Der Anschlag auf Frank Magnitz schlägt medial immer höhere Wellen. Journalistische Arbeit würde in diesem Fall heißen, die Hintergründe zur Tat und die mögliche Motivation der Täter zu durchleuchten. So wie ich es in meinen beiden Artikeln „Weimar 2.0: Attentat auf Bremer AfD-Landesvorsitzenden“ beziehungsweise „Bremer Antifa feiert Magnitz-Attentat, Linkspartei mischt mit“ hier auf der Achse aufgezeigt habe. Denn dieses Attentat ist nicht nur ein Angriff auf Frank Magnitz und die AfD im Besonderen, sondern auf Demokratie und Rechtsstaat im Allgemeinen.
Doch immer mehr findet eine Täter-Opfer-Umkehr statt, wie es auch Henryk M. Broder in seinem Artikel „Wer Hass streut, der erntet Hass“ beschreibt. Nicht die Tat an sich sei verabscheuungswürdig, sondern die Instrumentalisierung eben dieser durch die AfD. Dabei wird bemüht, die AfD als Lügner und Agent Provocateur in eigener Sache bloßzustellen, die aus einem harmlosen Schubser ein Weimar 2.0 konstruieren würde. Dabei wirft das mittlerweile von der Bremer Polizei veröffentlichte Video mehr Fragen auf, als es beantwortet, beispielsweise, ob der Täter nach der Tat einem seiner Komplizen etwas übergibt und ob etwas herausgeschnitten wurde.
Wie seriöse Journalisten es nicht machen sollten, lässt sich beispielhaft auf Cicero Online beobachten. Dort ist ein Interview erschienen, welches die Wahrheitsfindung vorantreiben möchte. Dem Leser wird hier ein vermeintlich der journalistischen Objektivität verpflichteter Gesprächspartner präsentiert, der im Interview selbst dann aber besagte Täter-Opfer-Umkehr betreibt, ohne dass die Interviewerin dieses Narrativ in irgendeiner Weise kritisch durchleuchten beziehungsweise hinterfragen würde. Wundern sollte es den neutralen Beobachter jedoch nicht. Der Interviewpartner ist nämlich ein Redakteur des AfD Watch Bremen, deren „journalistische“ Arbeit ich sowohl im aktuellen Artikel „Weimar 2.0: Attentat auf Bremer AfD-Landesvorsitzenden“ als auch bereits im Frühjahr 2018 im Artikel „Bremer Senat deckt Linksextreme“ analysiert habe.
AfD Watch Bremen gehört zur Bremer Antifa
Die Redaktion von AfD Watch Bremen pflegt eine ganz eigene Interpretation der journalistischen Sorgfaltspflicht. Sie enttarnt Büros der AfD, observiert AfD-Politiker mit Film- und Fotokameras, spioniert das Privatleben von AfD-Mitgliedern aus, outet AfD-Politiker (samt ihrer Privatadressen) mittels Steckbriefen als Nazis, erweitert dies durch Sippenhaft auch auf unbeteiligte Familienmitglieder von AfD-Politikern, pflegt hinlänglich die Täter-Opfer-Umkehr, wirft mit Nazi-Vorwürfen um sich und feiert linksextreme „Gegendemonstrationen“, die AfD-Veranstaltungen sabotieren. Das Bundesamt für Verfassungsschutz qualifiziert insbesondere den Punkt der Nazi-Outings als einen „Handlungsschwerpunkt von Linksextremisten“, womit also jedem klar sein sollte, dass AfD Watch Bremen ein klassisches Medium der linksextremen Szene in Bremen ist.
Übrigens und spätestens da wird auch deutlich, in welchem Dunstkreis sich die Redaktion bewegt: Sie sitzt im „Infoladen Bremen“, einem zentralen Ort der Antifa wie linksextremen Szene in Bremen. Bezüglich des „Infoladen Bremen“ spricht eine aktuelle Mitteilung des Bremer Senats davon, dass dort „gewaltorientierte Linksextremisten in den vergangenen Jahren diverse Informations- und Mobilisierungsveranstaltungen“ durchgeführt hätten. Dort finden wir die Antifa-Postille „end of road“, die den Aufruf „MagnitzTerror: Die richtige Tat zur richtigen Zeit?“ (siehe Artikel „Bremer Antifa feiert Magnitz-Attentat, Linkspartei mischt mit“) veröffentlichte, ebenso die im selben Artikel erwähnte „Basisgruppe Antifa“, weiterhin auch die „Antifaschistische Gruppe Bremen“, die „feministische* antifa bremen“ und die „Interventionistische Linke Bremen“.
