Carl Christian Jancke, Gastautor / 05.05.2020 / 12:00 / Foto: Cruks / 44 / Seite ausdrucken

EZB-Anleihen: Was bedeutet das Urteil des Verfassungsgerichtes?

Das Bundesverfassungsgericht hat das EZB-Anleihekaufprogramm von 2015 für teilweise verfassungswidrig erklärt. Das Gericht stelle erstmals in seiner Geschichte fest, dass Handlungen und Entscheidungen europäischer Organe offensichtlich nicht von der europäischen Kompetenzordnung gedeckt seien, sagte Präsident Andreas Voßkuhle bei der Urteilsverkündung. Sie könnten daher in Deutschland keine Wirksamkeit entfalten.

Geklagt hatten unter anderem der frühere CSU-Vizeparteichef Peter Gauweiler sowie die Ex-AfD-Politiker Bernd Lucke und Hans-Olaf Henkel. Eine weitere Klägergruppe wurde von dem Berliner Finanzwissenschaftler (und Achgut.com Autor) Markus Kerber vertreten.

Das “Whatever it takes” (Mario Draghi 2012) gehört damit der Vergangenheit an. Maßgeblich ist zukünftig die Verhältnismäßigkeit.

1. Das Bundesverfassungsgericht hat einem Urteil des Europäischen Gerichtshof widersprochen. Es begründet dies damit, dass EUGH und EZB gegen die Europäische Kompetenzordnung verstoßen haben. Damit ist der Grundsatz, dass Europarecht das nationale Recht grundsätzlich bricht, gebrochen. In Zukunft werden also nationale Verfassungsgerichte prüfen können, ob die europäischen Institutionen ihre Kompetenzen überschreiten. Damit ist die Souveränität der Nationalstaaten gestärkt worden. 

2. Die EZB muss nachträglich darlegen, dass ihre Maßnahmen verhältnismäßig sind. In Bezug auf die Anleihekäufe hat das BVerG explizit folgende Effekte genannt: Dass Unternehmen aufgrund der Niedrigzinsen am Markt bleiben können, die nicht mehr wettbewerbsfähig sind, dass Sparvermögen durch Niedrigzinsen geschmälert werden und Sachvermögenswerte, explizit Immobilienpreise steigen. Diese Vorschrift schafft mehr Transparenz und gibt möglicherweise der deutschen Bundesbank die Chance, einer Mehrheitsentscheidung im EZB-Rat zu widersprechen, weil das verfassungsmäßige Gebot der Verhältnismäßigkeit nicht gegeben ist. Das BVerG beschränkt also die Möglichkeit der EZB, die Anleihekäufe unbegrenzt auszuweiten. 

3. Das BVerG erteilt “ewigen Anleihen” explizit eine Absage und verpflichtet die in ihr Hoheitsgebiet fallende deutsche Bundesbank, die bereits aufgenommenen 2,7 Billionen Euro zurückzuführen. 

4. Ein generelles Verbot von Staatsfinanzierung durch die EZB hat das BVerG in der mündlichen Begründung nicht ausgesprochen oder bestärkt.

Das ist immerhin ein Schritt in die richtige Richtung. Mehr kann man nur nach einer Prüfung der schriftlichen Urteilsbegründung sagen. Das Urteil hat mehr als 120 Seiten.

In einer ersten Stellungnahme sagte der Chefvolkswirt der Commerzbank AG, Jörg Krämer, gegenüber DIE WELT: „Entscheidend ist, dass die Verfassungsrichter in dem Kauf von Staatsanleihen keinen Verstoß gegen das Verbot der monetären Staatsfinanzierung sehen. Damit haben sie die Anleihekäufe wie erwartet nicht verboten... Die Anleihekäufe der EZB werden weitergehen. Daran wird das heutige Urteil nichts ändern.“

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Thorsten Beyer / 05.05.2020

Tja, so ist das in unserer Demokratiesimulation. EZB Anleihekäufe brechen nationales Recht, aber man macht einfach weiter, wie die CoBa kommentiert. Dass passt doch alles. Hermes-Bürgschaften, TargetII-Salden auf Rekordhöhe - Prof Sinn warnt seit Jahren. Vergeblich. Die Leute interessierts eh nicht, denn es liegt weit außerhalb des üblichen Wahrnehmungshorizontes der RTLII-Fans. Und so geht die große Party in Europa weiter. Ein Hohn für den an Gedenktagen immer mal wieder beschworenen Geist von Adenauer und de Gaulle!

beat schaller / 05.05.2020

Interessanter Berich Herr Jancke. Immerhin ist es Hinweis in eine vernünftigere Richtung. Ob das reicht um ein paar Leute auf den Boden der Realität zurückzuführen weiss ich nicht. Allerdings scheinen mir die Unmengen an Geld, welche mit ebenso Unmengen an Etiketten(Schwindel) versehen werden um Steuerfinanzierte Pseudohilfspakete ins Leere zu verschieben,  längst nicht aufgehoben. Der Raubzug für die unglaubliche Umverteilung wird wohl munter weiter gehen.  Aber nur so lange es noch hat. b.schaller

Wolfgang Kaufmann / 05.05.2020

Jene Richter, die den Eurokraten keinen Persilschein ausgestellt haben, sind nicht hilfreich und müssen rückgängig gemacht werden. Die allmächtigen Parteien werden das nächste Mal besser aufpassen, wen sie da ernennen. – Und dann großspurig der polnischen Justiz mangelnde Unabhängigkeit vorwerfen…

