Karl Lauterbach, Gesundheitsminister im Kabinett von Olaf Scholz, hat viel an Ansehen verloren. Aber er vertraut sich selbst noch immer, wie einst der nackte Kaiser, der sich von seinen Untertanen feiern ließ.
Am Wochenende meldete dpa: „Eine Berlinerin soll wegen eines Hasskommentars zu Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) vor Gericht kommen. Die Staatsanwaltschaft klagt die 46-Jährige wegen Beleidigung und öffentlicher Aufforderung zu Straftaten an.“
Was war geschehen? Nicht viel mehr, als dass die mit Klage bedrohte Frau Lauterbach in einem Internet-Kommentar zu einem Fernsehauftritt geschrieben hatte, Lauterbach sei „geisteskrank“ und stelle mit seinem politischen Einfluss eine Gefahr für die Gesellschaft dar, was die Frau dann zu dem strafbewehrten Aufruf veranlasste, den Mann zu töten. Damit hat sie die Grenzen des Zulässigen überschritten, dafür muss sie sich verantworten, nicht aber für die „Beleidigung“, den Herrn Minister als „geisteskrank" eingeschätzt zu haben.
Der Anlass ihrer Empörung war die Befürwortung der Freigabe des Konsums von Cannabis durch den Gesundheitsminister.
Was wäre die Pandemie ohne die Hysterie?
Doch wie alles auf der Welt hat auch dieser Eklat eine Vorgeschichte. Der Minister steht unter Druck, weil ihm jetzt frühere Entscheidungen, die sich als töricht und schädlich erwiesen haben, massiv vorgehalten und um die Ohren gehauen werden. Die Corona-Entwicklung verlief nicht so, wie es von ihm einschüchternd vorhergesagt wurde. Im Gegenteil, die Panik legt sich zusehends. Die Infektionskrankheit hat ihren Schrecken verloren. Eine gute Nachricht für uns, weniger indessen für Karl Lauterbach. Ist er doch allein dank Covid-19 so berühmt geworden, wie er es schon immer sein wollte.
Was hätten wir von der Pandemie gehabt ohne die Hysterie, die zu schüren er nicht müde wurde. Nichts als eine ernsthafte gesundheitliche Bedrohung, die es gleich früherer Grippe-Epidemien ärztlich zu bekämpfen galt. So aber haben wir eine gesellschaftliche Krise bekommen, die Massen von Existenzen ruinierte. Tausende verloren ihre Arbeitsplätze. Auch eine fortwirkende politische Krise wurde irrwitzig heraufbeschworen, nahezu der Stillstand des gesamten gesellschaftlichen Lebens. Geschlossene Schulen und Hochschulen sorgten für Bildungsrückstände, die nur schwer aufzuholen sein werden.
Dafür erlebten wir einen Karneval der Masken, die zu tragen der „Gesundheitsexperte“ uns bei jeder denkbaren Gelegenheit verdonnerte. Wer es wagte, sich nicht daran zu halten, wurde als unmoralisch abgestempelt, als einen Subjekt, das es darauf anlegt, andere in Gefahr zu bringen – abgeschoben ins Lager der Querdenker, zu den Rechtsextremisten, den Neonazis. Die Bürger begannen wieder einander zu überwachen, während Lauterbach zum Verantwortungsträger, zur obersten wissenschaftlichen Instanz in der bedrohlichen Stunde avancierte, zu einem Hüter der Moral. Nun, da es gekommen ist, wie es kommen musste, da sich die Infektionskrankheit wie alle Pandemien, die die Menschheit bisher überstand, so unverhofft verliert, wie sie aufgetreten ist, nun schaut der Gesundheitsminister mit seinen Kassandrarufen ziemlich dumm aus der Wäsche. Er ist sozusagen bei sich angekommen, in der puren Bedeutungslosigkeit.
