Nach acht Jahren, davon vier als Vorsitzende, ist Alena Buyx aus dem Deutschen Ethikrat ausgeschieden. Anlass, ihr Wirken in der Corona-Zeit noch einmal angemessen zu würdigen.
In einer Szene des Kultfilms Blues Brothers kniet Jake Blues vor seiner Ex, die er einst vorm Traualtar stehen ließ und die nun mit einer Maschinenpistole auf ihn zielt, und stammelt eine denkwürdige Entschuldigung: „Ich hatte kein Benzin mehr und ’n platten Reifen… Ich hatte nicht genug Geld für'n Taxi. Mein Smoking kam nicht aus der Reinigung. Ein alter Freund von auswärts kam zu Besuch… Jemand hat mein Auto geklaut. Da war ein Erdbeben. Eine schreckliche Flutwelle…“
Daran fühlt man sich erinnert, wenn Alena Buyx, vier Jahre lang Vorsitzende des Ethikrats, in der Frankfurter Rundschau Gründe dafür anführt, warum uns in Bezug auf die Aufarbeitung der Corona-Zeit der „Raum der ruhigen Rückschau ein Stück weit genommen“ worden sei: „Es gab Krieg und die Energiekrise und die Angst davor, dass es alles hier dunkel und kalt wird, dann die Inflation…“ Und dann ein Erdbeben und eine schreckliche Flutwelle. Zum Glück hat die Gnade der rechtzeitigen Berufung an die Spitze des Ethikrates gleich nach Beginn der „Pandemie“-Hysterie auch zur Folge gehabt, dass Alena Buyx nun zum Monatsende nach acht Jahren aus diesem ausgeschieden ist – gerade noch rechtzeitig, bevor die Aufarbeitung ernsthaft losgeht.
Alena Buyx, Doktorin der Medizin, Medizinethikerin und Hochschullehrerin, war in den Corona-Jahren medial omnipräsent: Ihre Schwerpunkte lagen auf Medizinethik, Forschungsethik und Public Health-Ethik, sie war die Chefin, hatte kein Radiogesicht und konnte ohne Ende reden, gestikulieren und grimassieren. Ruft man ein Video mit ihr auf und stellt den Ton ab, reicht das bereits, um sich abgeschreckt zu fühlen. Vor allem beim staatsnahen Fernsehen sah man das offenbar anders: Während Politik, Medien und willfährige Wissenschaftler 24/7 den fear porn aufspielten, ließ man Buyx die ihr zugedachte Rolle spielen, die sie über drei Jahre durchzog: die von der Regierung bzw. der „MPK“ mit Merkel verhängten „Schutzmaßnahmen“ pseudovernünftig einzuordnen und letztlich jeder einzelnen ihren Segen zu geben.
Von den Kritikern kam nur Quatsch, Schwachsinn und Kokolores
Heute spricht sie von einer „Infodemie“, furchtbar viel „Fakenews“ seien verbreitet worden, ganz totaler Quatsch, „Schwachsinn“, sie habe von Kritikern der mRNA-Impfung „Pamphlete“, erhalten, die auf den ersten Blick sogar wie wissenschaftliche Paper aussähen, „aber gehen Sie da mal rein, es ist alles totaler Kokolores.“ Sie selbst verbreitete schon damals falsche Informationen wie etwa diese im „Frühstart“ bei n-tv: „Die Situation ist bedrohlich. Es wäre schön gewesen, wenn wir mit 3G weitergekommen wären, aber es droht schon wieder eine Überlastung der Krankenhäuser.“ Oder diese: „Ungeimpfte tragen das Virus häufiger und länger weiter. Vor allem haben sie eine höhere Wahrscheinlichkeit für einen schweren Verlauf – da muss man reagieren.“
Sie behauptete, Impfen sei „keine Privatsache“, und schwurbelte über die Gentherapie: „Hinzu kommt noch, dass diese mRNA-Impfstoffe – das ist ja so ein elegantes Verfahren, die zerfallen, dann werden die abgebaut, dann sind die weg, die kann man nach zwei Wochen überhaupt nicht mehr nachweisen.“ Dabei ist nachgewiesen, dass die mRNA auch nach zwei Jahren außerhalb der DNA vorhanden und noch mit Spikeproduktion im Körper befasst ist. Dass die Nanolipide und die mRNA nicht an der Injektionsstelle verbleiben, war der EMA schon Anfang 2021 bei Einreichung der Zulassungsunterlagen für Comirnaty bekannt.