Alex Müller / 05.05.2020

Interessantes Urteil. Recht hat bzw. bekommt aber am Ende nur der, der es auch durchsetzen kann. Man darf gespannt sein, wie das BVerfG die EZB dazu zwingen will, die Verhältnismäßigkeit ihrer Maßnahmen darzulegen. Wird Mario Draghi verhaftet, wenn es nicht geschieht? Oder Christine Lagarde? Die EZB-Zentrale in FFM geschlossen? Die DM per Gerichtsurteil wieder eingeführt? Wird man in Italien mit der Bundeswehr einmarschieren, um die Zahlung des Anteils an den 2.7 Billionen zu erzwingen? Nichts von alledem! Die Verantwortlichen werden mit diesem Urteil genau das machen, was die Macht der Strukturen zuläßt - nämlich es ignorieren und sich damit den Hintern abwischen. Und niemand wird dafür zur Rechenschaft gezogen werden. Wetten?

H.Wess / 05.05.2020

Als EZB-Laie verstehe ich den Artikel so: Alles wie gehabt!

Manfred Schaurecker / 05.05.2020

Das Urteil des EuGH aus dem Jahr 2018 ist willkürlich und nicht nachvollziehbar! Aber trifft das in der Zwischenzeit nicht auf mehrere Urteile zu? Nach dem Motto: die Show muss weitergehen, what ever it takes! Wen kümmert’s, was in den Verträgen steht?! Und noch eine Frage eines Naiven: von wem wurden die unabhängigen Richter in den EuGH entsandt?

Thomas Holzer, Österreich / 05.05.2020

Ich wage zu bezweifeln, dass sich die “deutsche Politik” von einem Gericht zügeln lässt, mittlerweile…

Ilona Grimm / 05.05.2020

» Damit haben sie die Anleihekäufe wie erwartet nicht verboten… Die Anleihekäufe der EZB werden weitergehen. Daran wird das heutige Urteil nichts ändern.«——Genau das habe ich mir gleich gedacht, als ich die Nachricht über das Urteil im Radio gehört habe.  Bin gespannt, wie die Kläger es interpretieren.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Carl Christian Jancke, Gastautor / 17.01.2022 / 13:00 / 14

Über den Tod in Zeiten der „Pandemie”

Die vermeintliche Pandemie verunsichert uns, weil sie eine mögliche Todesursache mit dem konkreten Tod zusammenbringt. Dabei ist das Natürlichste am Leben der Tod. Das Natürlichste…/ mehr

Carl Christian Jancke, Gastautor / 09.12.2021 / 10:00 / 72

Der Vize-Kanzler: Autorität oder autoritär?

Der smarte Wuschelkopf Robert Habeck kommt harmloser daher, als er ist. Er liebäugelt mit autoritären Mustern, etwa Grundrechtseinschränkungen zum Wohle des Klimas. „Freiheit ist die…/ mehr

Carl Christian Jancke, Gastautor / 18.11.2021 / 06:00 / 158

Und ewig grüßt die Merkel-Runde

Heute kommt die „MPK" wieder zusammen, um neue und härtere „Maßnahmen“ aufgrund der „Zahlen” zu beschließen. Das Kuriose ist, dass diese Zahlen die anstehenden Corona-Restriktionen nicht…/ mehr

Carl Christian Jancke, Gastautor / 03.11.2021 / 12:00 / 27

Die renitente Resistenz gegen die Realität

Unter künstlicher Intelligenz versteht man üblicherweise selbstlernende Systeme. Aber sie sind kein Heilmittel. Sie können nur erkennen, was ihre Programmierer erwarten. Von dem politischen System…/ mehr

Carl Christian Jancke, Gastautor / 12.10.2021 / 14:00 / 24

Zerschlagt Facebook!

Das Oligopol von Facebook, YouTube & Co. macht die Nutzer der sozialen Netzwerke machtlos. Sie sind der Willkür des Algorithmus ausgesetzt. Die vermachteten Strukturen gehören…/ mehr

Carl Christian Jancke, Gastautor / 03.09.2021 / 13:00 / 36

Wahlumfragen: Von Irrtümern und selbsterfüllenden Orakeln

Die SPD im Meinungshoch? Meinungsforschung mag ein Indikator für Stimmungen und Entwicklungen sein, ist aber keine exakte Wissenschaft. Schon oft lagen die Demoskopen gehörig daneben. …/ mehr

Carl Christian Jancke, Gastautor / 10.08.2021 / 06:00 / 55

Die Pandemie in Zahlen

Die Zahlen rechtfertigen keine epidemische Lage von nationaler Tragweite. Für den 6. August wurden 16 „Corona-Tote” gemeldet. Das sind 0,0000191 Prozent der Gesamtbevölkerung und 0,04% der…/ mehr

Carl Christian Jancke, Gastautor / 05.05.2021 / 15:00 / 62

Nüchtern betrachtet: Die Urteilsfähigkeit des Verfassungs-Gerichtes

Das Bundesverfassungsgericht hat gesprochen. Luisa Neubauer aus dem Elbvorort ist in ihrer zukünftigen Freiheit eingeschränkt, weil das Klimaschutzgesetz nicht rigide genug ist. Deshalb, so das…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com