Volker Seitz / 14.11.2020 / 06:10 / Foto: Freud / 33 / Seite ausdrucken

Herr Müller und das Peter-Prinzip

Das Bundeskabinett hat Entwicklungsminister Gerd Müller als deutschen Kandidaten für die Leitung der Organisation der Vereinten Nationen für die Industrielle Entwicklung in Wien (UNIDO) benannt. Seine Bewerbungsrede hielt Müller bereits 2015 beim Global Citizen Earth Day in Washington. (vgl. Youtube Müller spricht englisch)

Hat Herr Müller mit seinem bisherigen Wirken als Entwicklungsminister überzeugt, und wie lässt sich daraus seine weitere Karriere ableiten? 

Minister Müller hat 44 afrikanische Länder besucht, aber doch immer als Staatsgast, dem eine falsche Realität vorgegaukelt wird. Dabei ist er nie über Staatsessen und internationale Konferenzräume hinausgekommen... Schon für einen einfachen MdB wird bei seinen Reisen der rote Teppich ausgerollt. Wie soll sich da bei deutschen Entscheidern ein korrektes Bild ergeben? 

Immer noch ist die sogenannte Entwicklungshilfe ein Fass mit löchrigem Boden. Die impulsgetriebene Politik des deutschen Entwicklungsministers führt nicht dazu, dass daraus überzeugende Handlungen resultieren. Er hat keinen einzigen Gedanken zu bieten, den man in den letzten sieben Jahren noch nicht von ihm gehört hätte. Der Wirtschafts- und Politikwissenschafler Prof. Dr. Robert Kappel kommt zu dem Schluss, dass die deutsche Afrikapolitik eine Art Schrotflinten-Ansatz verfolgt, von allem ein bisschen, irgendwas wird schon hängenbleiben. 

„Man könnte meinen, der Papst spricht“

Der frühere Afrika – Korrespondent des Spiegel Horand Knaup schrieb am 3.8.2020 in Publik Forum: Wo immer Müller auftritt, könnte man meinen, der Papst spricht. „Afrika ist nicht arm, wir haben es arm gemacht“, sagt er dann. Oder: „Jedes Kind, jeder Hungernde könnte überleben.“ Beliebt ist auch die Forderung: „Wir müssen andere an der Entwicklung, unserem Wohlstand teilhaben lassen. Wenn heute zehn Prozent der Weltbevölkerung 90 Prozent des Vermögens besitzen, haben wir ein Verteilungsproblem.“ Dass Müller viel ankündigt und wenig umsetzt, wer verfolgt es also? Auch dass er zwar regelmäßig seinen Parteifreunden widerspricht, aber zumeist als Verlierer vom Platz geht, fällt nicht weiter auf...

Der Minister hat reichlich Geld zur Verfügung. Und die Hilfsorganisationen sichern sich damit Projekte und Stellen – zumal die öffentlichen Mittel für ihre Arbeit inzwischen ungleich wichtiger sind als die Spenden. Das Spendenaufkommen stagniert seit Jahren, während die öffentlichen und internationalen Mittel unablässig wachsen.“

Müllers Etat hat 2014 noch bei knapp sechs Milliarden Euro gelegen, jetzt sind es mehr als zehn Milliarden. 

Horst Köhler, der ehemalige Bundespräsident und ausgewiesene Afrikakenner, ließ Müller schon vor zwei Jahren Müller wissen :

„Mehr Geld ist kein Selbstzweck. Mehr Geld fördert manchmal vor allem den Status quo, wenn der berüchtigte Mittelabflussdruck und seine Schwester, die Absorptionsfähigkeit, ihre Kraken ausstrecken und dafür sorgen, dass nicht die beste, sondern die bequemste finanziert wird.“ Solche Kritik interessiert den Minister nicht, der sich fast jede Woche medienwirksam inszeniert und erneut eine Erwartungshaltung fördert.

Die „Zusammenarbeit“ zwischen dem reichen Europa und dem armen Afrika stellt er sich so vor, dass Europa seinen unredlich erworbenen Reichtum mit dem ausgebeuteten Afrika teilt. Da der Westen an allem schuld ist, muss er auch alles bezahlen. Aber sind die von außen festgestellten Notlagen auch wirklich die Probleme? Da reiche Afrikaner vielfach Millionen ins Ausland bringen, stellt sich die Frage, warum westliche Steuerzahler die Lücken schließen sollen. 

