Der Blogger Tilo Jung unterhält sich mit der Nahostexpertin Muriel Asseburg über die Frage, unter welchen Umständen man der Hamas eine Lizenz zum Umbringen von Israelis zugestehen sollte. Dies sollte aber keinesfalls als Antisemitismus verstanden werden.
Der documenta-Skandal ist noch in frischer Erinnerung, da kommt schon das nächste Debakel um die Ecke. Diesmal geht es nicht um indonesische Künstler, die es bis nach Kassel geschafft haben, sondern um eine Mitarbeiterin der „regierungsnahen“ Stiftung Wissenschaft und Politik, die bis jetzt weder positiv noch negativ aufgefallen ist: Muriel Asseburg. Für ihr Coming out als Expertin für Palästina und den Nahen Osten hat sie sich den Kanal von Tilo Jung ausgesucht, mit dem sie mehr als zwei Stunden plauderte – über die Lage im Nahen Osten, den Umgang der Israelis mit den Palästinensern und die Frage, wie weit „bewaffneter Widerstand“ gehen darf. Uniformierte Besatzer anzugreifen, sei legitim, erklärte Muriel Asseburg, Zivilisten nicht.
Wobei die Expertin für Palästina und den Nahen Osten nicht mitbekommen oder vergessen hat, dass für die Hamas, die Hisbollah und die bewaffneten Ausleger der Fatah alle Israelis Besatzer sind, Armeeangehörige ebenso wie Zivilisten, egal wo sie „siedeln“, in den Grenzen vor dem Sechs-Tage-Krieg oder in den „besetzten Gebieten“ jenseits der Grünen Linie. Ganz „Palästina“ müsse von der „zionistischen Besatzung“ befreit werden, jedes israelische Kind ist ein potenzieller Soldat, und je eher es ausgeschaltet wird, umso schneller werden die Palästinenser das bekommen, wofür sie kämpfen – ihren eigenen Staat, nicht neben Israel, sondern auf seinen Ruinen.
Das ist eine realistische Perspektive, von der Muriel Asseburg verschont bleibt. Ebenso wie ihr Arbeitgeber, die Bundesregierung, die an der Vorstellung einer „Zwei-Staaten-Lösung“ festhält, wohl wissend, dass es eine halluzinatorische Idee ist. Und alles, was Frau Asseburg im Interview mit Tilo Jung sagt, deutet darauf hin, dass sie dem subtilen Pazifismus der Palästinenser näher steht als dem militärischen Dogmatismus der Israelis.
"Solidarität mit Juden oder Menschenrechte - man muss sich entscheiden"
Unser Kollege Stefan Frank hat für mena-watch die Unterhaltung zwischen der „Nahostexpertin“ und Tilo Jung einer gründlichen Prüfung unterzogen und wesentliche Passagen daraus transkribiert. Klar wird: So wie es in den beiden denkt, so reden sie auch. Ungebremst und ungeniert. Eine Kostprobe? Bitte:
Die Palästinenser seien »die Unterdrückten«, sagt Tilo Jung. Die Israelis seien »die Besatzer«. Auf der Seite der Juden zu sein, das sei so, »als ob wir uns auf die Seite der Russen stellen würden«. Jung und Asseburg arbeiten auch hier mit einer Täter-Opfer-Umkehr. Sie blenden aus, dass es zu allen Zeiten die arabischen Führer waren, die nicht bereit waren, einen jüdischen Staat zu akzeptieren: nicht 1937 (Peel-Plan), nicht 1947/48 (UN-Teilungsplan), nicht 1967 (Drei Neins von Khartum), nicht in Camp David 2000 (stattdessen startete Arafat die Al-Aqsa-Intifada), nicht 2008 (als Ministerpräsident Ehud Olmert Abbas mehr als hundert Prozent der Westbank für einen eigenen Staat anbot) und nicht bei vielen anderen Gelegenheiten.
Die magische Kugel, mit der die PLO-Führer jeden Friedensplan zunichte machen können, ist das sogenannte Recht auf Rückkehr. Die Forderung, dass acht Millionen Nachfahren der arabischen Flüchtlinge des Arabisch-Israelischen Kriegs von 1948 das Recht haben sollen, in das Israel innerhalb der Waffenstillstandslinie von 1949 »zurückzukehren«, würde, von der praktischen Unmöglichkeit abgesehen, bedeuten, dass die Juden dort zur Minderheit würden – also das Ende des jüdischen Staates. Auch Muriel Asseburg ist für das »Recht auf Rückkehr«. Das zu erreichen, sei unter anderem das Ziel der antiisraelischen Boykottbewegung BDS, glaubt sie.
Israel ist für sie das Reich des Bösen. Darth Vader. Auf der Seite Israels zu stehen und gleichzeitig »für Völkerrecht, Menschenrechte, regelbasierte Weltordnung, Multilateralismus« zu sein, meinte Asseburg, »das passt halt nicht zusammen«. Wer für Völkerrecht und den Schutz der Menschenrechte ist, der kann, geht es nach Asseburg, nicht gleichzeitig »Solidarität mit Jüdinnen und Juden« üben. Man müsse sich für eines von beidem entscheiden.
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