Rechtfertigung imaginierte Emmanuel Macron eine „Gefahr“, die „von außerhalb Europas und aus dem Inneren unserer Gesellschaften“ komme. Stehen wir also kurz vor einem Dritten Weltkrieg, drohen uns bürgerkriegsähnliche Zustände? Oder wollte uns der französischen Staatspräsident lediglich mit einer fadenscheinigen Begründung abfertigen, Ängste provozieren, indem er den Teufel an die Wand malte? Uns gefügig machen für die europapolitischen Machtansprüche des Duo infernale?

Denn wenn es sich tatsächlich so verhalten sollte, wie es uns erklärt wird, würden sich wenigstens drei Fragen stellen: Erstens, wozu bedarf es eines deutsch-französischen „Schutzschildes“, wo wir doch die NATO haben, um Angriffe von außen abzuwehren? Zweitens, was vermag die deutsche Streitmacht  im Ernstfall auszurichten - mit Hubschraubern, die nicht abheben, mit Panzern, die nicht starten, mit Gewehren, die eher zufällig als zuverlässig treffen? Und drittens schließlich, was könnten Deutsche und Franzosen tun, um innere Unruhen in anderen Ländern, in Polen, in Ungarn, in Spanien oder in Italien zu befrieden? Sollten sie einmarschieren wie die Russen 1956 in Ungarn und 1968 in Prag?

Wenn Merkel und Macron sich dennoch berufen fühlen, Europa unter ihren „Schutzschild“ zu stellen, verrät das nur den fortschreitenden Realitätsverlust zweier Politiker, die sich selbst genug sind. Mehr als alles bedroht ihre Arroganz das freundschaftlich friedliche Zusammenwirken der europäischen Nationalstaaten.

Ihre Hybris hat sie längst um den Verstand gebracht. Beide sind sie hoffnungslose Fälle. Denn wie soll man, um ein Bonmot von Dieter Bohlen abzuwandeln, wie soll man einem Größenwahnsinnigen klarmachen, dass er größenwahnsinnig ist.

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Leserpost

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Reinhart Thalheim / 25.01.2019

und ich nahm an, M&M ist eine Süßigkeit für meine Enkel. So wird es wohl eine weitere bittere Pille. Gruselig.

E.W.U.Putzer / 25.01.2019

MERKEL und das Macrönchen haben sich eben als ‘Gleichgepolte’ zum fressen gern , das kann man immer wieder an ihren fast koitalen Begrüßungsorgien sehen. Auf dieser Ebene werden sie sich ja nicht mehr lange begegnen, niemand wird in ein paar Tagen noch von diesem Fetzen Papier reden. Es ist nur ein netter Anlass für viele schöne Reisen zu irgendwelchen Feierlichkeiten im Rahmen des “Vertragswerkes”, unzählige Kommissionen werden sich auf den Weg machen. Davon abgesehen ist jeder Bezug zu blutigen Karl (dem Großen) im positiven Sinne eher fehl am platze. Er war der übelste Menschenschinder seiner Zeit, nur weil es keine sicher belegbaren Dokumente über diese Zeit gibt (er selbst war Analphabet) und alle vordatierten Zuschreibungen von einigen wenigen Kirchenschreibern meist der Nachzeit existieren, konnte ein Glorienschein von zweifelhaftem Ruhm erdichtet werden. Der Zerfall seiner in unzähligen Metzeleien zusammengeraubten Ländereien setzte sofort nach seinem Ende ein. Kaum ist England raus, wird das Bärenfell neu aufgeteilt, der Zerfall des Franco-Germanischen Reiches ist aber trotzdem nicht aufzuhalten.