Herr Müller wird künftig in Wien seine Leidenschaft für drängende Probleme in Afrika demonstrieren können. Und die deutsche Regierung wird aus Dankbarkeit für die Wahl von Gerd Müller das Budget der UNIDO um einige Millionen erhöhen.

 

Volker Seitz war von 1965 bis 2008 in verschiedenen Funktionen für das deutsche Auswärtige Amt tätig, zuletzt als Botschafter in Kamerun, der Zentralafrikanischen Republik und Äquatorialguinea mit Sitz in Jaunde. Er gehört zum Initiativ-Kreis des Bonner Aufrufs zur Reform der Entwicklungshilfe und ist Autor des Bestsellers „Afrika wird armregiert“. Die aktualisierte und erweiterte Taschenbuchausgabe erschien im September 2018. Drei Nachauflagen folgten 2019 und 2020. Volker Seitz publiziert regelmäßig zum Thema Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika und hält Vorträge.

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Dr. Gerd Brosowski / 14.11.2020

„Reichtum ist Diebstahl“ – das ist eine uralte, immer wiederkehrende Meinung. In der eben zitierten Form wurde sie im 19. Jahrhundert geäußert (von Proudhon und anderen Sozialisten), in der lateinischen Fassung „tolle divitem non haberes pauperes“ ( „vernichte den Reichen und Du wirst keine Armen mehr haben“) wurde sie Ausgang des 4. Jahrhunderts in der Umgebung des Pelagius vertreten, des fanatischen Gegners des Kirchenvaters Augustinus. Was macht die Formel so attraktiv? Sie schmeichelt der Bequemlichkeit. Sie nimmt dem, der in Schwierigkeiten steckt, die Mühe des Emporarbeitens ab. Statt dessen redet sie ihm ein, er sei Opfer des Besitzenden geworden, und es sei nur recht, wenn er von diesem seine Habe zurückverlange. Wegnehmen, ausplündern, rauben, am Ende gar totschlagen dürfen und das alles mit bestem Gewissen – wenn das keine Motivation ist.

K Bucher / 14.11.2020

Hat Herr Müller mit seinem bisherigen Wirken als Entwicklungsminister überzeugt und wie läßt sich daraus seine weitere Karriere ableiten? +++Sowas aber auch ,jetzt habe ich doch glatt Rückabwicklungs Minister gelesen .Würde meiner Meinung nach eh viel besser zu diesem Steuergeld abgreifendem Para…t (Zensur) passen . Leider gibt es solche Typen und auch Typinnen zuhauf da verliert man schnell den Überblick und auf einen Dampfplauderer mehr oder weniger kommt es jetzt auch nicht mehr darauf an . Es ist wie es ist des Volkes Wille geschehe , wie man bei den Letzten Wahlen ganz gut beobachten konnte .Und so bekommt man auch genau das was man verdient beziehungsweise was man Mehrheitlich gewählt hat .  Und die wo Mehrheitlich gewählt wurden sorgen dann schon dafür das solche wie der Oben genannte Große Karriere machen können . Und Wer finanziert auch noch diesen ganzen Verdruss damit sich Solche einen schönen Lenz auf Lebenszeit machen können ?  Danke keine weiteren fragen

Dov Nesher / 14.11.2020

Jegliche sog. “Entwicklungshilfe” ist sofort einzustellen. Auch 90 % der privaten. Das ist aktive Coabhängige Leidensverlängerung und Finanzierung von korrupten Systemen. Auch die “weiße” Selbstbezichtigung ist sofort einzustellen. Wenn man Menschen die Verantwortung für ihre Situation abnimmt, wird sich diese zwangsläufig verschlimmern und nicht verbessern.

Angela Seegers / 14.11.2020

Lieber Herr Seitz, auf den Punkt - danke. Als ich diese Ankündigung des Herrn Müller vernahm, sich für höhere Ehren nach Wien zu empfehlen, habe ich, mal wieder, die Aalglätte einiger Politiker „bewundert“. Zu nichts fähig, teuer, über den Tod hinaus, das ist Politik. Klappe halten, wenn es eng wird, Netzwerke bilden, zum eigenen Vorteil, nach dem Motto: „Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus“. Ein korrupter Kreislauf, der Afrikas Strukturen alle Ehre macht - wäre da nicht die Geschichte mit der deutschen Moral und der Schuld. Und der treue, pflichtbewusste deutsche Michel findet das gut, wenn seine Steuern verschwendet werden (so er denn welche zahlt…, denn Gutmenschlein leben meistens billig).

