Die Leute begehren auf, vorneweg die Bauern. Es wird viel geweint. In Berlin, Hamburg, München und Stuttgart. Aus Angst. Aus Angst, von den Futtertrögen des Steuerzahlers eher über kurz als über lang entfernt zu werden.
Es ist verletzt, das rot-grüne Herz. So hatte man sich das mit dem „Mitnehmen“ der das Land Bevölkernden nicht vorgestellt: Da gehen die Bauern auf die Straße und demonstrieren. Und zwar nicht, wie die Klimakleber, unangemeldet und „für die gute Sache“, sondern weil ihnen so ein paar Subventiönchen gestrichen werden, während das schöne Geld doch für tolle Umweltprojekte wie Fahrradwege in Peru oder SUVs für nigerianische Abgeordnete gebraucht wird.
Das Blöde an den Bauern-Protesten ist, anders als bei den sogenannten „Querdenkern“, „Impfleugnern“ und „Corona-Rentnern“, dass sie sich nicht einfach mit Wasserwerfern von der Straße blasen lassen. Und so sitzen die rot-grüne Nomenklatura und ihre angeschlossenen Medienhäuser zähneknirschend in ihren hübschen Büros und sehen Traktoren über ihre Fahrradholzwege rollen. Und es scheint, als ginge die Stoßrichtung der Proteste, denen sich auch Fuhrunternehmer und Handwerker angeschlossen haben, immer mehr in Richtung „Rücktritt des Bundeskanzlers“ oder sogar „Rücktritt der Regierung“ – auch, wenn diese, wie der arg bauernverfolgte Robert Habeck treuherzig in einer weiteren als „staatstragend“ gehypten Rede versichert – die Regierung des „besten Deutschlands, das wir je hatten“ ist.
Versuchten vor allem die SPD und die Tagesschau anfangs noch, die Vorgänge in Schlüttsiel als „Eine Minute später und der Mob hätte die Fähre gestürmt“ von einem, wie der Spiegel schrieb, „motorisierten Mistgabelmob“ zum „Reichstagssturm 2.0“ hochzujazzen, so ändert sich allmählich das Framing-Paradigma.
Das Vierte Reich steht mal wieder vor der Tür
Zuerst einmal geht die übliche Warnung vor „rechter Unterwanderung“ raus. Finstere Rechtsextremisten und Neonazis könnten die Bauernproteste zum „Vehikel ihrer eigenen Agenda“ machen. Die übliche Angstschiene, Björn Höcke könnte vor dem Brandenburger Tor auf einen Traktor steigen und irgendwie das Vierte Reich ausrufen. Kennt man ja, kennt man ja. Und natürlich haben sich unter die paar Dutzend Bauern auch Tausende und Abertausende von finsteren Reichsbürgern und „Covidioten“ gemischt, die auf Rache an der besten Regierung des besten Deutschlands ever sinnen.
Engagierte Journalistdoppelpunktinnen reiten die Trecker-Kolonnen ab, immer in der Hoffnung, einen Sensationsfund wie eine Reichskriegsflagge oder einen Galgen oder einen grenzwertigen Spruch zu finden, um zu sagen: „Sehet her, das Vierte Reich naht auf einem Fendt“. Und wenn sie ein solches Transparent finden, dann ist es natürlich die verdammte Pflicht und Schuldigkeit des „motorisierten Mistgabelmobs“, sofort und auf der Stelle nach Hause zu fahren, denn „mit Rechten marschiert man nicht“. Oder vielmehr fährt nicht mit ihnen.
Wieder andere der medial Zünftigen werden nicht müde, zu betonen, wie doof die Bauern sind, wenn sie die AfD nicht abgrundtief hassen, weil „die Eure Subventionen streichen wollen“. Also bitte, liebe Bauern: Habt die Ampel lieb, sie meint es nur gut mit Euch und allen Menschen. Natürlich dürfen auch die rot-grünen Verweise auf die Union nicht fehlen, den eigentlich sind die ja schuld, jawohl. Die sollen sich jetzt nicht so aufspielen und die Bauern ranzen die Falschen wegen des bisschens Agrardiesel und der paar CO2-Abgaben an.