All das ist kein Geheimnis, sondern der breiten Öffentlichkeit ohne Einschränkungen zugänglich. Nicht nur durch Lektüre der oben erwähnten Achse-Beiträge, sondern auch durch schlichte Recherche im Internet mittels Suchmaschinen. Im Artikel auf Cicero Online von alledem jedoch kein Wort. Der antifaschistische Kontext, in dem AfD Watch Bremen agiert, bleibt dem Leser völlig verborgen. Schlimmer noch wird der Eindruck vermittelt, es handle sich bei AfD Watch Bremen um ein journalistisches Medium mit neutraler wie objektiver Expertise in Bezug auf die AfD.
Das Interview zeigt mehrere Ebenen auf, die verdeutlichen, dass es nicht der Wahrheitsfindung dient, sondern gänzlich andere Ziele verfolgt: Es soll die Zugehörigkeit von AfD Watch Bremen zur Antifa verschleiern, eine Täter-Opfer-Umkehr vorantreiben und Fake News verbreiten. Und all dies unter dem Deckmantel journalistischer Objektivität. Wüsste der Leser um den antifaschistischen Kontext, wäre also darüber von der Interviewerin informiert worden, könnte er die Antworten richtig einordnen. Warum das unterlassen worden ist, dürfte die Redaktion von Cicero Online sicherlich bald von ihren Lesern gefragt werden.
Verschleierung der Zugehörigkeit zur Antifa
Das Interview beginnt mit der Frage, ob denn das ominöse Bekennerschreiben aus der Bremer Antifa-Szene, welches zuerst bei Indymedia veröffentlicht und nach der Löschung anderweitig im Netz verbreitet worden ist, glaubwürdig sei. Wüsste der Leser nun, dass AfD Watch Bremen selbst Teil der Antifa-Szene ist, wäre ihm klar, warum sie mit großer Gewissheit feststellen können, dass „es sich um eine plumpe Fälschung“ handle, da „es hier gar keine Gruppe [gäbe], die sich Antifaschistischer Frühling Bremen nennt“. Dass AfD Watch Bremen dies mit Bestimmtheit feststellen kann, ist evident, müssten sie die Gruppe „Antifaschistischer Frühling Bremen“ ja sonst im „Infoladen Bremen“ antreffen.
Auf die Frage, was Indymedia denn für ein Portal sei, erhält der Leser als Antwort, es sei „ein für alle offenes Portal, auf dem man anonym Mitteilungen posten kann“. Diese Sichtweise macht nur dann Sinn, wenn es dem Leser bekannt wäre, welche Beziehungen AfD Watch Bremen zur Antifa und der ihr nahestehenden Plattform Indymedia pflegt. Weiß er das nicht und kennt auch nicht die Einschätzung des Verfassungsschutzes NRW, dass Indymedia ein „Vernetzungs-, Agitations- und Mobilisierungsmedium für linksextremistische Inhalte“ sei, könnte er meinen, dies sei tatsächlich eine offene wie politisch neutrale Internetplattform.
Auf die abschließende Anmerkung, dass das Portal „dezidiert AfD-kritisch“ sei und die Frage, ob „das nicht auch gute Werbung“ für das Portal sei, erhält der Leser als Antwort, dass sie „kein kommerzielles Büro [sind], die meisten Mitarbeiter engagieren sich ehrenamtlich“. Und weiter: „Wenn wir dazu beitragen können, eine Diskussion zu versachlichen, dann tun wir das gern“. Wüsste der Leser auch hier, dass das Portal Teil der Antifa ist, würde die Feststellung von „dezidiert AfD-kritisch“, insbesondere im Hinblick auf das Vorhaben „eine Diskussion zu versachlichen“, ein vollkommen anderes Bild vermitteln.
