In Deutschland, Westeuropa, Nordamerika und Australien bekunden hunderttausende Muslime und andere Israelfeinde ihren Hass auf den jüdischen Staat – ohne dass es Folgen für sie hätte. Stattdessen wird das Problem kleingeredet.
Wie moralisch verwahrlost muss man sein, wenn man Zettel mit den Bildern von mehr als 240 israelischen Geiseln in Gaza (die jüngste ist gerade zehn Monate, die älteste 85 Jahre) von Toronto bis Sydney von Laternenpfählen abreißt? Solche Aufnahmen gibt es aus vielen Gegenden dieser Welt, inklusive Deutschland (Beispiele hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier und hier).
Die Täter sind Menschen, deren Empathie mit jüdischen Opfern sich deutlich unter null bewegt und die im Gegenteil kein Problem damit haben, die Geiselnehmer, die am 7. Oktober mordend, folternd, vergewaltigend und plündernd in israelischen Kibbuzim wüteten, als Freiheitskämpfer zu verklären. Es handelt sich dabei, notabene, nicht nur um Muslime, nicht selten sind es weiße, linke Studenten oder andere „Aktivisten“, die mit ihrer ekelhaften Aktion jüdisches Leid unsichtbar machen wollen.
Allein, das Argument, man sei doch nur für „Gerechtigkeit“ und die Schaffung eines Palästinenserstaates (allerdings nicht neben, sondern anstelle Israels, wie die Parole „From the river to the sea Palestine will be free” deutlich macht), also das vorgebliche Mitleid mit den vermeintlich unterdrückten Palästinensern, mutet durchaus bizarr an, wenn man sich das Schweigen vergegenwärtigt, das diese „Palästinafreunde“ an den Tag legen, wenn bei Konflikten in Nordafrika, im Nahen und im Mittleren Osten Muslime in Massen von Muslimen getötet werden oder wenn speziell Palästinenser, die ihnen ja so sehr am Herzen liegen, nicht mit israelischen Gegenschlägen zu tun haben, sondern ihnen von anderen Arabern übel mitgespielt wird, siehe etwa hier und hier.
No Jews, no news
Zur Erinnerung: Als 1990 Kuwait vom Irak überfallen und annektiert wurde, ergriff PLO-Führer Yassir Arafat, wie immer auf der falschen Seite der Geschichte stehend, Partei für Iraks Diktator Saddam Hussein. Das nahmen die Kuwaitis ihnen übel, und nach der Befreiung rächten sie sich, indem sie, ebenso wie die Saudis und andere Golfstaaten, Palästinenser vertrieben, und zwar etwa 450.000 (!), ohne dass „Palästinafreunde“ in der arabischen Welt oder im Westen deren Ungemach beklagt hätten. Kein linker Hahn krähte danach, weil die Palästinenser ihren vorgeblichen Unterstützern am Allerwertesten vorbeigehen, wenn keine Juden in die Sache involviert sind. No Jews, no news. Da schweigen sie eisern, während sie sich im Dezember 1992 bei der Ausweisung von 400 Hamas-Terroristen in den Libanon vor Empörung nicht mehr einkriegen konnten.
Jedem, der keine Scheuklappen trägt, fällt indes der Unterschied zwischen den Kundgebungen der Israel-Unterstützer und denen der Palästinenser/Hamas-Unterstützer sofort auf: Erstere sind grundsätzlich friedlich, dort fordert man die Freilassung der Geiseln und gedenkt still der Terroropfer – Hassbekundungen sucht man dort vergeblich. Ganz anders dort, wo Palästinenser-, ISIS- und andere Flaggen wehen, wo man Spruchbänder mit der Aufschrift „Tod Israel“ vor sich her trägt und extrem aggressive, hasserfüllte Demonstranten „Kindermörder Israel“, „From the river to the sea Palestine will be free” und „Scheiß-Juden“ brüllen.
Man kann sich natürlich mit Hamas solidarisieren, wenn man pervers genug ist, aber dann hat man eben keinen Anspruch darauf, als Anwalt der Menschenrechte aufzutreten. Wem das Schicksal der Palästinenser wirklich wichtig ist, für den gibt es nur einen Weg: Er muss sich klar gegen die Partei bekennen, die den Krieg vom Zaun gebrochen und schlimmste Kriegsverbrechen an Zivilisten verübt hat, nämlich gegen die Hamas; der muss die Freilassung der Geiseln fordern, der muss gegen die zynische Praxis der Terroristen protestieren, die Zivilbevölkerung in Gaza als menschliche Schutzschilde zu missbrauchen, sich in Ambulanzwagen und unterhalb von Krankenhäusern zu verstecken und zivile Einrichtungen zur Lagerung von Waffen und Munition und zum Abschuss von Raketen zu benutzen.
Wo sind diese Demonstranten? Oder, um mit Loriots Knollennasenmännchen zu fragen: Ja, wo laufen sie denn?
Muslimische Anti-Antisemiten: so unsichtbar wie Nessie oder der Yeti
Das fragte man sich auch neulich, als Sonja Zekri von der Süddeutschen Zeitung bei Maischberger eine recht abenteuerliche Behauptung aufstellte:
„Ich würde einen Satz dennoch noch sagen, weil jetzt ein bisschen der Eindruck entsteht, dass, ähm, in der muslimischen Community es eine, eine Akzeptanz gibt, Sie haben das mit den Bonbons auf der Sonnenallee angesprochen, so: Und man muss sagen, der weit überwiegende Teil, der hier geboren ist, der deutsche Schulen durchlaufen hat, der dieses Land kennt, der auch die Geschichte Deutschlands kennt, lehnt das ab. Und ich halte es für falsch, ich halte es für kränkend und ich halte es für gefährlich, Muslimen oder arabischstämmigen Deutschen, die hier geboren sind oder die irgendwann zu uns gekommen sind, die deutsche Pässe haben, das zu unterstellen. Und ich halte das wirklich für gefährlich.“
Nun, solange man diese unsichtbaren Gegner der Hamas unter den Muslimen auf unseren Straßen nicht zu Gesicht bekommt, dafür aber immer und immer wieder Israel-Hasser in fünfstelligen Zahlen (in London sogar sechsstellig), ist die Einschätzung, dass die übergroße Mehrheit sich eher mit dem Kampf gegen Israel solidarisiert, plausibel – ganz im Gegensatz zur Behauptung der SZ-Journalistin, die keinerlei Belege dafür anführen kann. Die Wahrheit ist: Unter den Muslimen sind die von der Sorte, die Frau Zekri aus dem hohlen Ärmel zaubert, hoffnungslos in der Minderheit, und wenn, dann fristen sie wie Ahmad Mansour ein Leben unter Polizeischutz.
Mit den Muslimen, die eine friedliche Lösung des Nahostkonflikts befürworten, also Israels Existenzrecht anerkennen, ist es wie mit dem Urzeitwesen aus dem schottischen Loch Ness oder dem Yeti: Man sucht sie vergebens. Die „Community“ mit türkischem oder arabischem Migrationshintergrund beweisfrei vom Vorwurf des Antisemitismus freizusprechen, das darf man unter den gegebenen Umständen wirklich für gefährlich halten. Der muslimische Judenhass ist eine zu ernste Angelegenheit, als dass man ihn in Talkshows von willfährigen Journalisten kleinreden lassen sollte.
Claudio Casula arbeitet als Autor, Redakteur und Lektor bei der Achse des Guten