Holger Zastrow, Ex-Bundesvize der FDP, kündigt. In seiner Austrittserklärung schreibt er: „Als jemand, der in der Öffentlichkeit steht und durch seinen Beruf mit sehr vielen Menschen zu tun hat, möchte und kann ich die Politik der FDP im Bund nicht mehr rechtfertigen.“
Holger Zastrow, ein nicht ganz unbekanntes Gesicht der FDP, kündigt. Schmeißt hin. Hat „die Faxen dicke“. Zastrow war 30 Jahre lang in der FDP, davon 20 Jahre als Landesvorsitzender, 10 Jahre Fraktionsvorsitzender, stellvertretender Bundesvorsitzender und 20 Jahre lang im Dresdner Stadtrat. Also einer, von dem man meinen könnte, dass er sich auskennt. Dass er dabei war. Dass er beides gesehen hat: die langen Gesichter, als die FDP aus dem Bundestag flog und die fröhlichen Feiern, als sie wieder einzog. Einer, der mitgekämpft hat, dass der Wiedereinzug gelingt, der sich seine Freizeit um die Ohren geschlagen hat, um die FDP auf ost- und gesamtdeutsche Ergebnisse zu führen.
Wie so viele, die ich selbst aus meiner eigenen FDP-Zeit kenne. Die für Freiheit und Liberalität brennen, ohne diese in Beliebigkeit abgleiten zu lassen. Die Werte haben und diese verteidigen. Auch und gerade gegen die Grünen, die ich, ich kann es nicht anders sagen, nach wie vor als „Pack“ betrachte und mit denen ich als FDPler niemals, nie, unter gar keinen Umständen koaliert hätte. Ich erinnere mich selbst, wie glücklich ich war, als Lindner damals die Sondierungsgespräche platzen ließ. Nicht mit denen. Nicht mit den Grünen. Nicht mit denen, die uns jahrzehntelang beschimpft und miesgemacht haben.
Und dann steigt der Mann in die Ampel-Koalition ein und hilft seitdem den Grünen, ihre seltsam verquasten ideologischen Quatschprojekte durchzuziehen. So „vong feministische Auzzenpolitik her“. Den Schritt, den Holger Zastrow heute geht, bin ich schon vor Jahren gegangen, allerdings hatte ich auch weniger zu verlieren und Ämter hatte ich eh keine, sieht man vom Vorstandsmitglied in einem Ortsverband ab. So what? Zastrow hat viel schlucken müssen, als Konservativer in der FDP und ist sicher mehr als einmal mit dem Kopf gegen die Parteiwand gerannt, aber irgendwann ist der Zeitpunkt gekommen, an dem sich selbst das treueste Parteimitglied nicht mehr zum Knecht und Wasserträger einer einmal mehr abgehobenen Parteiführung machen will, die in der eigenen Partei „durchregiert“.
Ey, Christian, echt jetzt?
Zastrow hat das in seiner Austrittserklärung auf X sehr schön geschrieben, wenngleich er dazu erst zwei Seiten brauchte:
„An wohlwollenden und mitfühlenden Worten und ausgefeilter Rhetorik fehlte es der FDP zu keiner Zeit. Es fehlte immer an Taten. Es fehlt an Leidenschaft, an Sensibilität, an uneitlem Tatendrang. Niemand unserer Wähler, unserer Klientel, der Leute da draußen glaubt, dass mit der FDP einer da ist, der kämpft, der schwitzt, der sich die Hände dreckig macht und der wirklich für das, was er sagt, brennt, der für mich ins und durchs Feuer geht. Deshalb hört niemand mehr zu. Deshalb glaubt man den warmherzigen Worten nicht. Deshalb verlieren wir unsere Leute.“
This, dieses da, sehr geehrte Damen und Herren und Diverse im HDG-Haus. „Auch grün, aber mit Digitalisierung“ und „ohne uns wäre es noch schlimmer geworden“ sind keine Slogans oder Taten, die die Wähler vom Hocker reißen. Einfach „Freiheit“ zur rufen, genügt auch nicht in einem Land, in dem die breite Masse Sicherheit immer der Freiheit vorziehen würde und wird. Nicht umsonst hatte die FDP zu keinem Zeitpunkt der Geschichte mehr Stimmen als die Sicherheits- und Kuschelpartei SPD. Aber es gab auch immer einen Prozentsatz von Menschen, schließlich bis zu einer zweistelligen Prozentzahl, der von seinem Staat schlicht in Ruhe gelassen werden wollte.
