Am 29. März wird das Landgericht Karlsruhe über einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung verhandeln, die Achgut wegen unlauteren Wettbewerbs gegen NewsGuard beantragt hat. Im NewsGuard-Beirat sitzen Leute wie Ex-NSA- und CIA-Direktor Michael Hayden (Foto). Hier ein dreiteiliger Report über den Wächterrat des Nachrichtenwesens, der jetzt auch in USA unter öffentlichen Druck gerät.
NewsGuard, für die, die es nicht wissen, ist eine private, kommerzielle Agentur zur Zensur von Meinungen im Internet. NewsGuard hat ein Browser-Plugin entwickelt, das vor angeblich „unglaubwürdigen“ Websites warnt. Weil die Meinungen von Achgut-Autoren nicht denen der NewsGuard-Redakteurinnen entsprechen, bezichtigt NewsGuard Achgut der Verbreitung von „Falschinformationen“. Mit der politischen Einstellung hat das alles angeblich nichts zu tun. NewsGuard nimmt für sich in Anspruch, nach „apolitischen“ Kriterien zu urteilen. Der vorgebliche Zweck: Firmen ein angenehmes Werbeumfeld ohne vermeintliche „Falschinformationen“ zu bieten. NewsGuard schreibt über sich selbst:
„Marken können die Daten von NewsGuard nutzen, um benutzerdefinierte Einschluss- oder Ausschlusslisten für Nachrichten zu erstellen, die auf ihren Standards basieren. Werbetreibende können die mehr als 30 Daten- und Metadatenpunkte von NewsGuard nutzen, um Filter für verschiedene Inhaltskategorien zu erstellen, wie z. B. Fehlinformationen zum Thema Gesundheit, Anti-Impfstoff-Hoaxes, politische Verschwörungstheorien und andere markenunsichere oder markenuntaugliche Inhalte.“
Die meisten Vorwürfe von NewsGuard gegen Achgut betrafen das Thema Corona. Ausgerechnet auf diesem komplexen Gebiet glauben die NewsGuard-Redakteurinnen, im Besitz vollständiger Wahrheit zu sein: Was nicht den jeweils gerade gängigen Ansichten entspricht, wird als „falsch“ bezeichnet.
Tyrannei trifft dabei auf Hochstapelei. Wie Achgut im November 2021 berichtete, ernennt sich der vielleicht größte Bock zum Gärtner. Louis Gordon Crovitz, der Mitbegründer und Co-Chef von NewsGuard, war vor der Unternehmensgründung ein Journalist, der 2012 die Käpt'n-Blaubär-Geschichte in die Welt setzte, wonach der Kopiermaschinenhersteller Xerox das Internet erfunden habe. Xerox selbst widersprach, doch die Zeitungsente steht auch elf Jahre später noch auf der Website des Wall Street Journal.
Fragwürdige Investoren
Ein anderer heftig kritisierter Artikel von Crovitz – der einen Hinweis darauf gibt, mit wem NewsGuard verbunden ist – betraf den Skandal um den US-Geheimdienst NSA. Die NSA hatte weltweit, auch in verbündeten Staaten, anlasslos Daten ausspioniert, u.a. über zehn Jahre hinweg das Mobiltelefon der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel. Crovitz aber behauptete im November 2013 in einem Artikel im Wall Street Journal, es sei erwiesen, dass die NSA sich keinerlei Übertretungen vorwerfen lassen müsse, sondern sich im Gegenteil wie „besessen“ an die ihr vom Gesetzgeber auferlegten Beschränkungen gehalten habe.
