Claudio Casula / 15.04.2024 / 12:20 / Foto: Olaf Kosinsky / 66 / Seite ausdrucken

Die allerschärfsten Reaktionen auf den Iran-Angriff

Als der Iran Israel attackierte, war im deutschen Fernsehen kaum etwas dazu zu sehen. Auch die Politiker schwiegen. Aber nicht für immer, was noch schlimmer war.

Am späten Samstagabend startete das Mullah-Regime im Iran seinen ersten direkten Angriff auf Israel: 185 Kamikaze-Drohnen, 110 ballistische Mittelstreckenraketen und 36 Marschflugkörper wurden auf den Weg geschickt. Israel aktivierte den Iron Dome, Kampfjets der Luftwaffe stiegen auf. In den Nachbarländern halfen amerikanische, britische, ja sogar jordanische Piloten, den Großangriff abzuwehren. (Wie die Bürger Israels diese Stunden erlebten, lesen Sie hier.)

Währenddessen schlief die Polit-Prominenz in Berlin den Schlaf der Selbstgerechten, noch ganz beseelt von dem gerade im Bundestag durchgedrückten Beschluss, dass künftig jeder nach Lust und Laune sein Geschlecht wechseln kann, jedenfalls einmal pro Jahr. Nicht nur, dass, Staatsräson hin oder her, dem jüdischen Staat keine aktive Hilfe geleistet wurde, es kam einfach: nichts.

Nach Stunden bequemte sich Annalena Baerbock endlich zu einer Stellungnahme bei X (Twitter) und gab sich dabei keine große Mühe. Der übliche Griff in den Satzbaukasten (oder war’s ChatGPT?) generierte folgendes geharnischtes Statement

Iran hat Drohnen & Raketen auf Israel abgeschossen. Wir verurteilen den laufenden Angriff, der eine ganze Region ins Chaos stürzen kann, aufs Allerschärfste. Iran & seine Proxies müssen diesen sofort einstellen. Israel gilt in diesen Stunden unsere ganze Solidarität.“

Oha – nicht nur „aufs Schärfste“ sondern sogar „aufs Allerschärfste“, mit 1,5 Millionen Scoville gewissermaßen. Dabei hatte Baerbock laut Spiegel noch vor Tagen „mit iranischem Minister über möglichen Angriff auf Israel“ gesprochen, eine Formulierung, die offenließ, ob es um einen deutschen, um einen iranischen oder einen koordinierten Angriff auf den jüdischen Staat ging. Beim Spiegel änderte man dann die missverständliche Schlagzeile ab.

Alles begann damit, dass Israel zurückschlug

Wie auch immer: „Israel gilt unsere ganze Solidarität“, wenigstens „in diesen Stunden“. In diesem beruhigenden Wissen gingen die Kampfpiloten der IAF und die Iron-Dome-Besatzungen frohgemut ans Werk und fingen 99 Prozent der einfliegenden Geschosse ab. Immerhin hatte sogar Ursula von der Leyen von einer „nicht zu rechtfertigenden Attacke“ gesprochen, genauso wie Olaf Scholz („unverantwortlich und durch nichts zu rechtfertigen“).

Das sahen allerdings nicht alle so. Aydan Özoğuz, Vizepräsidentin des Bundestags, schrieb, sie mache sich Sorgen um alle Menschen in der Ukraine, in Israel und in Gaza. „Warum musste diese Situation noch provoziert werden? Bombardierung der iran. Botschaft hat Nahost gefährdet.“, schrieb Özoğuz (hier fehlt der Link, weil sie ihren Post nach heftigem Gegenwind wieder löschte), womit sie, so wie alle, die es mit Israel nicht so haben, behauptete, an dem iranischen Großangriff sei der jüdische Staat selber schuld. Da befindet sie sich in vielsagender Gesellschaft etwa mit dem notorischen Jürgen Todenhöfer, der findet: „Auch der Iran hat ein Recht auf Selbstverteidigung“. In diesem Sinne moderierte auch Ingo Zamperoni am späten Samstagabend die „Tagesthemen“ an

„Es muss den Verantwortlichen in Israel sehr klar gewesen sein, dass dieser Zwischenfall nicht ohne Folgen bleiben würde. Und Iran hatte Vergeltung ja auch unverzüglich angekündigt.“ Für Zamperoni – und nicht nur für ihn und Frau Özoğuz – ist also Israel der Provokateur, der eigentlich Schuldige, der für die Eskalation Verantwortliche. Ganz so, wie ein Evergreen der Nahostberichterstattung besagt: „Alles begann damit, dass Israel zurückschlug“.