„Ein Test ist kein individueller Schutz, eine Impfung schon, damals sowohl vor Ansteckung als auch vor schwerer Erkrankung“, sagte sie der Zeit. Auf die Frage, ob es eine moralische Pflicht gebe, sich impfen zu lassen, antwortete sie mit ja: „Jede Dosis muss in einen Arm.“ Statt Drohungen setzte sie manchmal auf niedrige, kleine, positive Anreize: „kleiner Einkaufsgutschein, Donut“. 2G hielt sie nicht für eine Impfpflicht durch die Hintertür: „Eine Pflicht ist etwas, dem man sich nicht entziehen kann.“ Es werde nur „Druck aufgebaut, um es attraktiver zu machen, sich und andere zu schützen“. Aus ethischer Sicht sei aber das 3G-Modell, also geimpft, genesen oder getestet, besser.
„Leider hat mich die blöde Seuche erwischt“
Grundsätzlich infrage stellte Frau Buyx nichts, weder die Behauptung der Gefährlichkeit des Virus noch die offizielle Darstellung der Impfstoffe als wirksam und sicher, oder die Lockdowns. Lediglich völlig übergeschnappte Forderungen, die nicht von Merkel oder Spahn aufgestellt wurden, wies sie gelegentlich zurück, etwa die nach einer Triage (Priorisierung von Patienten, wenn nicht genügend Ressourcen zur gleichzeitigen Behandlung zur Verfügung stehen) für Ungeimpfte, und einen Impfzwang beziehungsweise eine Zwangsimpfung, die mit Gewalt durchgesetzt wird, schloss sie aus. Den Gruppenzwang jedoch nicht: „Verhalten ist ansteckend. Wenn sich der Nachbar oder Freund impfen lässt, machen andere eher mit.“
Unter Buyx‘ Vorsitz hatte der Ethikrat sich noch im Februar 2021 gegen eine allgemeine Impfpflicht ausgesprochen, fiel dann aber gegen Jahresende, wenige Tage nach der beschlossenen Impfpflicht für Angestellte im Gesundheitswesen, um: Mit einer Erklärung, die von 20 der 24 Mitglieder verabschiedet wurde, kam der Ethikrat zu dem gewünschten Ergebnis, dass eine Impfpflicht als Schutz vor den möglicherweise gravierenden Folgen künftiger Pandemiewellen gerechtfertigt sei. Fun Fact: Auf explizite Nachfrage hatte Alena Buyx einmal von ihrer bevorstehenden fünften Corona-Impfung erzählt, sagte dann aber im Februar 2023 eine Rede in Dresden ab: „Leider hat mich die blöde Seuche erwischt und ordentlich umgehauen“. Dank ihrer fünf Impfungen hat sie’s aber überlebt.
In der Talkshow von Markus Lanz meinte Buyx am 2. November 2021, zur Erhöhung des Impfschutzes müsse „aus unterschiedlichen Rohren geschossen werden“, und es gebe eine moralische Verpflichtung zur Impfung: „Das, was man jetzt machen muss, ist, dass man schrittweise schaut, dass man es so grundrechtsschonend wie möglich hinkriegt, aber dennoch genug Maßnahmen einführt. Und da muss man die sozusagen schrittweise hocheskalieren“.
Eine dilettantische Politik moralistisch legitimiert
Da muss man schon fragen, was das noch mit Ethik zu tun hat. Dr. Gunter Frank schrieb an dieser Stelle: „Mir ist in den letzten zwei Jahren kein Statement des Ethikrates erinnerlich, demzufolge es beispielsweise ethisch wäre, auch kritische Stimmen anzuhören, anstatt sie öffentlich an den Pranger zu stellen. (…) Oder dass es ethisch wäre, eine Impfung, die in einem noch nie dagewesenen Experiment vollkommen unzureichend geprüft auf die Bevölkerung mit maximalem Druck losgelassen wird, vorher erst mal gründlich zu testen.“ Der Ethikrat, dem Buyx vier Jahre vorstand, habe sich „als Trittbrettfahrer des woken Zeitgeistes“ „am Bockmist des Jahrhunderts“ beteiligt, um „eine dilettantische Politik moralistisch zu legitimieren“.