Die Bauern tun es für sich, die Klimakleber für uns alle
Eine weitere Verteidigungslinie: Die Klimakleber der #LetzteGeneration. Ja aber hallo! Wütend auf die Klimakleber sein, die doch ebenfalls „für uns alle“ Staus verursachen und keine Solidarität erfahren (irgendein Profi schrieb von „die die ganze Härte des Gesetzes trifft“, weswegen ich eine Viertelstunde mit dem Entfernen des Kaffees von Tastatur und Bildschirm verbracht habe), aber sich mit den Bauern solidarisch zeigen. So geht das ja nicht. Das haben wir ja gern. Keine Rede davon, dass die Bauern ihre Demos angemeldet haben, Rettungsgassen freilassen, nicht aus dem Nichts auftauchen und sich mit der Polizei koordinieren. Schema: „Bauern sind rechts, deswegen werden sie von den Rechten geliebt, liebe „Klimakleber“ sind links und daher verfemt.“ Die gleichen Klimakleber, deren prominenteste Nasen dauernd ihre Rüben in Kameras halten und sich in Talkshows die Hintern plattsitzen. Weil sie so schrecklich unbeliebt sind. Ungerecht.
Dann wiederum gibt es die Truppe der privaten Hilfspolizisten: Die legen sich gegenseitig auf X und Facebook nahe, grüne Nummernschilder der Traktoren zu fotografieren und dann der Staatsanwaltschaft vorzulegen, denn Fahrten mit grünen Nummern sind nur zu land- und forstwirtschaftlichen Zwecken erlaubt, alles andere ist nämlich Steuerhinterziehung. Jaja. Natürlich sieht die Rechtslage völlig anders aus, aber für die stasispitzelnden, buchstäblich linken Stützen der „Gib-das-Geld-anderer-für-unsere-Klientel-aus“-Gesellschaft spielt das zunächst einmal keine Rolle.
Da aber dieses Framing bisher auch wenig verfängt, müssen jetzt Pflegekräfte, Ärzte und Alleinerziehende als Opfer des „motorisierten Mistgabelmobs“ herhalten. Wer den Protagonisten und Hardcore-Fans von SPD und Grünen auf X aufmerksam folgt, bekommt den Eindruck, dass am 8. Januar neben den Bauern nur noch Pflegekräfte, Ärzte, Krebskranke in Kliniken und Alleinerziehende auf dem Weg zur Kita waren. Diesen allen wurde von den stadtfeindlichen Bauernkräften des Bauernstandverkehrs bitteres Unrecht und arge Harm zugefügt. Denn sie standen allesamt in eisiger Kälte stundenlang in hunderten Kilometern von Staus und verröchelten ihr Leben am Lenkrad des Opel-Corsa. Oder mussten bis zu zwei Kilometer Umweg fahren.
Es wird viel geweint
Zwar hatten die Organisatoren der Bauerndemos angekündigt, jede medizinische Fachkraft, die beispielsweise ein weißes Tuch über dem Rückspiegel hängen hat, die Rettungsgassen nutzen zu lassen oder Pflegekräfte, Dialysepatienten und medizinisches Personal nicht zu behindern, aber das wäre ja noch schöner, wenn sich das auf den Autobahnen hin und her fahrende Personal jetzt auch noch ausweisen soll, wie t-online unter dem Eduard Schnitzler nicht unnachahmlichen Leiter der Recherche-Abteilung Lars Wienand verkündet! No pasarán! Damit kommen die Bauern nicht durch! Die Pflegekräfte dann aber auch nicht. Schade. Vor allem deswegen auch, weil die Lars Wienands dieser Republik vor 15 Monaten kein Problem damit hatten, jedem Kellner und Wurstbudenbesitzer dieses Landes ihren Impfausweis unter die Nase zu halten.
Das ultimative Argument gegen die Bauernproteste hat aber, nicht einmal überraschend, sondern schwersterwartbar, Renate Künast, ehemalige Landwirtschaftsministerin, im Mima gefunden: „Die Kinder haben Angst.“ Tja, liebe Bauern: Dann nehmt mal die Kinder, die auf Euren Traktoren mitfahren, lieber mal runter. Angst essen deren Seelen auf.
Das rot-grüne Herz ist verletzt. Es ist eine Sache, zu wissen, dass man unbeliebt ist. Eine andere Sache, es öffentlich gezeigt zu bekommen. Es wird viel geweint. In Berlin, Hamburg, München und Stuttgart. Aus Angst. Aus Angst, von den Futtertrögen des Steuerzahlers eher über kurz als über lang entfernt zu werden. Schreckliche Vorstellung. Aber vielleicht sind ja danach in der Landwirtschaft noch Stellen frei?
(Weitere bäuerische Artikel des Autors unter www.politticker.de)
Von Thilo Schneider ist in der Achgut-Edition erschienen: The Dark Side of the Mittelschicht, Achgut-Edition, 224 Seiten, 22 Euro.