Henryk M. Broder / 25.12.2020 / 13:00 / Foto: Imago / 70 / Seite ausdrucken

Heiko Maas: Wegen Auschwitz in die Politik. Echt?

Zu den seltsamsten Äußerungen, die je von einem Politiker getätigt wurden, gehört das Geständnis von Heiko Maas, er sei „wegen Auschwitz in die Politik“ gegangen.

Heiko Maas wurde 1966 im Saarland geboren, der Heimat vieler bedeutender Politiker von Erich Honecker bis Peter Altmaier; er hat 1987 das Abitur gemacht, Rechtswissenschaft an der Universität des Saarlandes studiert und am Landgericht Saarbrücken sowohl das Erste wie das Zweite Staatsexamen bestanden, aber nie als Jurist praktiziert.

Seine politische Karriere verlief unspektakulär, folgerichtig von weit unten nach hoch oben. 1989 trat er als junger Student der SPD bei, 1992 wurde er zum Vorsitzenden der saarländischen Jungsozialisten, 1994 zum Abgeordneten im Landtag des Saarlandes gewählt.

Nur zwei Jahre später, 1996, folgte die Ernennung zum Staatssekretär im saarländischen Ministerium für Umwelt, Energie und Verkehr, dessen Führung er 1998 übernahm. Die folgenden Jahre war er, mal mit, mal ohne Amt, in der Landespolitik aktiv, bis er von Sigmar Gabriel, dem damaligen Vorsitzenden der SPD, in die Bundespolitik geholt und Ende 2013 zum Bundesminister für Justiz und Verbraucherschutz innerhalb der Großen Koalition aus CDU und SPD ernannt wurde.

Als Außenminister durchaus erfolgreich

Bei den Wahlen im Herbst 2017 schaffte er es über die saarländische Landesliste in den Bundestag. In der Großen Koalition, die Anfang 2018 gebildet wurde, fiel ihm das Amt des Außenministers zu, das er bis heute innehat, durchaus erfolgreich, wenn man die Zahl der Auslandsreisen, die er unternommen, und der Konferenzen, an denen er teilgenommen hat, zum Maßstab nimmt. Im Inland bekannt geworden ist Maas vor allem durch seinen Einsatz für ein rechtliches Ungetüm namens „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“, das er initiiert hatte, um Richtern eine Handhabe gegen die Verbreitung von Hass und Hetze im Netz zu geben.

Das „NetzDG“ hat freilich nicht die Erwartungen erfüllt, die Maas in Aussicht gestellt hatte. Seit es in Kraft ist, haben Hass und Hetze im Netz nicht ab- sondern zugenommen, für das Gesetz spricht allenfalls, dass „mehrere autoritäre Staaten sich auf das Netzwerk-durchsetzungsgesetz als Vorbild bei ihrer Einschränkung der Meinungsfreiheit im Internet“ beziehen (Wikipedia). 

Bevor Heiko Maas in die Außenpolitik einstieg, war Auschwitz für ihn keine Referenzgröße. Dass er „wegen Auschwitz in die Politik gegangen“ ist, hat er zum ersten Mal in einer Ansprache vor den Mitarbeitern des Auswärtigen Amtes erwähnt, am Tag seiner Amtseinführung am 14. März 2018. Entweder war es ihm bis dahin nicht aufgefallen oder einer seiner Referenten hatte ihm diesen Satz in die Rede reingeschrieben.  

Gibt es zwei Heiko Maas?

Wie es auch war, der Satz ist zu seinem Güte- und Markenzeichen geworden. Jedes Mal, wenn ein antisemitischer Vorfall bekannt wird, tritt Maas vor die Kameras und stellt fest, für Antisemitismus gebe es „keinen Platz in unserem Land“, was sich so anhört, als würde ein Kneipenwirt versichern, er wäre noch nie einem Alkoholiker begegnet. Man könnte sagen, Maas hält seine schützende Hand über die Juden, obwohl das – wenn überhaupt – Sache des Innenministers wäre.

Inzwischen halte ich es für möglich, dass es zwei Heiko Maas gibt. Einen, der „wegen Auschwitz in die Politik“ gegangen ist, und einen, der sich keinen Kopf darüber macht, was in seinem unmittelbaren Umfeld passiert.

Der es nicht mitbekommt oder bewusst übersieht, dass sich die Initiatoren eines anti-israelischen Manifests bei dem Leiter der Abteilung Kultur und Kommunikation im Auswärtigen Amt, Andreas Görgen, für den „fachlichen Rat“ bedanken, den er ihnen zukommen ließ; dem es nicht aufstößt, dass der deutsche Vertreter bei den Vereinten Nationen allein im Jahre 2018 in 16 von 21 Fällen anti-israelischen Resolutionen zugestimmt oder sich der Stimme enthalten hat, während sein Boss in Berlin sich darüber „besorgt“ zeigt, dass Israel in den Gremien der Vereinten Nationen „in unangemessener Form kritisiert, einseitig behandelt und ausgegrenzt wird“. Wie passt das zusammen? Wo hört die Fürsorge auf und wo fängt die Heuchelei an? 