Die Mullahs und ihre „Proxies“

Nun ist es allerdings so, wie der Politikwissenschaftler Carlo Masala bei X schrieb: „,Der Iran zeigt sein wahres Gesicht' schreiben auch nur die, die seit 1979 unter einem Stein leben.“ Denn Tatsache ist, dass der Iran und Israel gute Beziehungen hatten, bevor Ayatollah Khomeini sein islamistisches Regime errichtete – ein Ereignis übrigens, zu dessen 40. Jahrestag Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier seine herzlichen Glückwünsche übermittelte, „auch im Namen meiner Landsleute“, wie er irrtümlich annahm.

Der Iran führt seit vielen Jahren einen indirekten Krieg mit Israel, einem Staat, den er von der Landkarte wischen möchte, was er immer und immer wieder unverhohlen betont. „Marg bar Israel!“ lautet die Parole nicht nur am Al-Quds-Tag, „Tod für Israel“, den „kleinen Satan“, den das Regime ebenso hasst wie den „großen Satan“ Amerika. Und es blieb nie bei Worten: Seine Stellvertreter wie die schiitische Hisbollah-Miliz im Libanon und die Huthi-Miliz im Jemen erledigten bisher den praktischen Teil, auch im Irak und in Syrien und im Gazastreifen baute der Iran Terrorstrukturen auf oder half dabei. Die Hisbollah etwa feuert seit einem halben Jahr Raketen und Mörsergranaten auf Galiläa ab, was Özoğuz, Zamperoni und Todenhöfer entweder entgangen sein muss oder schlicht egal ist.

Dieser Krieg mit dem Ziel der Vernichtung Israels, den die Mullahs schon lange führen, ist der Kontext zur Eskalation. Dass sieben Mitglieder der Revolutionsgarden, darunter zwei Generäle, in der iranischen Botschaft in Damaskus keines natürlichen Todes starben, ist genau in diesem Zusammenhang zu sehen, ebenso wie die mitunter robuste Sabotage des iranischen Atomprogramms durch mutmaßlich israelische Agenten. Dass man zwischen Haifa und Eilat nicht mit den Händen in den Taschen zusieht, wenn sich die erklärten Todfeinde eine Atombombe bauen, sollte eigentlich auch schlichteren Gemütern einleuchten. Stattdessen klatschen sie sich schon mal mit dem Botschafter des Regimes ab.

Zwischen Ignoranz und Belehrungseifer

Als die über 300 Geschosse durch die Nacht auf Israel zuflogen, lief, so war zu lesen (der Autor selbst pflegt das Fernsehen zu meiden), in der ARD die Familienshow „Wer weiß denn sowas XXL“ und im ZDF „Das aktuelle Sportstudio“. „Auch das Zappen zu ZDFinfo, dem Newskanal des ZDF, half nicht weiter“, schreibt der Tagesspiegel, dort gab es „Faszination Universum“ zu sehen.

Wie wir gesehen haben, ist gar keine Reaktion aber auch nicht schlimmer als solche, wie sie zu lesen und zu hören waren. Im Zweifel ist Schweigen ja doch Gold. Jedoch sollte man sich da keine falschen Hoffnungen machen: Da Israel auf keinen Fall zurückschlagen darf (Eskalation! Flächenbrand-Gefahr!), sind jetzt erst einmal verstärkte Ermahnungen zur „Besonnenheit“ und „Zurückhaltung“ in Jerusalem zu erwarten. Wir wissen schließlich immer noch am besten, wie sich Juden ihrer Todfeinde zu erwehren haben.

Denn der Tod ist ein Schulmeister aus Deutschland.

 

Claudio Casula arbeitet als Autor, Redakteur und Lektor bei der Achse des Guten.

