Die fehlende Differenzierung beim Blick auf eine totalitäre, glasharte und politische Religion der Unterdrückung stört den Liberalen und den Konservativen in mir. Ich will in Deutschland leben, nicht in Almanistan.
Ein paar kleine Meldungen der letzten vier Wochen:
In Köln darf der Muezzin jetzt auch offiziell zum Gebet rufen, weil wegen Religionsfreiheit und so. Der Liberale in mir sagt: „So what? Religionsfreiheit ist Religionsfreiheit!“
Die Firma AXE (Marke des schon früher unangenehm aufgefallenen Unilever-Konzerns, zu dem auch die always-ultrakorrekte schulmeisternde Eismarke mit Antisemitismusbeigeschmack „Ben & Jerry’s“ gehört) hat ein neues Duschgel mit dem Namen „Fresh Alman Style“ herausgebracht. Für alle, die „gerne das Kleingedruckte lesen, trotzdem supercool“ sind und dabei „divers, offen und verdammt stilsicher“ sind. Denn „die neuen Almans probieren und kombinieren, was das Zeug hält“ und kennen dabei „keine traditionellen Stereotypen und keine Regeln“. Weil „erlaubt ist, was gefällt“. „Im Zusammenleben, in der Liebe und im Style“. „Weil es Spaß macht, behind…“, sorry, „besonders zu sein“. Der Liberale in mir denkt: „Wann bringt AXE „Frech Kanak-Style“ heraus und was wäre dann los? Aber wem es nicht gefällt, der muss es ja nicht kaufen. Der Markt regelt das.“
WISO, von mir und anderen arbeitenden Almans finanzierte Sendung, klärt über die Vor- und Nachteile sogenannter „Auto-Abos“ auf und illustriert dies mit einer grinsenden Hardcore-Muslima, ich vermute, im VW-Scharia. Der Liberale in mir sieht: „Na und? Warum sollten kopftuchtragende Frauen keine Auto-Abos abschließen?“
„Es gibt immer etwas, das uns verbindet“, freut sich McDonald‘s und zeigt ein Plakat einer jungen Frau mit blauen Haaren und einer mit einem Kopftuch. Die beiden verbindet, dass sie gerne Cola trinken. Es dürfte sie trennen, dass die eine dazu einen Burger essen darf, die andere nicht, da das Fleisch nicht halal geschlachtet wurde. Ferner kann sich die eine die Haare morgen grün färben, die andere maximal einen grünen Hijab tragen, wenn das für ihren Vater/Bruder/Ehemann/Ehrenmann/Einmann in Ordnung geht. Der Liberale in mir denkt sich: „Naja, vielleicht kommen sie über die Cola ja in ein Gespräch über Frauenrechte?“
Die EU wirbt für „Schönheit in Vielfalt, der Hijab bedeutet Freiheit“ und „wie langweilig die Welt wäre, wenn jeder das Gleiche trägt“. Also „feiert die Vielfalt und respektiert das Kopftuch.“ Garniert wird die Aktion mit einem Filmchen von jungen Frauen, wie sie ohne Kopftuch und wie schön sie dann mit dem Hijab aussehen… Schauen Sie bei Twitter unter dem Hashtag #wecan4hours selbst einmal rein. Die EU möchte damit Islamophobie und Diskriminierung entgegenwirken. Der Liberale in mir sagt: „Ja mei, wer Kopftuch tragen will, soll es tragen. Wichtig ist doch der Mensch und der Geist UNTER dem Kopftuch.“
Der Konservative in mir nimmt alle diese Bilder und Nebengeräusche auf und ruft: „Seid Ihr alle komplett bescheuert? Welche Shice versucht Ihr mir soeben zu verkaufen?
