Das Bundesverfassungsgericht hat das EZB-Anleihekaufprogramm von 2015 für teilweise verfassungswidrig erklärt. Das Gericht stelle erstmals in seiner Geschichte fest, dass Handlungen und Entscheidungen europäischer Organe offensichtlich nicht von der europäischen Kompetenzordnung gedeckt seien, sagte Präsident Andreas Voßkuhle bei der Urteilsverkündung. Sie könnten daher in Deutschland keine Wirksamkeit entfalten.
Geklagt hatten unter anderem der frühere CSU-Vizeparteichef Peter Gauweiler sowie die Ex-AfD-Politiker Bernd Lucke und Hans-Olaf Henkel. Eine weitere Klägergruppe wurde von dem Berliner Finanzwissenschaftler (und Achgut.com Autor) Markus Kerber vertreten.
Das “Whatever it takes” (Mario Draghi 2012) gehört damit der Vergangenheit an. Maßgeblich ist zukünftig die Verhältnismäßigkeit.
1. Das Bundesverfassungsgericht hat einem Urteil des Europäischen Gerichtshof widersprochen. Es begründet dies damit, dass EUGH und EZB gegen die Europäische Kompetenzordnung verstoßen haben. Damit ist der Grundsatz, dass Europarecht das nationale Recht grundsätzlich bricht, gebrochen. In Zukunft werden also nationale Verfassungsgerichte prüfen können, ob die europäischen Institutionen ihre Kompetenzen überschreiten. Damit ist die Souveränität der Nationalstaaten gestärkt worden.
2. Die EZB muss nachträglich darlegen, dass ihre Maßnahmen verhältnismäßig sind. In Bezug auf die Anleihekäufe hat das BVerG explizit folgende Effekte genannt: Dass Unternehmen aufgrund der Niedrigzinsen am Markt bleiben können, die nicht mehr wettbewerbsfähig sind, dass Sparvermögen durch Niedrigzinsen geschmälert werden und Sachvermögenswerte, explizit Immobilienpreise steigen. Diese Vorschrift schafft mehr Transparenz und gibt möglicherweise der deutschen Bundesbank die Chance, einer Mehrheitsentscheidung im EZB-Rat zu widersprechen, weil das verfassungsmäßige Gebot der Verhältnismäßigkeit nicht gegeben ist. Das BVerG beschränkt also die Möglichkeit der EZB, die Anleihekäufe unbegrenzt auszuweiten.
3. Das BVerG erteilt “ewigen Anleihen” explizit eine Absage und verpflichtet die in ihr Hoheitsgebiet fallende deutsche Bundesbank, die bereits aufgenommenen 2,7 Billionen Euro zurückzuführen.
4. Ein generelles Verbot von Staatsfinanzierung durch die EZB hat das BVerG in der mündlichen Begründung nicht ausgesprochen oder bestärkt.
Das ist immerhin ein Schritt in die richtige Richtung. Mehr kann man nur nach einer Prüfung der schriftlichen Urteilsbegründung sagen. Das Urteil hat mehr als 120 Seiten.
In einer ersten Stellungnahme sagte der Chefvolkswirt der Commerzbank AG, Jörg Krämer, gegenüber DIE WELT: „Entscheidend ist, dass die Verfassungsrichter in dem Kauf von Staatsanleihen keinen Verstoß gegen das Verbot der monetären Staatsfinanzierung sehen. Damit haben sie die Anleihekäufe wie erwartet nicht verboten... Die Anleihekäufe der EZB werden weitergehen. Daran wird das heutige Urteil nichts ändern.“