Paul Diehl / 25.01.2019

Sie verkennen die den Umstand, wer hier was zu sagen hat. M und M sind nur die Gesichter der Gesichtslosen, die im Hintergrund die Strippen ziehen. Das “tolle” an der schönen neuen Welt der Finanzeliten ist doch, dass man die Mächtigen überhaupt nicht kennt, weil man sie nicht sieht.  Karl der Große war Karl der Große, aber wer sind eigentlich die wahren Herrscher von Deutschland und Frankreich? Ich vermute M und M nicht! Sparen Sie sich die Aufregung und machen Sie mal einen tollen Bericht über die, die tatsächlich bestimmen wo es lang geht. P.S. Ich trage keinen Aluhut. Ich spreche lediglich aus, was offensichtlich ist.

Dietmar Blum / 25.01.2019

Karl der Große war zeit seines Lebens seinem Stamm (lat.: natio =Nation), den Franken verpflichtet und ging brutal gegen Jeden vor, der ihn angriff. Wäre interessant zu erfahren, wie er gegen die Merkels und Macrons unserer Zeit vorgegangen wäre, die Nationen verschmelzen möchten.

Sebastian Donner / 25.01.2019

Statt sich auf den Weg zu machen die EU zu reformieren, rufen sich die beiden gescheiterten Eliten im dunkler werdenden Wald ständig Mut zu.  ,,Du Macon, wir sind doch bald da,oder?“ Mir wird kalt.. aber ja…ich bin ja da, wir halten zusammen…du und ich.  Lachen oder weinen? Man weiß es nicht.

Thomas Taterka / 25.01.2019

Bei Madame hab ich mich schon gefragt,  ob sie überhaupt jemals im Leben ein wahres Wort gesagt haben könnte und bei Monsieur frage ich mich , ob er nicht die letzten 90 Jahre im Fach Geschichte in der hintersten Reihe durchgepennt hat. Hat der je ein Buch der französischen Literatur gelesen,  einen großen Dichter, Philosophen etc? Einen Filmklassiker Frankreichs gesehen, einen Maler geliebt,  einen Komponisten seines Landes etc. ? Diese Fragen würde ich ihr nicht stellen.  Die Antwort kenne ich schon. Die Wahrheit,  die reine Wahrheit und nichts als die Wahrheit. Ich finde, die können auch heiraten, neusozialistisch ” getraut “. Passt. Grau trifft dumm.

Mathias Pauls / 25.01.2019

Karl den Grossen zum Vorbild zu nehmen ist nicht ganz unproblematisch. Er hat grosse Teile der heutigen EU mit Kriegen zusammengeführt. Speziell die Sachsen (im heutigen Niedersachsen) haben unter ihm gelitten. Er wollte seine Idiologie (Christentum) durchsetzen. “Heidnische” Bräuche wurden mit dem Tod bestraft. Jahre lang führte er blutige Kriege. Während der Kriege führte er Zwangsumsiedlungen durch, nahm zudem Geiseln. Nach den Siegen führte er die Tributpflicht ein und hob Soldaten aus für seine weiteren Feldzüge.  Was sagt uns das für die Gegenwart? Frau Merkel spielt hier wohl den Widukind. Für Interessierte bei Wikipedia: Karl der Grosse (und) Sachsenkriege.        

Semjon Task / 25.01.2019

Ich danke Merkel und Macron für die Weitsicht den Aachener Vertrag erarbeiten zu lassen und zu ratifizieren. Es ist ein wichtiger Schritt für mehr Gewicht Europas ( oder zumindest Deutschlands/Frankreichs) in der Welt. Und die ist Angesichts Russlands/Chinas/Amerikas bitter nötig. Desweiteren scheint der Autor mehr Wert darauf zu legen was Macron in seiner Rede zu dem Vertrag zu sagen hatte, als auf den Inhalt des Vertrages ein zu gehen (falls er sich überhaupt die Mühe gemacht hat diesen zu lesen). In dem Vertrag, der von den Parlamentariern und Ministern Deutschlands und Frankreichs erarbeitet wurde, stehen nämlich keine imperialistischen Allmachtsfantasien wie der Autor so plakativ behauptet. Sondern eine Vertiefung der Zusammenarbeit auf allen gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Ebenen beider Länder. Beim nächsten Mal besser recherchieren und weniger fake news verbreiten Freundliche Grüße

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