Das Kopftuch, auf Verbiegen und Erbrechen zum „modischen Accessoire“ umgedeutet
Ich hatte neulich einen Bildband über meine Heimatstadt aus den Sechzigern in der Hand. Die Passanten auf den Bildern waren durch die Bank adrett, sauber, ordentlich und stilvoll gekleidet – sie hatten sich sozusagen „stadtfein“ gemacht. Derartige Bilder gibt es auch aus Istanbul und Teheran und Kabul aus dieser Zeit. Ja, da hat das ganz gut funktioniert! So ohne diesen beknackten, totalitären und faschistischen Radikalislam, wie er nicht mehr nur dort, sondern auch hier gelebt wird. Nun ist es mir total Leberwurst, wie und welche Kleidungsvorschriften und moralischen Normen sich die Gesellschaften in Afghanistan, Pakistan oder Islamistan geben. Deren Land, deren Regeln. Ich lebe da meine chinesische Ader aus, die da sagt: Dort ist dort und hier ist hier. Ich muss nicht hinfahren, um da die „tolle Gastfreundschaft“ zu genießen.
Es geht um „hier“: Um diese völlig fehlende Differenzierung beim Blick auf eine totalitäre, glasharte und politische Religion und Gesellschaft der Unterdrückung. Ich will in Deutschland leben, nicht in Almanistan, aber ich habe den unbedingten Eindruck, Deutschland soll zu einem islamischen Staat umgebaut werden. „Hey, Kopftuch? Völlig normal!“ „Hey, Frauenunterdrückung? Ist doch freiwillig!“ Das Kopftuch wird auf Verbiegen und Erbrechen zum „modischen Accessoire“ umgedeutet und aufgepimpt, und warum sollen denn Laura und Lena bitte nicht auch ein Kopftuch tragen? Es ist angeblich ja schick und schützt ganz nebenbei bereits Sechsjährige vor den „wollüstigen Blicken der Männer“… Welches Männer- und Frauenbild wird da eigentlich vermittelt? Und welche „wollüstigen Männer“ sollen das sein? Florian und Sebastian, die Lastenfahrradtreter?
Ja, verdammt, eine Islamisierung findet exakt so statt. Exakt so, dass wir Dinge, Symbole und Bräuche nicht nur tolerieren, sondern sogar akzeptieren sollen, die mit unserem bisherigen liberalen Menschen- und Gesellschaftsbild rein gar nichts mehr zu tun haben. Es passiert nicht auf einmal, nicht mit einem Schlag, es passiert langsam, scheibchenweise… Unter dem Denkmantel der „Diversity“, wie es so schön modern und saudoof heißt. Nebenbei: wie „divers“ ist eigentlich Afghanistan, in dem alle Frauen eine Burka tragen, die nicht einmal die Augen erkennen lässt? Zumindest, wenn sie nicht öffentlich ausgepeitscht werden wollen? Wie viele Christen gibt es da eigentlich noch? Juden gibt es im „bunten Afghanistan“ jedenfalls keine mehr. Der letzte hat soeben seine Sachen gepackt. Das dürfte ihm das Leben retten.
Ganz viele Leute wollen es nicht bunt
Diese Salamischeibchen führen uns direkt in die DIR, die „Deutsche Islamische Republik“, aber nicht nur in Form von religiöser Bekleidung, sondern auch indoktrinierender Medienbegleitung. Im gleichen Atemzug sind die Taliban in Afghanistan zwar immer noch nicht so ganz nett und noch so a weng homophob, aber die paar Steinigungen untreuer Ehefrauen oder Homosexueller werden zur Folklore verklärt, die uns nicht daran hindern sollte, Millionenbeträge an die Kopftuchträger und Halsabschneider dort zu überweisen. Außerdem ist der IS ja viel, viel schlimmer und sprengt dort eine Moschee nach der anderen. Die Taliban scheinen den Daesh-Jungs noch zu soft und zu nachlässig zu sein…
Hierzulande wird mit derartiger Werbung jungen Frauen suggeriert, die Unterwerfung unter religiöse Vorschriften und den künftigen Mann sei eine topmoderne, tolerante und modische Form des Gesellschaftslebens. Die Margareten dieses Landes, die bereits in dramatische Ohnmacht fallen, wenn sie ein Herr zum Kaffee einlädt und die es bereits als Vergewaltigung empfinden, wenn nicht ordentlich gegendert wird, die Stokowskis, die dann gar nicht laut und lang und breit genug #metoo hashtaggen können, goutieren ein derart unterdrückendes Symbol kaltlächelnd als „Freiheit“ und „Tradition“, die das Land hier „bunt machen“. Ich will es aber gar nicht bunt. Ganz viele Leute wollen es nicht bunt. Ein paar exotische Farbtupfer sind ja ganz nett – eine schleichende Kolonialisierung ist es nicht. Diese wird unsere bisher ganz gut funktionierende Gesellschaft eher über kurz als über lang zerreißen. Und die unterliegende Gruppe wird sehr, sehr wenig zu lachen haben.