Menschen, die kein Kilometergeld, keine Fahrtpauschale und keine Subventionen brauchten, die einfach nur ungestört von dämlichen Vorschriften, Nebenkriegsschauplätzen und kleinen Geldgeschenken ihren „Schaff“ machen wollten und schon für sich selbst (und meistens auch für ihre Firmen) sorgen konnten. Unternehmer, Handwerker, Ärzte, etc. Die hat sie verloren, die grünspanige FDP, in der sich ein Christian Lindner „den Bauern nahe fühlt“, weil er schon mal, Karohemd an und Ärmel zurück, die Stall-Box des Ehepartnerinnenpferdes ausgemistet hat. Ey, Christian, echt jetzt?
Feige weggedrückt haben sie sich
Es hat jetzt einmal geklappt: rausgeflogen, dann wieder reingekommen. Aber hat die FDP wirklich verstanden, was die bürgerliche Mitte, was ihre Wähler wirklich wollen? Kleiner Tipp: „Sondervermögen“ und „Gute-Heizung-Gesetz“ sind es nicht. Auch keine Doppelwümmse, die mit „Bazookas“ abgeschossen werden. Und, noch viel schlimmer: Eine freiheitliche FDP hat ganz begeistert bei Grundrechtseinschränkungen mitgemacht und seelenruhig und feige zugesehen, wie ihre eigene Klientel bei den sogenannten „Querdenkerdemos“ zusammengeprügelt wurde, weil sie das Grundgesetz in die Höhe hielt. Kam da was von der FDP? Feige weggedrückt haben sie sich, die sogenannten „Liberalen“. Ein zweites Mal wird ein Wiedereinzug nicht gelingen. Die FDP wird aus den Bund- und Landtagen gefeudelt und, der Markt entscheidet, es werden andere Parteien gewählt werden. Nicht unbedingt hübschere, aber solche, die ihre Wähler ernst nehmen.
Zastrow ist nur das prominenteste Beispiel für all jene, die deswegen die FDP verlassen. Er hat lange gebraucht, lange gehadert und wer es noch nicht erlebt hat: Eine Partei zu verlassen ist ähnlich, wie den Partner zu verlassen. Erst recht, wenn es keinen „Ersatzspieler“ gibt. Immerhin: Zastrow wird jetzt sonntags keine dringenden Anrufe mehr bekommen, weil irgendein Florian oder Paul meint, er müsse dringend Ortsvorsitzender von Johannstadt-Süd werden und um Unterstützung am 24. Februar im Hinterzimmer der Osteria Napoli bittet. Deswegen zum Schluss noch einmal ein FDPler, wie ich ihn mir vorstelle und nicht, wie sie in der Bundesspitze sind:
„Eigentlich wäre es – mal wieder – Zeit für die FDP. Sie wird so dringend gebraucht. Denn während sich die Ränder aufmachen, das Land zu erobern, schläft die Mitte. Während sich die Leute in großer Zahl Gruppieren zuwenden, die die Probleme unseres Landes nicht lösen werden, machen die etablierten Parteien einfach weiter, als würde nichts passieren. Das kann ich nicht akzeptieren.
Als jemand, der in der Öffentlichkeit steht und durch seinen Beruf mit sehr vielen Menschen zu tun hat, möchte und kann ich die Politik der FDP im Bund nicht mehr rechtfertigen. Als jemand der zumindest in Dresden Wahlergebnisse erreicht, die weit über das für eine FDP übliche hinausgehen, kann ich keine Politik verteidigen, die sich praktisch gegen die Mehrheit meiner Wähler, meine Mitstreiter, Kollegen und Freunde richtet. Ich lebe wohl in einer anderen Welt als meine Partei. Ich sehe andere Probleme und andere Lösungen. Ich will den Leuten noch in die Augen schauen können.
Ich bedanke mich bei allen Weggefährten und Unterstützern, bitte um Verzeihung bei denen, die ich mit meinem Austritt überrasche und enttäusche. Aber es geht nicht anders. Mein Verstand sagt es, aber noch mehr sagen es Herz und Bauch. Danke für die Zeit!“
Danke auch, Holger Zastrow. Hier, und vielleicht, irgendwann, an einem anderen Ort. Wann folgt Frank Schäffler?
(Weitere befreite Artikel des Autors unter www.politticker.de)
Von Thilo Schneider ist in der Achgut-Edition erschienen: The Dark Side of the Mittelschicht, Achgut-Edition, 224 Seiten, 22 Euro.