Deutscher Außenpolitik wohnte schon früh ein Element von Erpressung inne. Zur Zeit der Hallstein-Doktrin zum Beispiel, also von Mitte der 50er bis zum Ende der 60er Jahre, drohte die Bundesrepublik allen Ländern, die diplomatische Beziehungen zur DDR aufnehmen wollten, mit „Gegenmaßnahmen“. Diese konnten von „wirtschaftlichen Sanktionen bis zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen mit dem betreffenden Staat“ reichen (Wikipedia).
Nun hat die politisch inzwischen gereifte und territorial erweiterte Bundesrepublik wieder ein Problem, das sich auf dem Verwaltungswege nicht lösen lässt. Abschiebungen nicht anerkannter Asylbewerber scheitern tausendfach daran, dass die Ausreisepflichtigen keine Papiere ihrer Heimatländer bekommen. Die Bundesrepublik ist wohl das einzige Land der Welt, in das man ohne Papiere „einreisen“, aber ohne Papiere nicht abgeschoben werden kann. Das soll sich nun ändern.
Am einfachsten wäre es, Menschen ohne Papiere nicht einreisen zu lassen, aber das würde erstens der staatlich angeordneten „Willkommenskultur“ widersprechen und zweitens wäre es zu einfach. Gut Ding will nicht nur Weile haben, es muss auch umständlich sein. Deswegen werden jetzt Forderungen laut, „die Entwicklungshilfe an die Kooperation bei der Rückführung abgewiesener Asylbewerber zu koppeln“, wie es auf Amtsdeutsch heißt. Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann sagt, „unkooperatives Verhalten“ dürfe „nicht mit Entwicklungshilfe begünstigt werden“.
Der Fraktionschef der Union im Bundestag, Volker Kauder, wird noch deutlicher. „Länder, die von uns beachtlich mit Hilfsgeldern unterstützt werden“, müssten „bereit sein, auch ihre Verantwortung wahrzunehmen“ und „Menschen, die aus ihrem Land abgereist sind und bei uns eingereist sind, ohne einen Bleibegrund zu haben, wieder zurücknehmen“, denn: „Solidarität ist keine Einbahnstraße“.
Das stimmt. Solidarität ist eine Drehtür, durch die die einen hinein- und die anderen hinausbefördert werden. Sie einzurichten und zu überwachen, kostet viel Geld, schafft aber auch viele Arbeitsplätze. Und was den fehlenden „Bleibegrund“ angeht, so gibt es mehr als einen. Der wichtigste heißt „Asylbewerberleistungsgesetz“ und garantiert jedem Flüchtling eine Versorgung nach den Regeln des deutschen Sozialstaates.
Zuerst erschienen in der Zürcher Weltwoche