Dirk Maxeiner / 17.02.2019 / 06:27 / Foto: Ralf Roletschek / 45 / Seite ausdrucken

Der Sonntagsfahrer: Inkompetenz leben!

Ich habe hier ja schon öfter mal erwähnt, dass ich nicht weit vom Nürburgring aufgewachsen bin. Und dieser Umstand bringt die Jungmänner aus der Gegend sehr oft auf die Idee, dass sie gewissermaßen geborene Rennfahrer sind. Ich persönlich hielt mich für eine Mischung aus Jim Clark und Walter Röhrl. Mindestens. Gar nicht so selten werden solche optimistischen Selbsteinschätzungen unsanft von einem der in der Eifel zahlreich vorhandenen Bäume gedämpft. 

Ich selbst hatte mehr Glück, denn eine Empfehlung brachte mich mit dem finnischen Rallyefahrer Rauno Aaltonen zusammen. Weil Aaltonen besser fahren als schreiben und ich besser schreiben als fahren konnte, traf ich ihn als junger Journalist am Nürburgring, um das Ghostwriting für sein Buch „Revolution am Steuer – die neue Fahrtechnik“ zu besprechen. Das Konzept sprach mich sofort an, es handelte sich um ein als Sicherheitsfibel getarntes Raser-Handbuch. Und gut bezahlt war es auch.

Zur Einstimmung in Theorie und Praxis schlug der Finne ein paar Erläuterungs-Runden auf dem Nürburgring vor. Es war ein Wintermorgen, und auf der Fahrbahn lag dick Neuschnee. Ich hatte einen Leihwagen mitgebracht, einen Mercedes 200 „Strich 8“. Das war schon damals kein Rennwagen, sondern eine Schlaftablette. Wir bestiegen die lethargische Familiensänfte und machten uns auf den Weg. Auf der Start und Ziel-Geraden überholten uns eine Reihe richtige Rallyeautos, die „Sportfahrer“ am Volant scheuchten uns indigniert zur Seite und spritzten Schnee auf unsere Frontscheibe. 

Wie ein Zweimaster auf eine Monsterwelle

Doch dann ging es steil hinab in die tiefe Schlucht der Hatzenbach. Der Mercedes wankte die abschüssige Strecke hinunter wie ein Zweimaster eine Monsterwelle. Die gefühlten Profis tauchten rasch wieder vor uns auf, weil sie in dem Kurvengeschlängel bremsten, wir aber nicht. Im Gegenteil, mein fliegender Finne schaltete in den vierten Gang hinauf. Die zweite Liga flüchtete hektisch an den Straßenrand, in der festen Überzeugung, dass mein Chauffeur jegliche Kontrolle über das Fahrzeug verloren hatte. Das war aber nicht der Fall. Als die Herrschaften bemerkten, dass der Fahrer genau wusste, was er tat, schämten sie sich in Grund und Boden, so als seien sie gerade von einer Klopapierrolle überholt worden.

Die alte Nordschleife ist gut 22 Kilometer lang, mir war aber schon nach fünf Minuten klar: Lieber Dirk, nein, Du kannst nicht Autofahren, das hast Du nur geträumt. Autofahren kann der Typ da neben Dir am Steuer, Du kannst allenfalls dilettieren. Seitdem gehe und fahre ich etwas demütiger durchs Leben. Man kann mit der Einschätzung seiner Fähigkeiten eben nicht vorsichtig genug sein. 

Und damit sind wir beim „Dunning-Kruger-Effekt“. So wird die systematische fehlerhafte Neigung relativ inkompetenter Menschen bezeichnet, das eigene Wissen und Können zu überschätzen und die Kompetenz anderer zu unterschätzen. Der populärwissenschaftliche Begriff geht auf eine Publikation von David Dunning und Justin Kruger zurück. Dunning und Kruger hatten in Studien bemerkt, dass etwa beim Erfassen von Texten, beim Schachspielen oder Autofahren Unwissenheit oft zu mehr Selbstvertrauen führt als Wissen. 

Sie erforschten den Effekt weiter und und kamen zum Resultat, dass weniger kompetente Personen 

  • dazu neigen, ihre eigenen Fähigkeiten zu überschätzen;
  • überlegene Fähigkeiten bei anderen nicht erkennen;
  • das Ausmaß ihrer Inkompetenz nicht zu erkennen vermögen;
  • durch Bildung oder Übung nicht nur ihre Kompetenz steigern, sondern auch lernen können, sich und andere besser einzuschätzen.

Dunning und Kruger zeigten, dass schwache Leistungen mit größerer Selbstüberschätzung einhergehen als stärkere Leistungen. Darauf machte mich jüngst ein Achse-Leser, Karl-Heinz Dehner, aufmerksam und lieferte mir auch ein aktuelles Beispiel dazu:

Selbstsicher unterbelichtet 

Nordamerikanische Forscher befragten rund 2.500 Europäer und US-Bürger nach ihrer Haltung zu genetisch veränderten Organismen. Für ihre Studie im Fachblatt „Nature Human Behaviour" erhoben die Psychologen und Marketing-Forscher im ersten Schritt, für wie gut die Testpersonen ihre eigenen Kenntnisse in dem Fachbereich einschätzten. Im zweiten Teil erhoben die Forscher dann anhand von Wissensfragen aus dem Bereich Genetik, wie gut die Befragten tatsächlich Bescheid wussten.

