Chaim Noll / 14.04.2024 / 17:02 / Foto: Tasnim News Agency / 48 / Seite ausdrucken

Das peinliche Desaster des Iran

Als wir unten im Bunker saßen, konnten wir nicht ahnen, wie erfolgreich unsere Luftabwehr sein würde. Für die auf Israels Vernichtung zielenden Fanatiker in Teheran war die letzte Nacht ein peinliches Desaster.

Gegen zwei Uhr Morgens weckt uns die Sirene. Sie hat wirklich einen unangenehmen, an den Nerven zerrenden Ton. Das Geheul der Schakale am Abend klang nett dagegen. Also schnell auf, das mobile Telephon gegriffen und hinab in den unterirdischen Raum unseres Hauses. Er ist nicht ganz vorschriftsmäßig, ohne Stahltür und eisernes Schiebefenster, die Kommission des Heimatschutz-Ministeriums würde ihn nicht durchgehen lassen. Aber er hat die verstärkten Wände, die doppelte Decke aus Stahlbeton, die ausreichen sollen, im Notfall die Trümmer unseres Hauses zu tragen und uns davor zu schützen, unter ihnen begraben zu werden.

Auf dem Weg ins Unterirdische sehe ich durch eins der großen Fenster im Erdgeschoss den Himmel voller leuchtender Punkte, die sich rasch bewegen, und denen andere leuchtende Punkte vom Boden aus entgegenkommen, gelegentlich treffen zwei aufeinander, dann gibt es ein größeres Aufleuchten, eine Art Explosion, und die beiden Punkte, die sich getroffen haben, erlöschen, verschwinden im Dunkel der Nacht. Dieses Spiel der Lichtpunkte hat durchaus etwas Unterhaltsames. Bleibe ich wirklich stehen, von meiner unheilbaren, infantilen Neugier ergriffen, und sehe ein paar Sekunden zu? Nach außen verkleide ich diese kindische Begierde in die Frage an meine Frau, ob ich nicht schnell, auf dem Weg in den Schutzraum, den Teekessel aufsetzen und uns, „falls es länger dauert“, ein heißes Getränk, sagen wir eine Tasse Kakao, zubereiten soll.

Meine Frau lehnt höflich ab. Sie ist bereits am Fuß der Treppe und mit ihrem Telefon beschäftigt, und da habe ich, wie ich aus leidvoller Erfahrung weiß, für die nächste halbe Stunde kaum Hoffnung auf ihre Aufmerksamkeit. Ich sorge noch dafür, dass sie bequem sitzt, indem ich ihr einen der beiden Schreibtischstühle zuschiebe, dann schalte ich den Computer ein und lese die E-Mails. Darunter diese von einem Leser aus Bayern: „Lieber Herr Noll, mit Bedauern stelle ich fest, keinen weiteren Artikel von Ihnen auf Achgut zu dem Krieg, den Israel gegen die Hamas kämpft, gefunden zu haben. Ihre Stimme hat mir stets die Möglichkeit gegeben, meine Sicht der Dinge in Richtung Antisemitismus und Israel einer Feinjustierung zu unterziehen.“

Für die auf Israels Vernichtung zielenden Fanatiker in Teheran war die letzte Nacht ein peinliches Desaster

Ja, vielleicht sollte ich wirklich mal wieder was für Achgut schreiben. Doch zuerst muss ich an die Veranstalter in Wien schreiben wegen der geplanten Veranstaltung im Mai, wobei mich der Gedanke streift, ich werde vielleicht gar nicht nach Wien kommen. Die Islamische Republik Iran hat Israel ernsthafte Vergeltung angekündigt. Fürs erste ist „der israelische Luftraum geschlossen“, wie wir gestern Abend aus einer Mitteilung des „Homefront Command“ der Armee erfahren haben. Wie uns später mitgeteilt wird, sollen es genau 331 Flugkörper gewesen sein, die das vom Iran aus Richtung Israel abgeschossen wurden: „Iran launched 185 drones, 36 cruise missiles and 110 surface-to-surface missiles as part of the unprecedented attack on Israel; besides the U.S, Britain and Jordan also helped Israel intercept the launches.“