Dies steht in Widerspruch zu einschlägigen Gerichtsakten. Der United States Foreign Intelligence Surveillance Court – das Gericht, das die Arbeit der Geheimdienste überwacht – kam zu dem Ergebnis, dass die NSA „systematisch übertriebene Sammlung“ (systemic overcollection) von Daten betrieben habe und sich „lang anhaltende und allgegenwärtige Verstöße gegen die früheren Anordnungen in dieser Angelegenheit“ habe zuschulden kommen lassen. Das Gericht sprach von einem „häufigen Versäumnis der Regierung, die Bedingungen des [Überwachungsprogramms] einzuhalten“ und ihre „anscheinend weit verbreitete Missachtung“ der vom Gericht auferlegten Beschränkungen. Crovitz aber behauptete 2013 unverdrossen im Wall Street Journal:
„[Die Dokumente] zeigen eine Agentur, die unter den wachsamen Augen von Hunderten von Anwälten und Compliance-Beauftragten handelt.“
So einer ist Crovitz, Gründer und Chef von NewsGuard. Dessen ungeachtet schreibt NewsGuard, seine Truppe von Journalisten werde „von einigen der renommiertesten Redakteure“ überwacht. Zum Management von NewsGuard gehören auch Jimmy Wales, der Mitgründer von Wikipedia, sowie General Michael Hayden (oben im Bild), ehemaliger Direktor der Geheimdienste CIA und, na klar: NSA. Hayden war einer vom 50 ehemaligen Geheimdienstmitarbeitern, die im Oktober 2020 – kurz vor der US-Präsidentschaftswahl – verlangten, dass die Hunter-Biden-Laptop-Story unterdrückt werden müsse, da sie „die klassischen Anzeichen einer russischen Informationsoperation“ habe (man beachte, dass tatsächlich von einer „Informationsoperation“ die Rede war, nicht etwa von einer „Desinformationsoperation“).
Es ging um Informationen über die Geschäfte des amerikanischen Präsidentensohns in der Ukraine, die auf einem Laptop gefunden worden waren, den Hunter Biden in einem Computerladen vergessen hatte. Mittlerweile mussten diejenigen, die die Nachricht offensichtlich aus politischen Beweggründen unterdrückt hatten (um zu verhindern, dass die amerikanischen Wähler davon erfahren), darunter Twitter, zugeben, dass die Story wahr ist.
Drittgrößter Investor von NewsGuard ist die weltgrößte Werbeagentur Publicis. Sie ist im US-Bundesstaat Massachusetts angeklagt, wissentlich über ein Jahrzehnt lang Patienten und Ärzte getäuscht, die Risiken des gefährlichen Opioids OxyContin absichtlich verschleiert und sich an einer kriminellen Verschwörung mit dem Unternehmen Practice Fusion beteiligt zu haben, mit dem Ziel, Ärzte dazu zu bewegen, ihren Patienten in immer größerer Zahl und in immer höherer Dosis OxyContin zu verschreiben, um des Profits willen. In der Anklageschrift heißt es:
„Wegen der Pläne von Publicis haben zu viele Kinder in Massachusetts ihre Eltern durch eine Überdosis verloren. Zu viele Eltern in Massachusetts haben ihre Kinder begraben. Zu viele Großeltern in Massachusetts ziehen ihre Enkel groß. Patienten, die eine Opioidgebrauchsstörung überleben, brauchen langwierige, schwierige und teure Behandlung. Menschen, die von Opioiden abhängig sind, sind oft arbeitsunfähig. Die Sucht von Eltern kann deren Kinder in eine Pflegefamilie zwingen. Babys werden süchtig nach Opioiden geboren, weil sie den Drogen im Mutterleib ausgesetzt waren.“
Neben seiner moralischen Verantwortung für Krankheit, Abhängigkeit und Tod in tausenden von Fällen habe Publicis der Gesellschaft auch einen immensen finanziellen Schaden zugefügt, der auf zwei Billionen (sic!) US-Dollar beziffert wird.
Just im selben Monat, als die Anklageschrift gegen Publicis veröffentlicht wurde – Mai 2021 –, gab NewsGuard eine Partnerschaft mit Publicis bekannt, die zum Ziel hat, medizinische „Desinformation" im Internet zu unterdrücken.