Zuletzt räumte Buyx zwar ein, dass es hier und da wohl auch falsche Einschätzungen gegeben habe, etwa Kinder und Jugendliche zu sehr in ihren Rechten beschnitten zu haben, wollte von Schuld aber nichts wissen. Dazu hatte Felix Perrefort damals Folgendes zu sagen:
„Die Vorsitzende des Ethikrats, Alena Buyx, will A sagen und B weglassen. Die enormen Belastungen („Vereinsamung“, „Isolation und Angst“) beschreibt sie detailliert als Folgen der Corona-Politik, an der jedoch niemand schuld gewesen sein soll. Schuld setze nämlich voraus, so die Chef-Ethikerin auf Nachfrage, man hätte den jungen Menschen schaden wollen. Es ist makaber und eine Beleidigung für den Intellekt: als würden Rechtsstaaten gute Absichten als Grund für Schuldlosigkeit kennen. In welcher Ethik ist man eigentlich aus dem Schneider, wenn man nur nichts Böses wollte?“ Und weiter:
„Es geht jedoch nicht darum, die Kinder zu betreuen, nachdem man sie in den Brunnen fallen ließ, sondern dafür Sorge zu tragen, dass dies gar nicht erst passiert. Das tut man, indem man ihre Grund- und Freiheitsrechte respektiert. Es kann unmöglich verhältnismäßig sein, diese Rechte für die vermeintliche Bekämpfung eines Virus zu opfern, das sie nie gefährdete. Und das auch noch über eine immens lange Zeit, während man stets andere Länder (etwa Schweden) als Gegenbeispiele hatte, in denen Kinder weitestgehend in Ruhe gelassen wurden. (…) Zur Erinnerung, was Mitglieder des Ethikrates alles vertraten: Man war für die Impfpflicht, die auch für Schüler „grundsätzlich denkbar“ sei. Die Spaltung der Gesellschaft sei nicht ersichtlich, denn Ungeimpfte würden sich selbst ausgrenzen. Buyx war für „flächendeckend 2G“ und empfahl vor einem Jahr der Politik, die Maßnahmen hochzueskalieren. „Impfgegner“ sollten schon mal auf „Beatmung verzichten“. Schrecklicher Verdacht: All das könnte für junge Menschen belastend gewesen sein!“
Geehrt für den „Einsatz für den gesellschaftlichen Zusammenhalt“
Heute hält Buyx eine Aufarbeitung grundsätzlich zwar für wichtig („Ich bin rumgerannt und habe gesagt, wir müssen aufarbeiten, lernen, heilen“), allerdings müsste eine derartige Aufarbeitung „wirklich gut gestaltet sein“ – also am besten nicht so, dass Kritiker im Nachhinein rehabilitiert werden könnten. Sie sehe nämlich „ein tiefes Bedürfnis danach, Schuldige zu suchen“ und „natürlich auch zu sagen: Ihr Politikerinnen und Politiker!“ Und nicht nur die: „Und im Übrigen, Sie wären da ja nicht außen vor, das wissen Sie ganz genau“, sagte Buyx in Richtung der Pressevertreter. „Also das würde ja die Medienschaffenden ganz genauso betreffen, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und was weiß ich nicht alles…“ Sie habe die Sorge, dass Zweifel gesät werden soll „an diesen demokratischen Institutionen, an der Politik insgesamt. Es war alles falsch, war alles böse. Sie haben alle falsch berichtet, Sie hatten alle den Maulkorb, das war gleichgeschaltet.“
Dafür, dass sie den ethischen Kosher-Stempel auf die Corona-Maßnahmen drückte und in erster Reihe mithalf, Kritiker und Impfskeptiker zu diffamieren und zu diskreditieren, ist Alena Buyx 2021 mit dem Deutschen Nationalpreis geehrt worden, oder wie es offiziell hieß: „für ihren Einsatz für den gesellschaftlichen Zusammenhalt während der Coronakrise“. Im Sommer 2023 erhielt sie noch den Bayerischen Verdienstorden aus der Hand von Ministerpräsident Markus Söder, der jetzt eigentlich noch vom Ethikrat lobend erwähnt gehört. Der „Heilungsprozess“, den Buyx nun offenbar trotz ihres heroischen Einsatzes für den gesellschaftlichen Zusammenhalt für notwendig hält, wird jetzt wohl eher ohne sie stattfinden müssen. Dabei hätte sie so viel Positives dazu beitragen können, denn, wie sie dem Deutschlandfunk verriet:
„Die angstbesetzen Botschaften, das machen die anderen, und zwar sehr erfolgreich. Da muss man sich klarmachen, wir müssen das andere machen, wir müssen das Zusammenhaltende, das Stärkende, das Schützende, das Positive, das Zuversichtliche, das Mutige, ja, vielleicht auch mal das Witzige, also einfach die vielen positiven Emotionen, die man dann ja auch aktivieren kann, das müssen wir, glaube ich, ein bisschen mehr bedienen.“
Ängste zu verbreiten, wie die bösen „Populisten“ es tun, ist natürlich Alena Buyx‘ Sache nicht, auch wenn sie in den Corona-Jahren behauptete, es sei „um Leben und Tod“ gegangen, und aus Solidarität habe der Einzelne nun mal jede Zumutung hinzunehmen, die man sich an höherer Stelle ausdachte.
Irgendwie hat man trotzdem das Gefühlt: Man wird sie nicht vermissen.
Claudio Casula arbeitet als Autor, Redakteur und Lektor bei der Achse des Guten.