Der bestangezogene Mann des Jahres

Von keinerlei Selbstzweifel getrübt, nahm Maas den „Preis für Verständigung und Toleranz“ entgegen, der ihm vom Jüdischen Museum Berlin letztes Jahr verliehen wurde, ebenso entspannt, wie er den „Gentlemen’s Quarterly“-Preis für den „bestangezogenen Mann“ des Jahres 2016 angenommen hat.

Ich vermute, es ist Heiko Maas gelungen, sich selbst davon zu überzeugen, dass er „wegen Auschwitz in die Politik gegangen“ ist. Mir kommt es so vor, als würde Florian Silbereisen sagen, er habe die Rolle des Kapitäns auf dem „Traumschiff“ deswegen übernommen, weil ihn der Untergang der „Titanic“ dermaßen erschüttert hat.

Zuerst erschienen in de Zürcher Weltwoche 

Foto: Imago

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Caroline Neufert / 25.12.2020

Etwas schwergängig ... Nehmen Sie dochmal Jens Spahn oder sind Sie überzeugt, dass er alles für Ihr körperliches Wohlergehen tut ?

Petra Kehr / 25.12.2020

Mir fällt zu dieser “Person der Zeitgeschichte” nichts ein. Mindestens nichts, das druckbar wäre. Dank an Sie Herr Broder für die Überwindung, die es kosten muss, sich mit einem solchen Topos zu beschäftigen.

R. Schäfer / 25.12.2020

Aber sehen Sie mal: es hat gewirkt. Wäre Herr Maas nicht in die Politik gegangen, hätten wir wieder Auschwitz (zwinker smiley). Abgesehen davon: so ein Lebenslauf scheint mir typisch zu sein für die Politikerkaste: ohne wirkliche Berufspraxis und unter dem Schirm einer Partei an die Regierung. Born to rule. Unter uns: ich glaube, es gehen zu viele der Politik wegen in die Politik. Martin Sonneborn hat es erfasst: wir müssen Inhalte überwinden. Viele haben es darin schon zur Meisterschaft gebracht.

Susanne antalic / 25.12.2020

Man kann diesen seinen Spruch, so, oder so zu verstehen. nach beobachtung seine Partei und den Linksgrünen, kann man es nur so verstehen, dass nicht genug Juden in Auschwitz umgebracht wurden, Die freundliche Aufnahme von Milionen Judenhasser, die Hetze und Abstimmungen gegen Israel, die Unterstützung von Fatah und Hamas, die wohlwollende Beobachtung der Demonstrationen gegen Israel, mit Juden in Gas Forderungen und die wohlwollendes Freundschafts zu Iran mit Gratulationen. Die Hetze gegen Trump wegen seinen Bemühungen Israel mit anderen musl. Staaten zu entschpannen und ihn als Antisemiten diffamieren, und, und und. Das ist meine Meinung nach diesen seinen Spruch zu verstehen. Mit der Aufnahme so viele Judenhasser, sind die Masken gefallen, jetzt haben sie Freunde mit der gleiche Gesinnung und können ihre wahre Gesichte zeigen.

Cornelius Angermann / 25.12.2020

Würde ich hier niederschreiben, was ich von diesem Politiker mit ausgeprägtem Napoleon-Syndrom halte, würde der Beitrag vermutlich gelöscht. Bleiben wir also bei den Fakten: Herr Maas ist für seine bei den UN tätigen Mitarbeiter und deren Haltung in Abstimmungen verantwortlich. Regelhaft stimmen diese Mitarbeiter jedoch gegen Israel ab, gegen die soviel Resolutionen eingebracht werden wie gegen alle anderen Mitgliedstaaten der UN zusammen! Im Bundestag setzte sich die Regierungskoalition dafür ein, Israel weiter zu drangsalieren und macht sich gemein mit den notorischen Israelhassern im Iran. Unvergessen dazu auch der Glückwunsch des SPD-BuPrä-Darstellers Steinmeier, der den Mullahs zum Jahrestag ihres Terrorregimes gratulierte, es jedoch unterließ, dem demokratisch gewählten Präsidenten der USA seine Referenz zu erweisen. Ein Verhalten, dass Maas teilte. Nicht von ungefähr kann ich mir den Herrn Maas in einer MAAS-Uniform aus unserer jüngeren Geschichte gut vorstellen. Selbst da mag er den Satz geäußert haben: Ich bin wegen Auschwitz in die Politik gegangen…

Michael Lorenz / 25.12.2020

Er könnte natürlich auch sagen, er sei in die Politik gegangen, weil man nirgendwo sonst mit einem derartigen Mittelmaß ein derartiges Einkommen bei absoluter Nichthaftung für die hinterlassene Trümmerlandschaft generieren kann. Aber dann wäre wieder mal der Ehrliche der Dumme. Und bauernschlau genug, um sich selbst kein Bein zu stellen, ist er ja immerhin.