NewsGuard: Herrschaft der Willkür
Nicht nur in Deutschland, sondern auch in den Vereinigten Staaten trifft NewsGuard auf wachsenden Widerstand von Bürgern, Bürgerrechtsbewegungen und gewählten Volksvertretern. Das ist wenig überraschend, schließlich wendet der Konzern dort ja die gleichen Methoden an, die den Antrag in Karlsruhe notwendig gemacht haben.
Welche Methoden sind das? Weil wir darauf im Rahmen der Prozessberichterstattung ohnehin zu sprechen kommen werden, an dieser Stelle nur kurz.
- Die Türsteher von NewsGuard verlangen von bestimmten Websites, die ihrer gänzlich subjektiven Meinung nach „konservativ“ sind, dass diese sich auch selbst so zu bezeichnen hätten – anderenfalls wird ihre Punktzahl abgewertet. Von den etablierten Medien wird das nicht verlangt. Der Spiegel oder die Süddeutsche Zeitung müssen sich nicht als „linksliberal“ ausweisen. Die FAZ wiederum wurde zwar von NewsGuard in der Vergangenheit als „konservativ“ bezeichnet; dennoch verlangt NewsGuard von der Zeitung nicht, sich den Untertitel „konservative Tageszeitung“ zu eigen zu machen. faz.net ist laut NewsGuard die zweitglaubwürdigste deutsche Nachrichtenwebsite, nur übertroffen von dem notorischen Nachrichtenerfinder Der Spiegel. Das bringt uns zu Punkt zwei.
- Ein grünes Häkchen für die „Glaubwürdigen“ – das kriegen bei NewsGuard auch die, die immer wieder dabei erwischt wurden, dass sie sich Nachrichten nachweislich einfach ausgedacht hatten, wie etwa der Spiegel in Deutschland oder USA Today in den USA. Wiederkehrende absichtliche Falschmeldungen – also frei erfundene Geschichten – führen nicht zu einer Abwertung. Die Idee, dass NewsGuard ein unparteiischer Schiedsrichter wäre, ist so löchrig wie eine Relotius-Reportage.
- Seine eigene Meinung stellt dieser Wächterrat des Nachrichtenwesens als korrekte Tatsache dar, an der alle anderen Meinungen zu messen seien. Eine Arbeitsprobe: „Es gibt kaum Anhaltspunkte, dass Messerattacken erheblich gestiegen sind und keine Beweise dafür, dass Migranten an diesen beteiligt wären“, schrieb die NewsGuard-Zensorin Marie Richter in einer E-Mail an Achgut, in einem Subprime-Deutsch, das sie wohl bei ihrem Studium der „Schriftstellerei“ erworben hat. Der WDR – zu dem Achgut keine Geschäftsbeziehung pflegt – hält dieser als Tatsache dargestellten Meinung entgegen: „Mit rund 42 Prozent ist der Anteil der nicht-deutschen Täter relativ hoch.“ Quelle: die Polizeiliche Kriminalitätsstatistik. NewsGuard verbreitet Fake News.
Lesen Sie morgen Teil 2.
Stefan Frank, geboren 1976, ist unabhängiger Publizist und schreibt u.a. für Audiatur online, die Jüdische Rundschau und MENA Watch.
Meinungsfreiheit im Netz
Einen Prozess gegen NewsGuard führen kostet enorm viel Zeit und Geld. Wir würden das nicht ohne unseren Anwalt Joachim Steinhöfel leisten können, der uns mit seiner Initiative „Meinungsfreiheit im Netz" unterstützt. Steinhöfel hatte in der Vergangenheit Facebook-Löschungsopfer oft pro bono beraten. Um Prozesse zu führen, braucht es allerdings Unterstützung, wenn der Kläger selber nicht genügend Geld aufbringen kann. Der Medienrechtler hat deshalb jetzt die Initiative „Meinungsfreiheit im Netz“ gegründet. Die Initiative wendet sich gegen Zensur und Einschüchterungsversuche und hilft Betroffenen, darunter auch Leser von Achgut.com. Wir bitten daher, diese enorm wichtige Initiative mit einer Spende zu unterstützen. Das können Sie hier tun.