Henryk M. Broder / 06.08.2023 / 11:00 / Foto: Bernd Schwabe / 46 / Seite ausdrucken

Besser als jede Satire: Der WDR entschuldigt sich

Bis zum Ausbruch der Karnevalssaison sind es noch gute vier Monate. Aber die Narren und Närrinnen laufen sich schon mal warm. Oder war diese Antwort an einen Gebührenzahler keine Satire?

Können Sie sich noch an Doktor Murkes gesammeltes Schweigen erinnern, eine Kurzgeschichte von Heinrich Böll aus den 50er Jahren? Es war eine Satire auf den öffentlich-rechtlichen Kulturbetrieb, der damals noch in den Kinderschuhen steckte. Inzwischen ist er nicht nur erwachsen geworden, er agiert wie Johannes Pfeiffer („Pfeiffer mit drei F!") in der Feuerzangenbowle. 

In einem Tagesschau-Bericht über eine PR-Aktion des Discounters Penny kam auch eine Penny-Kundin zu Wort, die sich zustimmend über die Aktion äußerte. Es war aber nicht irgendeine x-beliebige Kundin, sondern eine Mitarbeiterin des WDR. Ein Gebührenzahler fragte daraufhin beim WDR nach, wie so etwas passieren konnte, und bekam daraufhin aus der Beletage des Intendanten die folgende Antwort:

Sehr geehrter Herr XYZ,

vielen Dank für Ihre Zuschrift an den derzeit amtierenden ARD-Vorsitzenden, Herrn SWR-Intendant, Prof. Kai Gniffke, der den WDR zuständigkeitshalber um eine Beantwortung gebeten hat. Denn der von Ihnen kritisierte Beitrag stammte vom WDR und war Teil der vom NDR für die ARD verantworteten ARD-Tagesschau vom 31. Juli 2023.

Gerne schildern wir Ihnen nachfolgend unsere Position:

Kolleginnen oder Kollegen zu interviewen, ohne die Zugehörigkeit transparent zu machen, verstößt gegen unsere journalistischen Standards. Wir bedauern diesen Fehler, er war ein Versehen. 

Passiert ist Folgendes: Die Mitarbeiterin hatte nach ihrem Frühdienst im WDR im Supermarkt eingekauft und ist dort vom Reporter zur Discounter-Aktion befragt worden. Er kannte sie nicht. Es kam zu einem Missverständnis: Die Kollegin sagte, sie komme gerade vom WDR Radio. Der Reporter verstand in dieser Situation, sie habe von diesem Thema im WDR Radio gehört.

Wir gehen transparent mit Fehlern um. Der Beitrag wurde – direkt als der Fehler erkannt wurde – korrigiert und mit einem entsprechenden Hinweis versehen.

Im Regelfall nehmen WDR Kolleginnen und Kollegen nicht an Straßenumfragen für die eigene Berichterstattung teil. Werden sie gefragt, machen sie ihre Zugehörigkeit zum Sender deutlich und lehnen ab. Sollte jemand dennoch seine private Meinung zu einem Thema äußern wollen, wird die WDR-Zugehörigkeit im Beitrag maximal transparent gemacht.

Ich hoffe, wir konnten Ihnen mit diesen Erläuterungen und Einordnungen die Umstände und unsere Herangehensweise näher bringen.

Mit freundlichen Grüßen

Intendanz Publikumsstelle

Bis zum Ausbruch der Karnevalssaison sind es noch gute vier Monate. Aber die Narren und Närrinnen laufen sich schon mal warm. Erst schicken sie einen schwerhörigen Reporter in einen Supermarkt, dann erklären sie einen Fehler zu einem Versehen, obwohl es ein „Verhörer" war. In Köln kann sich zwar ein erwachsener Mann in eine Jungfrau verwandeln, aber geschaut wird noch immer mit den Augen und gehört mit den Ohren.

Die Idee hat noch ungenutztes Potenzial. Die nächste Zahlungsaufforderung von der Gebühreneinzugszentrale, die inzwischen „Beitragsservice" heißt, werde ich zu einem Fehler aus der Familie der Versehen erklären, zurückschicken und den WDR auffordern, sich bei mir zu entschuldigen.

Foto: Bernd Schwabe CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Bertram Scharpf / 06.08.2023

Ein Umstand, der bisher nicht beleuchtet wurde: Es ist vollkommen egal, _welche_ Mitarbeiterin der WDR für sein Interview einspannt. Eine grüngesinnte Anwort ist durch dieses eine Auswahlkriterium garantiert.

Bernhard Piosczyk / 06.08.2023

Ich glaube, die haben uns schon immer belogen. Es ist halt nicht aufgefallen.

Hans-Peter Dollhopf / 06.08.2023

Herr Broder, ich habe einen weiteren Festsetzungsbescheid, garniert mit den üblichen anstaltseigenen Brachialdrohungen, vorliegen. Dank für Ihren Humor!

Ulrich Viebahn / 06.08.2023

Sehr verehrter Herr Broder, aus diesem WDR-Trickbetrug hätten Sie als gebildeter Dribbelkünstler aber eine saftigere Story machen können.

Nikolaus Neininger / 06.08.2023

Für Sparchinteressierte: falls sich im WDR noch Rheinländer finden sollten, wären Formulierungen wie ‘sach, sachens’ oder ‘sach, hüer ens’ durchaus im üblichen Rahmen, aber ‘luer, hüer ens’, dat jiddet nit.  (Übersetzungshilfe: luere, hüre, sache (stimmhaftes ch) - sehen, hören, sagen)

Tobias Kramer / 06.08.2023

Wieder mal ein echter Broder. Aber man kann es wirklich nur noch mit Humor nehmen, was hier im Land politisch und medial abgeht. Allein das Personal, was sich einem jeden Tag zwangsläufig aufdrängt, hat das Potential, ganze Witzebücher zu füllen.

Gerard Doering / 06.08.2023

Also für so eine Auftragsproduktion braucht es schon wasserdichte Statisten. Auffälliger wäre es gewesen wenn die Dame auf den schwerhörigen Reporter zugegangen wäre und dieser verstanden hätte: guten Tag ich komme gerade aus dem Penismarkt und habe mir einen teuren fairtrade Dildo gekauft und möchte damit einen Beitrag leisten um die Welt zu retten.

Uta Buhr / 06.08.2023

Uff,  ich habe selten eine so plumpe Lüge gelesen. Es muss schon sehr schlecht um die einen exorbitanten Zwangsbeitrag für miserable Sendungen erhebenden ÖR stehen. dass sie zu solchen Mitteln greifen. Aus guten Gründen ist dieser Bullshit auch nicht mit Namen unterzeichnet. Eine ” Intendanz Publikumsstelle” hätte auch Orwell ersinnen können. In welch einem verrotteten Staat leben wir eigentlich. Mir wird schon übel, wenn ich die ausgeschaltete Glotze sehe. Aber die soll ja auch für etwas nütze sein. Hat der geniale Erfinder aus Südafrika sich sein Strom generierenden Fernsehgerät eigentlich schon patentieren lassen?

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