Täter-Opfer-Umkehr
Auch AfD Watch Bremen folgt der von Henryk M. Broder reklamierten Täter-Opfer-Umkehr. Es geht nicht um die moralische Verwerflichkeit dieses Attentats, sondern um „Desinformationskampagnen“ der AfD, die „die Grenze zwischen Fakten und Fiktion […] verwischen“, um so die Version der AfD zu unterstreichen, dass die Täter der Antifa-Szene entstammen könnten. Und wieder: Wüsste der Leser von den Beziehungen des AfD Watch zur Antifa und ihrem Verständnis journalistischen Arbeitens, würde er die tatsächlichen Desinformationskampagnen da auch bei der AfD verorten!?
Auf die Frage, wie sich die „Meldung von der Attacke auf Frank Magnitz" auf den Wahlkampf auswirke, antwortet der Redakteur vom AfD Watch, dass „dieser Überfall […] der Partei ganz entgegen“ komme, da sie nun „überregional Aufmerksamkeit“ bekomme und „plötzlich […] jeder in Deutschland den Namen Frank Magnitz“ kenne. Ein Wort des Bedauerns findet sich im Interview übrigens nicht. Mehr noch wird aus einem Angriff hier nur noch ein „Überfall“. Wäre dem Leser neben dem Antifa-Kontext und zudem die recht eigene Interpretation der Wahrheit bekannt, die AfD Watch pflegt, würde er ob dieser Einschätzung hellhörig werden. So bleibt der Eindruck, dass ein Experte hier eine objektive Feststellung tätigen würde, dass die AfD einen „Überfall“ für ihre Zwecke instrumentalisiere.
Weiterhin antwortet der Redakteur des AfD Watch auf die Frage, ob es nicht naheliegend sei, „dass die AfD die Täter im linken Spektrum vermutet“: „Nein, das ist nicht naheliegender als Spekulationen aus anderen Richtungen“. Statt dies nun zu verifizieren oder zumindest argumentativ zu untermauern, versucht er stattdessen aufzeigen, dass die AfD selbst dahinter stecken könnte. Denn „es gibt partei-intern in der AfD starke Zerwürfnisse“, es „gerieten [unlängst] der stellvertretenden Landesvorsitzenden […] und der einzige Bremer Afd-Bürgerschaftsabgeordneten […] öffentlich aneinander“ und es gäbe zudem „auch Kontakte der Bremer AfD zu der Rocker-Gruppe Hells Angels“. Auch diese „Fakten“ bleiben hier unwidersprochen im Raum stehen, insbesondere wird die Konstruktion, dass die AfD das Attentat selbst inszeniert habe, quasi zum Fakt. Aus dem Opfer Magnitz wird so ein Täter.
Fake News
Zu Beginn stellt der Redakteur vom AfD Watch fest, Menschen „mundtot“ zu machen, wie es das Bekennerschreiben in Bezug auf Magnitz artikuliere, sei „ein im neurechten Spektrum übliches Narrativ“, denn „Rechte sehen sich als Opfer einer Diktatur, in der sie ihre Meinung nicht sagen dürfen“. Weshalb die Verfasser eben aus diesem „neurechten“ Spektrum kommen müssten. Denn „solche gefälschten Bekennerschreiben sind ein beliebtes Instrument [dieser Szene, Anm. des Autors], um Verwirrung zu stiften“.
Selbst zu spekulieren, dass das Schreiben aus der neurechten Szene käme, dann der AfD aber „Desinformationskampagnen“ in Bezug auf das Attentat vorzuwerfen, ist ein hervorragendes Beispiel linker Dialektik. Andere würden dies Fake News nennen. Und auch hier gilt wiederum: Wäre der Leser zu Beginn darüber informiert worden, dass AfD Watch Bremen ein Medium der Antifa ist, wäre ihm klar, warum die Plattform diese Dialektik pflegt. So bleiben diese „Fakten“ die objektive Aussage eines vermeintlichen AfD-Experten.