Marcel Seiler / 14.11.2020

Politik ist zum Selbstbedienungsladen der Inkompetenten geworden - Inkompetente, die so dumm sind (und so abgeschirmt), dass sie von ihrer Inkompetenz nicht einmal wissen.

Rudhart M.H. / 14.11.2020

ja , Herr Seitz, wenn man erstmal draußen ist, kann man zwar noch nörgeln , aber eben nicht mehr mit der Faust auf den Tisch hauen ! Wir brauchen jetzt aber Leute , die am Tisch sitzen und mal draufhauen können! Leider ist der Tisch des Kabinetts mit lauter stümperhaften , mehr oder minder unbedarften (und das ist schmeichelhaft ausgedrückt) und willenlosen Quasi-Marionetten besetzt. Da hilft es eben wenig , wenn wir von außen rummosern , aber rein garnix bewegen können! Und in der weiteren Parteienlandschaft sieht es eben auch nicht gerade hoffnungsvoll aus! Die Regierung selbst ist doch auch nur ein Erfüllungsgehilfe von den Konsorten in Davos , den Bilderbergern, etc. ! Da braucht es schon etwas ANDERES, wenn man einen Kurswechsel erreichen will. Die Personalie X. hat da sowieso keinen Einfluß und es ist also egal, wie der da heißt: Müller, Mayer, Schulze ... wen interessiert’s, das ist schmückendes oder besser gesagt TARNENDES BEIWERK der wirklich am Ruder sitzenden !

Albert Pflüger / 14.11.2020

“Wenn heute zehn Prozent der Weltbevölkerung 90 Prozent des Vermögens besitzen, haben wir ein Verteilungsproblem” Ja, natürlich. Immer derselbe dämliche Scheiß. Warum sollte das ein Problem sein? Das bedeutet doch nichts weiter, als daß nur 10% der Weltbevölkerung im Besitz der Produktionsmittel sind und deren Betrieb verantworten bzw. steuern. Gibt es andere 10%, die das besser könnten? Sollten lieber andere 10% die persönlichen Konsum- Vorteile genießen, die damit verbunden sind? Oder wäre es besser, wenn man die Zahl dieser Profiteure durch eine breitere Verteilung des Vermögens vergrößern würde? Also einfach ein paar mehr Superreiche, die dann auch so schöne Yachten und Parties hätten? Diese Forderung nach Verteilung des Vermögens ist totaler Blödsinn, denn es kommt nicht darauf an, wem es gehört, sondern wo es investiert ist. Üblicherweise wird in einem marktwirtschaftlichen System von der Summe der Marktteilnehmer diese Frage entschieden. Daß in der Wirtschaft die Zahl derer, die ein leistungsloses Einkommen genießen, größer ist, als sie bei denen wäre, die immer nach Umverteilung und Enteignung schreien, wenn sie denn dazu kämen, ihre Ideen umzusetzen, glaubt wohl kaum jemand, der die Sozialismen der Vergangenheit und Gegenwart untersucht hat. Es geht nie um die Abschaffung der Futtertröge, sondern immer nur darum, wer aus ihnen fressen darf.  Die Tröge bleiben dieselben, nur die Schweine wechseln.

Eugen Richter / 14.11.2020

Mein erster Gedanke beim Lesen der Überschrift. Nun stelle man sich vor: Das Peter-Prinzip spült die bekannten Protagonisten nach oben. Dort angekommen wähnen sie sich in göttlicher Allmacht und im Besitz der absoluten Wahrheit. Dank ihrer sichtbaren Inkompetenz sind sie zwangsläufig nicht in der Lage diese zu erkennen. Nach dem Motto eines Herrn Bohlen aus dem hohen Norden: Erklär mal einem Bekloppten, dass er bekloppt ist. Richtig. Das hat natürlich Konsequenzen. Welche? Sie sind gerade Augen- und Zeitzeuge. Schönes Wochenende.

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