Foto: Olaf Kosinsky CC BY-SA 3.0 de, via Wikimedia Commons

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Richard Loewe / 15.04.2024

man ist auf der sicheren Seite, wenn man Masalas Meinung umdreht. Ich finde es sehr schade, daß die Achse hier der Kriegstreiberei frönt. Daß Frau Ö. das erste Mal in ihrem Leben richtig liegt, wenn sie darauf hinweist, daß der iranische Raketenschauer eine Reaktion auf den unfaßlichen Verstoß Netanjahus gegen die Vienna Convention ist, kann leider nicht verneint werden. Netanjahu macht seit dem Terrorangriff alles, aber auch wirklich alles falsch, was geht. Und es scheint so zu sein, daß der Raketenangriff zwischen USA, den Iran und Israel abgestimmt wurde (siehe FT vom Samstag). Und es hätte keinen Angriff gegeben, wenn die USA im Sicherheitsrat den Angriff auf die iranische Botschaft verurteilt hätte.

Uwe Krahmer / 15.04.2024

@Sam Lowry. Da sind Sie wirklich nicht der einzige.

Rolf Mainz / 15.04.2024

Womöglich machen sich manche deutsche Politiker/innen auch nur ins Hemdchen, denn Deutschland verfügt nicht über einen “Iron Dome”, der vor Raketenangriffen aus den bekannt friedliebenden Re(li)gionen schützt…

Klaus Reitzig / 15.04.2024

Der Iran hat den Krieg angefangen.  Israel ist in Lebensgefahr. Ich würde Nuklearwaffen einsetzen gegen die Atomanlagen des Iran. Darüber gehören alle führenden Vertreter Teherans auf eine Tötungsliste.

Brigitte Miller / 15.04.2024

Ob man denn Israel gar nie für gar nichts kritisieren dürfe, wird hier gefragt. Ein paar Sätze aus einem Text von Markus Sommer im “Nebelspalter”, Titel “Schweiz stimmt gegen Israel. Eine Schande” : “Kurz, wenn es um Israel geht, stellt sich immer wieder sehr rasch ein anti-israelischer Konsens her – wie man das nie erlebt bei einem anderen Land. Warum wohl? Man kann das auch als antisemitisch bezeichnen. (...)Dabei scheint keine Organisation antisemitischer als die UNO, denn keine Organisation ist von einer groteskeren Obsession mit Israel befallen als die UNO. Der UNO-Menschenrechtsrat (in Genf) hat seit seinem Bestehen Israel 104-mal verurteilt, das ist öfter, als alle anderen Länder dieser Welt zusammen je gerügt worden sind Dabei sitzen in diesem Gremium so ausgewiesene Experten für Menschenrechte wie etwa Kuba, China, Eritrea oder Katar. Eine Auswahl der Doppelmoral: Iran: 7 kritische Resolutionen Nordkorea: 8 Syrien: 10 Myanmar: 7 Kuba: 0 Venezuela: 0” Oh ja, Israel w i r d kritisiert.

F.Lux / 15.04.2024

Der Ingo,hat ja nun schon einmal eine Torte in die F….e bekommen :-) Wie mir scheint ...zu Recht.

A. Iehsenhain / 15.04.2024

Öysguss, Totengröber und Zampanoni sind zusammen nicht nur nominell: “ÖTZEND”...

Burkhart Berthold / 15.04.2024

Da der eine oder andere hier gefragt hat, wann denn der iranisch-israelische Konflikt begonnen habe: mit der Machtergreifung Khomeinis. Zuvor hatten beide Länder vernünftige Beziehungen unterhalten; warum auch nicht, denn es gab zwischen beiden keine Interessensgegensätze. Auch heute gäbe es sie “eigentlich” nicht, hätte sich nicht die iranische Führung die fixe Idee zu eigen gemacht, Israel zerstören zu wollen. Wieviel davon religiöser Wahn ist und wieviel regionales Hegemonialstreben, wird unsereins nicht entscheiden können. Jedenfalls gibt es über diese iranischen Vernichtungswillen hinaus kein Problem zwischen beiden Staaten. Ansonsten hat Casula natürlich recht; abgesehen von seinem nun doch etwas übertriebenem Satz über den “Tod als Schulmeister aus D”. Wir haben keine finsteren Strategen, sondern bloß eine unfähige Außenministerin, die ein Höchstmaß an Ehrgeiz mit einem Mindestmaß an Kenntnissen verbindet: eine eher unglückliche Kombination. Man mag sich damit trösten, dass D keine Rolle in der Weltpolitik spielt.

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