Ohne das Video der Bremer Polizei gesehen zu haben, welches am Freitag veröffentlicht worden ist, stellt der Redakteur nur fest, dass es ein „Überfall“ sei, denn „es gab offensichtlich kein Kantholz“, „es gab auch keine Schlägerei“ und „Herr Magnitz wurde auch nicht mehrfach getreten, als er schon am Boden lag“. Der AfD vorzuwerfen, bar besseren Wissens eine „Desinformationskamapagne“ zu betreiben, selbst aber auch ohne Beweis einzig einen „Überfall“ zu konstatieren, verdeutlicht nochmals die linke Dialektik der Antifa-Plattform AfD Watch Bremen. Erhielte der Leser zu Beginn eine korrekte Einordnung, würde sie es ihm erlauben, die Fake News der Plattform passgenau zu identifizieren.
Fragen, die Cicero Online vergessen hat
Die Interviewerin von Cicero Online unterlässt es, über das ganze Interview auch nur eine kritische Frage in Bezug auf die „journalistische“ Arbeit von AfD Watch und deren Einbettung in die Bremer Antifa zu stellen. Mehr noch verkommt dieses Interview entgegen jeder journalistischen Praxis zu einer Werbeveranstaltung, die einer offenkundigen Antifa-Postille einen seriösen Anstrich verpasst.
Hätte die Interviewerin den antifaschistischen Kontext von AfD Watch Bremen berücksichtigt und eine Einordnung in die Realität antifaschistischen Linksextremismus in Bremen gegeben, hätte sie der Plattform Fragen stellen können und müssen, die tatsächlich zur Aufhellung des Attentats hätten beitragen können. Beispielsweise:
- Welche Beziehungen pflegt AfD Watch Bremen zur Bremer Antifa?
- Wieso haben Sie, wie diverse Bremer Antifa Gruppierungen, ihren Sitz im „Infoladen Bremen“?
- Welche personellen Überschneidungen gibt es zwischen Ihrer Redaktion und der Bremer Antifa?
- Können Sie deswegen sicher ausschließen, dass dies kein Angriff der Antifa war, weil Sie selbst Teil der Bremer Antifa sind und ihre Genossen kennen?
- Wie kommen Sie darauf, Indymedia als neutrales und offenes Portal darzustellen? Wie passt diese Aussage zusammen mit der dortigen alltäglichen Veröffentlichung linksextremer Gewaltaufrufe?
- Welche Art von Versachlichung der Diskussion meinen Sie, wenn Sie als Antifa-Publikationsorgan die AfD beurteilen?
- Woher wissen Sie, dass der Angriff ein „Überfall“ war? Warum werfen Sie der AfD „Desinformationskampagnen vor“, verbreiten aber selbst wider besseren Wissens ungeprüfte Informationen?
- Inwiefern kann der schwer verletzte Frank Magnitz durch die Veröffentlichung dieser Tat eben diese Ihrer Ansicht nach instrumentalisieren?
- Welche Informationen haben Sie, dass die AfD selbst diesen Vorfall inszeniert haben könnte? Mögen Sie uns dies mit Quellen belegen?
- Sie veröffentlichen auf Ihrem Twitter-Account Nazi-Steckbriefe: Was hat das mit Journalismus zu tun?
- Und inwieweit lässt sich dann noch Ihre Aussage aufrechterhalten, dass Rechte ein Narrativ hätten, ihre Meinung nicht sagen zu dürfen? Schließlich ist eine Folge doch, dass Rechte mit Ihren Nazi-Steckbriefen eingeschüchtert werden sollen, oder?
- Sie bespitzeln AfD-Mitglieder, outen vermeintliche Nazis und jubeln aggressiven Demonstrationen gegen die AfD zu: Was also ist Ihr Verhältnis zur FDGO?
- Was genau hat ihre Tätigkeit mit neutralem, objektivem Journalismus gemein?
- Und welche Verantwortung für das Attentat tragen Sie durch die eben benannten Fakten ihrer journalistischen Arbeit?
Ich gehe davon aus, dass Leser von Cicero Online in diesem Sinne bei der Redaktion nachfragen werden. Auf die Antworten bin ich gespannt.