Alex Schindler / 25.12.2020

Jedes einzelne Wort über den Typen ist Perlen vor die Säue.

A. Ostrovsky / 25.12.2020

Lieber Herr Broder, das was alle Saarländer eint: Sie sind innen größer als außen. Man erkennt es oft daran, dass es scheint als wären ihnen die Anzüge zu klein. Doch ich ertappe mich schon manchmal bei dem Gedanken: Musste das sein? Hätten wir das Saarland nicht einfach den Franzosen überlassen können. Die sind immerhin ein Kulturvolk und vielleicht hätten sie das schlimmste verhindern können. Oder vielleicht auch nicht, wegen dieser Lässigkeit, mit der sie große Probleme auch einfach weg-grinsen können, innen grinsender als außen. Aber wären wir dann wirklich verschont geblieben? Immerhin kam ja Honnecker über Moskau nach Berlin, Altmeier vermutlich über Bonn und Maas scheinbar über Peking oder die Uckermark, man will es nicht so deutlich aussprechen oder weiß es wirklich nicht. Es hätte wohl nichts genutzt. Man muss auch den Mut haben, sich verloren zu geben, wenn man alles versucht hat, was man konnte. Wenn das nicht gereicht hat, konnte man vermutlich nicht mehr tun.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Henryk M. Broder / 03.04.2024 / 12:00 / 120

Kein Freibrief von Haldenwang

Von „Verfassungshütern“ wie Thomas Haldenwang geht die größte Gefahr für Meinungsfreiheit und Demokratie in unserem Land aus. Wenn die Bundesrepublik eine intakte Demokratie wäre, dann…/ mehr

Henryk M. Broder / 12.03.2024 / 14:00 / 62

Christian Wulff: Liechtenstein? Nein, danke!

Unser beliebter Ex-Präsident Christian Wulff hat Angst, Deutschland könnte auf das Niveau von Liechtenstein sinken. Das kleine Fürstentum hat auf vielen Gebieten längst die Nase…/ mehr

Henryk M. Broder / 07.03.2024 / 16:00 / 19

Aserbaidschanische Kampagne verhindert Armenien-Debatte

Eine in Berlin geplante Buchpräsentation und Diskussion über bedrohtes armenisches Kulturgut konnte aus Sicherheitsgründen nur online stattfinden. Die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V. (DGAP)…/ mehr

Henryk M. Broder / 04.03.2024 / 14:00 / 23

Michael Blume: Vom Zupfgeigenhansl zum Ersten Geiger?

In der Dienstzeit des Antisemitismus-Beauftragten Michael Blume hat die Zahl antisemitischer Straftaten in Baden-Württemberg erfolgreich zugenommen. Aber der Mann hat andere Sorgen. Ende Dezember letzten…/ mehr

Henryk M. Broder / 24.02.2024 / 12:15 / 35

Eilmeldung! Herr Schulz ist aufgewacht!

Im Büro der Bundestagsabgeordneten und Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses Marie-Agnes Strack-Zimmermann war nach einem Bericht von Achgut.com die Luft heute morgen offenbar besonders bleihaltig. Richtet man…/ mehr

Henryk M. Broder / 24.02.2024 / 06:00 / 125

Frau Strack-Zimmermann hat Cojones, ist aber not amused

Es spricht für Marie-Agnes Strack-Zimmermann (MASZ), dass sie mein Schaffen verfolgt. Deshalb hat sie noch eine Rechnung mit der Achse offen. Marie-Agnes Strack-Zimmermann (MASZ) hat…/ mehr

Henryk M. Broder / 22.02.2024 / 10:00 / 80

No News aus Wolfsburg in der Tagesschau

In Wolfsburg stellt sich der VW-Chef auf die Bühne, um Weltoffenheit zu demonstrieren. Die Belegschaft hat derweil andere Sorgen. Die Tagesschau meldet, auch an diesem Wochenende hätten tausende…/ mehr

Henryk M. Broder / 18.02.2024 / 11:00 / 57

Eine Humorkanone namens Strack-Zimmermann

Ja, wenn einem deutschen Politiker oder einer deutschen Politikerin nichts einfällt, irgendwas mit Juden fällt ihm/ihr immer ein. Dass immer mehr Frauen in hohe politische…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com