Jordanien hat für das Eingreifen seiner Luftwaffe bereits eine Abmahnung aus Teheran erhalten: Sollte die Luftwaffe des arabischen Landes, das unliebsam im Weg liegt, weiterhin seinen und damit auch Israels Luftraum schützen, könnten sie „die nächsten“ sein. Aber es ist seltsam: Die Drohung hat im Verlauf der letzten Stunde viel von ihrem Schrecken verloren. Denn von den 331 auf Israel abgeschossenen Raketen, Drohnen und Marschflugkörpern sind nur 3 wirksam auf israelischem Gebiet eingeschlagen. Eine erreichte fast die Luftwaffenbasis in Nevatim, ganz bei uns in der Nähe, die man gern getroffen hätte. Amina al-Hassouni, ein Beduinenmädchen in einer der „wilden“, ungeschützten Siedlungen in der Wüste zwischen unserem Ort und Arad, wurde verletzt und musste in der Universitätsklinik in Beer Sheva operiert werden. Mehr Schaden haben die 331 Raketen, Drohnen und Marschflugkörper des gefürchteten iranischen Regimes nicht anrichten können.

Das kann man nicht erfolgreich nennen. Im Gegenteil: Für die auf Israels Vernichtung zielenden Fanatiker in Teheran war die letzte Nacht ein peinliches Desaster. Statt dessen haben sich die israelischen Abwehrsysteme grandios bewährt. In den Videos, die ich bisher gesehen habe, verblüfft die Sicherheit der israelischen Abwehrraketen, die tatsächlich so gut wie jedes ihrer Ziele präzise vom Himmel holten. Man glaubt fast nicht, dass es reales Geschehen ist, es wirkt wie ein Computerspiel. Auch das fabulöse System „Iron Beam“ soll erfolgreich zum Einsatz gekommen sein, das erste Raketenabwehrsystem der Welt, das alle Arten Geschosse mit Laserstrahlen abschießt. Diese Information wird von der Armee nicht bestätigt, sie kursiert in den sozialen Netzwerken und ist – wie alles dort – mit Vorsicht zu genießen. Auch eine weitere Nachricht: Bereits in den Morgenstunden soll eine Flut von Aufträgen und Anfragen aus aller Welt bei den israelischen Rüstungsfirmen eingegangen sein, die jene Abwehrsysteme herstellen. 

Eine eigene Raketen-Niederlassung in Indien

Diese Nachricht wirkt glaubhaft, wenn man von den enormen Auftragseingängen der letzten Monate weiß. Die Israel Aerospace Industries sind, wie ihr Vorstand kürzlich bekanntgab, mit Aufträgen aus dem Ausland überhäuft. Die Gewinne seien 2023 gegenüber dem Vorjahr um 49% gestiegen. „IAI employees“, schrieb die Zeitung Yediot Acheronot, „made great efforts to meet demands of Israel's security needs and no less to work for our customers abroad“. So sei die Nachfrage aus Indien dermaßen groß, dass die Israel Aerospace Industries dort eine eigene Niederlassung installieren müssen. Auch die Rafael Advanced Defense Systems melden Rekord-Verkäufe von 14 Milliarden Shekel (etwa 3,5 Milliarden Euro), einen Anstieg um 21% verglichen mit dem Vorjahr. The company's orders for the year totaled NIS 52 billion, up by 47% from the previous year, with 57% of the orders coming from international clients.“ Solche Gewinne sorgen dafür, dass die Einbußen, die Israels Wirtschaft an anderer Stelle durch den Krieg erleidet, mindestens ausgeglichen werden. Der Krieg wird Israel keinesfalls, wie die Strategen in Teheran und anderswo hoffen, wirtschaftlich ernsthaft schaden.

Wäre nicht die kleine Amina schwer verletzt worden, könnte man den Angriff heute Nacht fast für einen dummen Scherz halten: weil er so blamabel danebenging. Weil mit so viel Getöse, Hass-Rhetorik und böser Absicht, mit so viel technischem Aufwand und Material fast nichts erreicht wurde. Ich gestehe, dass ich einen Augenblick besorgt war, als ich den Himmel voll leuchtender Punkte sah – allesamt Raketen, Drohnen und Marschflugkörper in fraglos tödlicher Absicht. Als wir unten im Bunker saßen, konnten wir nicht ahnen, wie erfolgreich unsere Luftabwehr sein würde. Wir haben uns angewöhnt, nach dem Desaster vom siebenten Oktober nicht mehr so recht an unsere Siege zu glauben.