Obwohl unter Wissenschaftlern weitgehende Einigkeit herrscht, dass gentechnisch veränderte Lebensmittel für den menschlichen Verzehr sicher sind und im Prinzip sogar das Potenzial hätten, gesundheitliche Vorteile zu bieten, lehnten mehr als 90 Prozent der Befragten gentechnisch veränderte Lebensmittel ab.

Das war aber nicht das wichtigste Ergebnis der Studie. Das bestand vielmehr in einem paradoxen Zusammenhang, den die Studienautoren entdeckten: Jene Befragten, die sich besonders entschieden gegen gentechnisch veränderte Lebensmittel aussprachen, gaben an, sehr viel über das Thema zu wissen. Zugleich schnitten sie bei den Wissenstests zu Genetik im Speziellen und Wissenschaft ganz allgemein am schlechtesten ab – der Dunning-Kruger-Effekt, wie er im Lehrbuch steht.

Und damit sind wir mitten in politischen Sphären. Deutschland hat den Dunning-Kruger-Effekt nämlich zum Prinzip politischer Entscheidungen gemacht. Hier das Grußwort von Peter Altmaier. Ansonsten genügt der Blick auf die von Angela Merkel & Friends inflationsartig eingerichteten Kommissionen, darunter seinerzeit die "Ethikkommission für eine sichere Energieversorgung", aktuell etwa die sogenannte „Kohlekommission“. Offiziell heißt sie „Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“. Das Wall Street Journal schrieb zu den Ergebnissen ihres Wirkens: „Die weltweit dümmste Energiepolitik“.

Viele der Komissions-Mitglieder sind stramm überzeugt, besonders von sich selbst, haben aber ansonsten keine Ahnung von Tuten und Blasen, geschweige denn von Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung. Auch die politischen Kommentare zu deren Vorschlägen oder die Einlassungen beispielsweise des grünen Spitzenpersonals zu Energiepolitik weisen in die Dunning-Kruger-Republik. Die beiden Forscher formulierten das so: „Wenn jemand inkompetent ist, dann kann er nicht wissen, dass er inkompetent ist“. Damit sind sie ganz bei Dieter Bohlen, der einmal sagte: „Mach einem Bekloppten mal klar, dass er bekloppt ist.“

Von Dirk Maxeiner ist soeben in der Achgut-Edition erschienen: „Hilfe, mein Hund überholt mich rechts. Bekenntnisse eines Sonntagsfahrers.“ Ideal für Schwarze, Weiße, Rote, Grüne, Gelbe, Blaue, sämtliche Geschlechtsidentitäten sowie Hundebesitzer und Katzenliebhaber, als Zündkerze für jeden Anlass(er) Portofrei zu beziehen hier.

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Leserpost

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HaJo Wolf / 17.02.2019

Ahnung haben die, die uns mit ihrer Herrschaft in Berlin und Brüssel terrorisieren nur von einem: wie man seine Taschen möglichst anstrengungsfrei und dauerhaft füllt. Natürlich auf Kosten der Steuerzahler. Faktisch sind es allesamt Verbrecher, die mit ihrer zerstörerischen Politik das mühsam angesparte Vermögen und die Altervorsorge einer ganzen Generation vernichten. Und die mit ihrer “Einwaderungspolitik” eine über tausend Jahre alte Kultur der Vernichtung durch eine archaisch-brutal-kriminelle Ideologie begümnstigen. Vorsätzlich, wissentlich - kriminell.

Helmut Steinig / 17.02.2019

Die Erkenntnis unseres großen Philosophen Dieter ist natürlich ohne Einschränkung zutreffend. Nur- er hat kraft seiner Kompetenz die Möglichkeit, den Nichtkönnern (teilweise mit etwas deftigen Worten:” Du klingst wie ein Schaaf, das an einen Weidezaun gepinkelt hat”) ihre Unfähigkeit zu verdeutlichen und sie darauf hinzuweisen, daß andere Tätigkeiten als Show und Gesang geeigneter für den Lebensweg sind. Erstaunlicherweise haben es aber viele Darsteller auf unserer Politbühne geschafft, selbst Jury zu sein und - wenn sie an den Zaun pinkeln und entsprechend jaulen- dieses einem Großteil der Zuschauer als schönsten Wohlklang zu verkaufen und, was besonders bemerkenswert ist, sich von denjenigen bezahlen zu lassen, die die Mißtöne erkennen und beschreiben und auf die katastrophalen Folgen verweisen.