Die Pandemie ist nicht vorbei
Kein Dach eines Medienhauses, von dem die Journalisten unterdessen nicht pfeifen würden, welchen Schaden die diktierten Vorsichtsmaßnahmen angerichtet haben, in den Schulen, in der Wirtschaft, im Gesundheitswesen und in der Altenpflege, auch in den Familien. Durchweg ist man sich inzwischen einig, die befohlenen Vorkehrungen waren maßlos überzogen. Sicher ist diese Entwicklung nicht allein dem politischen Ehrgeiz eines mittelmäßigen Mediziners geschuldet, aber doch zum Großteil durch seinen persönlichen Geltungsdrang befeuert wurden. Jetzt muss er sich in den Talkshows, bei denen er bald drei Jahre lang überlegen den Ton angab, peinliche Fragen gefallen lassen. Antworten kann er dabei immer nur das, was schon länger nicht mehr verfängt: „Die Pandemie ist nicht vorbei.“
Für den Minister vielleicht sogar eine menschlich verständliche Trotzhaltung. Schließlich war Corona das Ereignis, mit dem sich seine Träume von der großen Karriere erfüllten. Als Forscher und Arzt hätte er es soweit kaum bringen können, jedenfalls nicht auf dem rechten Weg. Hat er es doch schon früher, wie die WamS unlängst aufdeckte, bei der Bewerbung um die eine oder andere Professur mit der Wahrheit so genau nicht genommen. In Tübingen gab er z.B. an, der Kopf eines Projekts zur Krebsforschung gewesen zu sein, bei dessen Dokumentation er aber bloß als ein Hilfsassistent neben anderen auftaucht, nicht als der erfolgreicher Akquisiteur von Drittmitteln, wie er in seiner Bewerbung behauptet hatte.
Auch renommierte er gern als Anreger und Co-Autor von Büchern und wissenschaftlichen Publikationen, in denen sein Name nicht einmal am Rande vermerkt ist, wenn sie denn überhaupt erschienen. Alles, was er geleistet haben wollte, befand sich zu dem Zeitpunkt, da er sich darauf berief, angeblich noch im Druck. Seine Laufbahn als forschender Mediziner war kaum mehr als das Produkt seiner Phantasie. Dass er damit gleichwohl reüssieren konnte, lässt sich, psychologisch betrachtet, leicht aus der Überzeugungskraft jener erklären, die von ihrer eingebildeten Bedeutung so überzeugt sind, dass sie selbst nicht mehr zwischen Wahrheit und Wunschdenken zu unterscheiden vermögen.
Nackt wie der Kaiser im Märchen
Der Selbstzweifel ist den Schizophrenen fremd; und insofern sind sie durchaus geistig gestört, dem Wahn Ihres Anspruchs, der Selbsttäuschung verfallen. Weil sie ihr tatsächliches Vermögen, ihre Kompetenz nicht einzuschätzen vermögen, trauen sie sich in Krisensituationen bedenkenlos zu, der ganzen Gesellschaft, einem Land, einer Nation den Weg zu weisen. Indem sie mit der Angst eines jeden spekulieren, bringen sie die Menschen hinter sich, zumal wenn es um die Gesundheit geht. Das immerhin ist Karl Lauterbach bald drei Jahre lang gelungen.
Wer den faulen Zauber von Anfang an durchschaut, dem falschen Propheten nicht auf den Leim gehen wollte, gar beim Namen nannte, was er war, ein geistig Verwirrter, geriet in den Verdacht der Beleidigung und Hetze. Obwohl mittlerweile außer Frage steht, dass Lauterbach nackt ist wie der Kaiser im Märchen, dass das Mäntelchen, das er sich überwarf, nichts als ein Produkt seiner Hybris war.
Noch immer möchte der Gesundheitsminister den allwissenden und richtungsweisenden Gesundheitsexperten geben, so unsinnig wie zu den Zeiten, da er sich zum Corona-Hysteriker aufschwang. Einerseits erklärt er bei Markus Lanz, der Cannabis-Konsum sei „dauerhaft riskant“, besonders bei Jugendlichen mit „nicht reparablen Schäden“ verbunden, um in der selben Sendung zu behaupten, dass dem nur mit der Freigabe des Drogenhandels zu begegnen wäre. Versuchen Sie gar nicht erst, sich einen Reim auf diesen Blösdsinn zu machen. Sie kämen am Ende doch nur auf die Diagnose der verklagten Berlinerin und damit womöglich vor Gericht.
Sogar Prantl verliert das Vertrauen
Vielleicht aber war ja der Minister während dieser Diskussion selbst bekifft oder hat schon in seiner Jugend zu viel von dem Stoff genossen – wer könnte es sagen. Jedenfalls nährte der Auftritt bei Lanz abermals Zweifel an der Zurechnungsfähigkeit Karl Lauterbachs. Die Frau, die ihn daraufhin „geisteskrank“ nannte, urteilte nur nach dem, was ihr geboten wurde.
Und damit nicht genug. Als Folge seiner Corona-Poltik möchte in der Öffentlichkeit niemand mehr etwas auf seine ärztliche Expertise geben. Selbst Heribert Prantl von der SZ hält dem „großen Mahner“ inzwischen vor, mit seinem politischen Vorgehen zu sehr in das Leben der Menschen eingegriffen zu haben. „Mir war“, so Prantl wörtlich, „dieser Staat noch nie so fremd.“