In Wahrheit hatten wir diesmal nichts zu fürchten. Meine Frau trug einen langen gelben Umhang und einen Halskragen aus weißem Kunstpelz, denn die Nächte sind hier in der Wüste immer noch kühl. Sie zeigte sich entschlossen, ihre Eleganz auch unter diesen Umständen zu bewahren. Sie war es auch, die auf ihrem Smartphone die Nachrichten las und mir das Nötige mitteilte. Mich hatte die Mahnung des Lesers aus Bayern beeindruckt, ich sollte mal wieder etwas für Achgut schreiben. Ich fing gleich im Luftschutzraum damit an. Bitte, hier bin ich wieder, noch am Leben, in bester Stimmung nach Israels Erfolg in dieser Nacht. 

Chaim Noll wurde 1954 unter dem Namen Hans Noll in Ostberlin geboren. Sein Vater war der Schrift­steller Dieter Noll. Er studierte Kunst und Kunstgeschichte in Ostberlin, bevor er Anfang der 1980er Jahre den Wehrdienst in der DDR verweigerte und 1983 nach Westberlin ausreiste, wo er vor allem als Journalist arbeitete. 1991 verließ er mit seiner Familie Deutschland und lebte in Rom. Seit 1995 lebt er in Israel, in der Wüste Negev. 1998 erhielt er die israeli­sche Staatsbür­gerschaft. Chaim Noll unterrichtet neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit an der Universität Be’er Sheva und reist regelmäßig zu Lesungen und Vorträgen nach Deutschland. Zuletzt erschien von ihm in der Achgut-Edition: Der Rufer aus der Wüste – Wie 16 Merkel-Jahre Deutschland ramponiert haben. Eine Ansage aus dem Exil in Israel.

Foto: Tasnim News Agency CC-BY 4.0 via Wikimedia Commons

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Hermann Göring (Klarname) / 14.04.2024

Ob das Desaster wirklich ein Desaster ist wird sich noch zeigen. Solche Drohnen- und Raketenangriffe werden auch als Test geführt um die tatsächlichen Abwehrstellungen des Gegners und dessen Abwehrkraft ausmachen zu können, um dann gezielter zuschlagen zu können. Und Übrigens, vielleicht sollte man sich auch Gedanken darüber machen, warum der Iran cruise-missile zum Einsatz bringen konnte. Wer hat dem Iran diese Marschflugkörper besorgt?

Holger Milde / 14.04.2024

GOTT ist mit Israel. und es werden auch immer mehr Verbündete, die diese Satanisten in Schach halten. L´ Chaim, lieber Herr Noll,  Glück & Segen Ihnen, ihrer Familie und allen in der IDF & Verbündeten

Thomin Weller / 14.04.2024

“Das peinliche Desaster des Iran” Was soll ich davon halten? Das der Iran keine Israelis getötet hat? Was ist das für ein geistiger Un-Logik?

S. Marek / 14.04.2024

Arabische Kommentare übersetzt auf MEMRI:  Saudische Schriftsteller: Dies war eine “Farce”, eine “Täuschung” und “ein Sturm im Wasserglas”  Der saudische Forscher und Sicherheitsberater Mohamad Al-Hadla, der auch Kolumnist der saudischen Tageszeitung Al-Jazirah ist, schrieb auf seinem X-Konto: “Die Show endete, als der Iran sagte, dass seine Reaktion vorbei sei, nach [dem Abschuss] dieser albernen Drohnen und Raketen, die Israel nie erreicht haben und nichts als eine im Voraus vereinbarte Farce waren, die darauf abzielte, die persische Ehre zu bewahren, die Israel jeden Tag mit Füßen tritt. Der [Iran] ist nicht in der Lage, [Israel] direkt zu konfrontieren, weil er viel zu feige ist, ohne eine [vorherige] Vereinbarung zwischen ihnen gegen Israel vorzugehen. Seine Macht existiert nur, um sie den Arabern vorzuführen…”  -  Der saudische Journalist Saleh Al-Fahid schrieb: “Die ‘geplante und vereinbarte’ Reaktion des Iran ist abgeschlossen. Israel hat begonnen, die Früchte dieses Angriffs zu ernten: Die USA scharen sich um Israel, mit militärischer und politischer Unterstützung für das Land und einem tiefen Engagement für seine Sicherheit. Dies geschieht, nachdem die US-Regierung und die europäischen Hauptstädte eine harte Linie gegenüber der israelischen Regierung eingenommen und gedroht haben, die Lieferung von Angriffswaffen einzustellen.”

P. Wedder / 14.04.2024

Zum Glück geht es Ihnen und Ihrer Familie gut und das Abwehrsystem hat fantastische Arbeit geleistet. Meine Familie und ich würden gerne helfen, es wäre schön, wenn Sie den Artikel diesbezüglich ergänzen könnten.