Karl Dreher / 17.02.2019

Als weitere überzeugende Beispiele für dieses Phänomen fallen mir sofort ein: 1. Fußballwelt- und Europameisterschaften - während dieser Turniere gibt es geschätzt 75 Mio. Fußballehrer, die in Bezug auf die Deutsche Nationalmannschaft, den Kader, die jeweilige Aufstellung etc. alles besser wissen (mich eingeschlossen) 2. Schul- und Bildungspolitik und die vielen vielen Reformen - auch hier wissen viele alles besser (hier zähle ich mich selbst nicht dazu). Wieder ein herrlicher Sonntagsfahrer-Beitrag! Was wäre der Sonntag ohne diese Rubrik?

Bernhard Krug-Fischer / 17.02.2019

Lieber Herr Maxeiner, wie jeden Sonntag ein herrlicher Beitrag. In diesem Zusammenhang möchte ich ein Zitat von Einstein erwähnen:  “Wenn die Menschen nur über das sprächen, was sie begreifen, dann würde es sehr still auf der Welt sein.”

Joachim Lucas / 17.02.2019

Wenn Inkompetenz, Selbstüberschätzung und Fleiß zusammenkommen, dann kommt es zu Dingen wie der im Schweinsgalopp forcierten deutschen Energiepolitik mit Totalschaden ( + alle anderen Inkompetenzfelder in der deutschen Politik; siehe auch Peter-Prinzip). Was wir hier an katastrophaler Politik treiben, erinnert an die Politik vieler afrikanischen Bananen-Staaten. Nur wir können uns das offensichtlich länger leisten.

Stefan Lanz / 17.02.2019

Der erste Teil des Artikels spricht mir aus der Seele. Ein ganzes Berufsleben (Auto) und ein ganzes Privatleben (Motorrad) mit Fahrtrainings versorgt, triffst du immer wieder auf die lauten, jägerlateinerzählenden Fahrtrainer, die dann irgendwann und ganz zuverlässig ziemlich ungehalten werden, wenn du besser fährst als sie selber. Dann triffst du auf die unscheinbaren Instruktoren. Die reden nicht viel, sehen oftmals sehr unscheinbar aus und machen dann diese Dinge. Diese Dinge, von denen du nur träumst und die diesen mit einer Leichtigkeit von der Hand gehen, die einen schwindlig werden lassen. “Wie macht er das bloss” ist die Frage, die einem dann auch noch zuhause auf der Couch das Gehirn malträtiert. Mein Freund und Kollege, der ebenfalls von allem begeistert ist, was sich ohne eigene Muskelkraft (schnell) fahren lässt, hat das nach einem Supermoto-Training so zusammengefasst: “Gegen den san mir zwoa bloß Schoasriecha!” Der Herr Maxeiner versteht diesen bayerischen Ausdruck bestimmt ;-) Übertragen auf die Lebenswirklichkeit, lässt sich für mich der Dunning Kruger Effekt in 99% der Fälle (egal in welchem Bereich) folgendermaßen darstellen: Kommt man irgendwo hin oder befindet man sich in einem Raum, in dem sich mehrere Menschen befinden, dann orientiert man sich immer an der Lautstärke, zu der Person hin, die am lautesten mit anderen “spricht”, meistens in egozentrierter monologisierter Form. Das ist (ausser bei Festreden) in der Regel die oder der Dümmste im Raum, auf die oder den Dunning und Kruger sehr sehr sehr stolz wären… Ganz sicher und leicht selbst auszuprobieren - versprochen! In diesem Sinne einen schönen Sonntag noch!  

Belo Zibé / 17.02.2019

Unklar bleibt der Hintergrund und die Motivation der nordamerikanischen Forscher. Ich möchte keinesfalls eine Lanze für die aufgeführten Beispiele des Dunning-Kruger-Effekts im politischen Deutschland brechen, aber wie man am Beispiel der Diskussion um die Stickoxide feststellen kann, ist es nicht auszuschliessen, dass auch Forscher innerhalb existentieller, ideologischer oder wirtschaftlicher   Rahmenbedingungen argumentieren können. Muss ich über ein Wissen über Genetik verfügen, um gewisse Aspekte in Frage stellen zu dürfen?  Oder eben frei nach K.Kraus: Muss ich zwingend ein Huhn sein, um zu wissen, wann ein Ei faul ist?

M. Bichlmair / 17.02.2019

Kuriosum Kliawandel: der umgekehrte Dunning-Kruger Effekt. So ist bei Spektrum.de über die amerikanischen Studie zu lesen: “Mit ähnlichem Studiendesign hatten die Wissenschaftler auch das Wissen und die Einstellungen zum Klimawandel befragt. Hier kam genau das Gegenteil heraus: Auch so genannte Klimawandelskeptiker waren sehr gut informiert, zogen aber aus diesem Wissen andere Schlüsse. Hier hänge es eher mit politischen Einstellungen zusammen, ob man Klimaschutz befürworte oder ablehne, folgern Fernbach und Co.”

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