Falls Sie sich schon mal nach Mitternacht verzappt haben und beim ZDF hängengeblieben sind, wird Ihnen vielleicht heute+ aufgefallen sein, ein Nachrichtenformat, mit dem der Mainzer Sender versucht, Berghain-Besucher auf den großen Parkplatz am Lerchenberg zu locken.
Es ist ein Programm für junge Menschen, die sich nicht entscheiden können, ob sie mit dem Kiffen weitermachen oder lieber "etwas mit Medien" anfangen sollen, flott und modern präsentiert und so avantgardistisch wie eine Küchengarnitur von Möbel Hübner.
Moderiert wird es abwechselnd von einer Moderatorin und einem feschen jungen Moderator, der authentisch und sympathisch rüberkommt, „immer etwas Neues ausprobieren" und "anders mit Nachrichten umgehen" möchte, wie es sich gehört, wenn die Verpackung den Inhalt bestimmt.
Selbst der alten Tante FR war schon zu Anfang aufgefallen, dass es dem ZDF vor allem darum geht, „nachts moderner (zu) werden", geleitet von der Erkenntnis, "dass der Altersdurchschnitt seiner Zuschauer zur Geisterstunde erheblich sinkt".
Der junge fesche Moderator meldet sich auch tagsüber zu Wort, bei twitter und Facebook, und anders als bei Heiko Maas kann man bei ihm davon ausgehen, dass er seine Mitteilungen selber verfasst. Am 29.11. twitterte er Folgendes:
Zwei Tote nach mutmaßlichem Terrorangiff in #London. Polizei in #DenHaag meldet mehrere Verletzte nach Stichwaffenangriff. Bislang ist die Zahl der Terrorangriffe in der EU seit 2008 allerdings rückläufig. Ich hoffe, dass es so bleibt.
Summa cum laude im Fach PC
So redet einer, der die Hohe Schule der Politischen Korrektheit mit einem summa cum laude abgeschlossen hat, mutmaßlicher Terrorangriff in London, Stichwaffenangriff in Den Haag, allein diese Wortwahl qualifiziert ihn für besondere Aufgaben im ZDF. Und die Terrorangriffe in der EU sind rückläufig. Der junge fesche Moderator redet so mit Bedacht. Wie er seinen Job versteht, hat er vor Kurzem auf FB erklärt.
Er habe gelernt, heißt es da,
mir genauer zu überlegen, wie ich was sage, statt einfach meine erste Gehirngrütze auf den Tisch zu hauen und dem Gegenüber zu sagen: "Hier, friss das".
Gelernt, dass unüberlegte Worte verletzen können. Gelernt, dass ich darüber nachdenke, ob das, was ich für meine Meinung halte tatsächlich eine Gute ist.
Gelernt, dass ich erst in Frage stelle, ob ich tatsächlich meine Ergüsse auf die öffentliche Bühne tragen muss - oder ob ich nicht auch einfach Mal meinen Mund halten kann, wenn ich eigentlich keine Ahnung habe.
Nein, nicht jeder Shitstorm und Protest ist auch angebracht und hilfreich. Und gerade erst hat Obama darauf hingewiesen, dass zu viele Menschen meinen, es würde reichen einfach nur jemanden niederzubrüllen, der eine Meinung hat, die man nicht teilt oder erträgt. "Das ist kein Aktivismus", meinte er kopfschüttelnd.
Was wir brauchen: mehr Demut und mehr Nachdenken über die eigenen Wahrheiten und Meinungen. Und mehr Nachsicht im Umgang miteinander.
Aber Faschisten muss man natürlich trotzdem Faschisten nennen.
Toll, was das Nachtgespenst vom Dienst des ZDF so alles gelernt hat, u.a. auch, ob das, was er für seine Meinung halte, tatsächlich eine Gute ist. Die Haltung ist schon prima, an der Rechtschreibung und der Zeichensetzung müsste er noch ein wenig feilen. Und wenn er seine Meinung gemeistert hat, könnte aus dem Jungspund noch ein richtiger Überzeugungstäter werden.
Von Henryk M. Broder erschien am 8. November 2019 das Buch „Wer, wenn nicht ich – Henryk M. Broder“. Der Autor befasst sich darin mit „Deutschen, Deppen, Dichtern und Denkern auf dem Egotrip“. Das Buch kann im Achgut.com-Shop bestellt werden.