B. Ollo / 14.04.2024

@S. Buch: Ich kenne mich zwar nicht mit Raketen und Drohnen aus, gehe aber davon aus, dass es deutlich teurer ist, Raketen und Drohnen zielsicher über 1500 km weit zu schicken, als ankommende lokal abzufangen. Insofern wird das iranische Vergnügen sicher nicht billig(er) gewesen sein. Natürlich, trotzdem war es umsonst. Aber das ist bekanntlich nicht Dasselbe. Wenn der Iran jetzt wirksame Sanktionen und Blockaden erhält, kann er ja als nächstes versuchen, Russlands Wegen zu folgen beim Umgang mit Sanktionen. Dafür dürfte es allerdings an manchen Rohstoffen mangeln.

S. Marek / 14.04.2024

Auf MEMRI zulesen:  Ähnliche Kritik wurde von kuwaitischen Schriftstellern geäußert. Ahmad Al-Jarallah, Herausgeber der kuwaitischen Tageszeitung Al-Siyassa, schrieb auf X: “Alle Raketen und Drohnen des Irans und alle Raketen der Partei des Satans [d.h. der Hisbollah, was wörtlich ‘Partei Gottes’ bedeutet], die gefeiert und auf Israel abgefeuert wurden, wurden mit ihrem Wissen und dem Wissen der USA [abgefeuert], und sie landeten alle außerhalb des israelischen Territoriums, auf arabischem Boden… Eine Schande, die Raketen, die vom Iran und seinen Stellvertretern in den von ihm besetzten arabischen Hauptstädten abgefeuert wurden, haben nicht einmal einen Hühnerstall in Israel getroffen…”  -  Ahmad Al-Fifi, ein pensionierter hochrangiger Offizier des saudischen Militärs, schrieb: “Normalerweise liegt die Trefferquote bei Manövern mit scharfer Munition bei 5 % für Sachwerte und Menschen. Der gestrige Vernichtungskrieg, bei dem eine große Anzahl von Raketen und Drohnen eingesetzt wurde, war jedoch beispiellos. Die Verluste und Sachschäden lagen bei 0 % - [während] in Gaza ein Kind durch abgeworfene Hilfsgüter getötet wurde…” - Der saudische Schriftsteller Dr. Muhammad Al-Quaiz schrieb: “Die urkomische Antwort des Iran auf Israel ist nichts weiter als ein Feuerwerk, dessen [einzige] Opfer in Jordanien waren. Der Berg hat eine Maus zur Welt gebracht. Das hätte beunruhigend sein müssen, aber Netanjahu war überhaupt nicht beunruhigt…” In einem anderen Beitrag schrieb er: “Irans Rache, die Drohnen und Raketen einschloss… wie zwischen Iran, Amerika und Israel vereinbart, endete mit der Verletzung eines israelischen Mädchens und dem Tod von drei Jordaniern. Dieser Verrat hat mehrere Namen [unterschrieben], vor allem die der Widerstandsachse und ihrer Waffen im Irak, Syrien, Libanon und Jemen.”

RMPetersen / 14.04.2024

Die Regierung des Iran hat sicherlich nicht auf eine Vernichtung Israels gezielt; denn dann hätten sie andere Waffen genutzt als langsam fliegende Drohnen. Man wird nicht fehl in der Annahme gehen, daß sie mit ballistischen Raketen und Überschall-Luft-Boden-Raketen der israelischen Abwehr hätten Probleme bereiten können. Man muss davon ausgehen, daß in Teheran keine fanatischen Idioten sitzen, sondern kalkulierenden Politiker. Diese scheuen die Eskalation, und sehen sich andererseits dazu gedrängt, auf den israelischen Angriff auf das Botschaftsgelände und die Tötung ihres Generals zu reagieren. Das haben sie nun in einer Weise getan, die eindrucksvoll aussieht, aber den Schaden für Israel in engen Grenzen hält. Teherans stufenweise Reaktion ähnelt den russischen Reaktionen gegen die Ukraine: Nach der Beschädigung der Brücke wurde mit dem Beschuss der Energiesystems geantwortet. Nach Angriffen auf Ziele im russ. Kernland und Moskau wurden die Angriffe eskaliert etc. Wie es in Nahost weitergeht, liegt nun an der israelischen Reaktion. Da kein großer Schaden entstanden ist, wäre eine Eskalation abzuraten. Man sollte die Gaza-Sache schnell durchziehen und zu Ende bringen.

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