Wehe meiner Enkelin oder Urenkelin, die unverhüllt auf die Straße tritt
Nun sagt der Liberale in mir: „Hey, wenn die Leute das wollen, dann wird das eben geschehen.“ Dann kommt eben als Nächstes der Tschador, dann die Burka und wehe meiner Enkelin oder Urenkelin, die unverhüllt auf die Straße tritt. Ein paar „junge Männer“ und anschließend das Ordnungsamt werden ihr schon die richtigen Vorschriften beibringen. Wehe den Frauen, die sich dann nicht anpassen. Es wird dann zwar keine „Kopftuchpflicht“ geben – aber die Unverschleierte kann dann eben bestimmte Läden nicht mehr besuchen, an bestimmten Veranstaltungen und Anlässen nicht teilnehmen und muss zu Hause sitzen bleiben. Erst recht, wenn sie sich im „Status der Unreinheit“ befindet. Sie hat dieses Schicksal schließlich selbst gewählt. Sie muss sich ja nur anpassen. Nach der Corona-Nichtimpflicht kommt die Kopftuchtragenichtpflicht. Für die „sich schon länger hier verscheißern Lassenden“.
Und die Generationen nach mir werden das willig mit sich machen lassen. Warum? Weil sie keine Vergleichsmöglichkeiten nach dem Motto „vorher/nachher“ haben. Die haben nur wir, wir alten weißen Männer und Frauen. Jede Laura und jede Lena kann konvertieren – aber Ayshe und Ebru können das Schwimmbecken des Islam nur unter Lebensgefahr verlassen. Sofern sie vorher am schulischen Schwimmunterricht teilgenommen haben. Dies zu negieren, ist eine bodenlose Verachtung den eigenen Normen und Werten gegenüber, zeigt aber womöglich, dass unsere eigenen Normen und Werte entweder zu schwach sind oder nie existiert haben. Da bin ich wieder bei meinem inneren Liberalen: „Bitte – wenn Ihr das so wollt, dann macht das so!“ Ich schließe mich einfach daheim ein. Oder verschwinde. Außerdem bin ich in 25 Jahren wahrscheinlich eh tot oder kurz vorm Eintritt ins Paradies oder nach Walhalla oder dahin, wo es die Jungfrauen gibt.
Wir Alten sollten darüber nachdenken, rechtzeitig zu konvertieren. Als Atheist ist es mir letztlich Latte Macchiato, ob die Bibel oder der Koran in der Bücherwand verstauben. Am Ende dieses Textes kann ich mich nur fragen, warum ich ihn eigentlich geschrieben und geschrien habe: Er wird zum einen nichts ändern, und zum anderen ist es wahrscheinlich eh vergebene Liebesmüh‘, denn die Würfel sind bereits gefallen, den „Anfängen“ wurde nicht „gewehrt“ und ich höre mich letztlich nur wie der frustrierte alte Sack an, der in der schönen neuen „bunten“ und „diversen“ Welt als Ewiggestriger schlicht nicht ankommen will. Der ich auch bin. Ich zieh mich dann mal an die Playstation zurück. Allahu akbar. Danke für gar nichts.
(Weiterer unverbindliche Artikel des Autors unter www.politticker.de)
Von Thilo Schneider ist in der Achgut-Edition erschienen: The Dark Side of the Mittelschicht, Achgut-Edition, 224 Seiten, 22 Euro.