Fritz Vahrenholt stellte sein neues Buch „Die große Energiekrise und wie wir sie bewältigen können“ vor. Es geht bei ihm nicht nur um die bekannten Schwächen von Sonnen- und Windenergie, sondern beispielsweise auch darum, wie lohnenswert sie in Kombination mit der Kernenergie sein kann.
Fritz Vahrenholt stellte sein neues Buch „Die große Energiekrise und wie wir sie bewältigen können“ in Berlin vor. Der Politiker, Chemiker, Manager, Bestseller- und Achgut-Autor war in den 90er Jahren Umweltsenator der Stadt Hamburg. Anschließend saß er unter anderem in den Vorständen der Energiekonzerne Shell Deutschland (Vorstand Erneuerbare Energien), des Windenergie-Anlagenbauers REpower Systems sowie RWE Innogy für Erneuerbare Energien. Vahrenholt ist bekannt für seine Kritik an der deutschen Energiepolitik sowie seiner Skepsis gegenüber des von Politik und Medien verbreiteten Klima-Narrativs.
Die Laudatio zur Buchpremiere hielt der ehemalige Innenminister Otto Schily, der das Werk vor dem Hintergrund zweier Zitate lobte. Er erinnerte zunächst an einen Ausspruch der Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Yasmin Fahimi, die zum Jahreswechsel vor einer Deindustrialisierung Deutschlands innerhalb der ersten drei Quartale des Jahres 2023 aufgrund der Energiepolitik gewarnt hatte. Als zweites Zitat brachte Schily den im Januar getätigten Ausspruch Joe Kaesers, dem ehemaligen Vorsitzenden des Aufsichtsrats der Siemens Energy AG, ins Spiel: „Wir brauchen eine langfristige Energiekonzeption, die tragfähig ist.“
Dies bedeute im Umkehrschluss, dass wir aktuell in Deutschland eine derartige Energieversorgung nicht haben. Nur eine kritische Auseinandersetzung mit der aktuellen Energiepolitik könne laut Schily zu einer solchen tragfähigen Energiekonzeption führen. Das Buch Fritz Vahrenholts leiste dies in eindrucksvoller Weise. Schily betonte zudem Vahrenholts Einsatz für die Erneuerbaren Energien sowohl in der Politik als auch in der Wirtschaft. Er habe eine differenzierte Betrachtungsweise der Klimafragen und sei daher kein Dogmatiker.
Fehler der deutschen Energiepolitik offenbart
Fritz Vahrenholt sagte in seiner Ansprache, dass wir weltweit am Anfang einer Energiekrise stünden und sich Deutschland in einer besonderen, politisch selbst gestellten Falle befände. Dies werde die wirtschaftliche Entwicklung und den Wohlstand der Nation noch Jahre oder Jahrzehnte prägen. Viele seiner Argumente werden Achgut-Lesern aus seinen Artikeln bereits bekannt sein: Er betonte, dass die aktuelle Energiekrise ihre Ursache nicht im Ukrainekrieg habe, sondern die Fehler der deutschen Energiepolitik offenbare. Bereits im Jahr 2021 hätte es eine Vervierfachung des Strompreises gegeben, als Folge einer Stilllegung der Kernkraftwerke in ganz Europa.
Vahrenholt fordert unter anderem die Entwicklung von CO2-freier Kohletechnologie; die Aufhebung des Verbots der Sequestrierung von CO2, also die Deponierung des Kohlenstoffdioxids im tieferen Untergrund; die Aufhebung des Kohleausstiegsgesetzes; den Weiterbetrieb der sechs abgestellten Kernkraftwerke und die Aufhebung des Kernenergieausstiegs; die Aufhebung des Fracking-Verbotes in Deutschland und die Förderung des eigenen Schiefergases; die Einstellung der Subventionierung der E-Mobilität sowie den Bau weiterer Wind- und Solarkraftwerke nur unter der Voraussetzung, dass der entsprechende Strom gespeichert oder ein Backup nachgewiesen werden kann.
Vahrenholt stellte in seinem Vortrag klar, dass Deutschland weltweit das einzige Land sei, dass sich vorgenommen habe, nur noch Wind- und Solarenergie zu produzieren. Diese beiden Energieformen kritisierte er aufgrund ihrer erheblichen Nachteile. Aufgrund ihrer Ineffizienz würden nur 5,1 Prozent des gesamten deutschen Energiebedarfes durch Wind- und Solarenergie bestritten. Neben der Menge käme es auch auf den richtigen Zeitpunkt der Verfügbarkeit dieser Energieformen an. Wind wehe sehr unregelmäßig, im letzten Dezember hätte es etwa eine Flaute von 15 Tagen gegeben, sodass der gesamte Strombedarf Deutschlands von Braunkohle, Steinkohle und Gas bedient worden sei.
240.000 tote Fledermäuse pro Jahr
Außerdem verbrauche Windenergie wegen des nötigen Abstands zwischen den einzelnen Windrädern sowie zu umliegenden Wohnhäusern unverhältnismäßig viel Fläche. Die Bundesregierung gebe offiziell an, dass 2 Prozent der deutschen Fläche bis Ende 2032 für Windkraft zur Verfügung gestellt werden soll. Unter Einbeziehung des nötigen Abstandes seien jedoch in Wahrheit 20 Prozent nötig. Vahrenholt führt an, dass eine Umsetzung in dieser Größenordnung Auswirkungen auf das Ökosystem hätte. Eindringlich wies er darauf hin, dass die Bundesregierung gerade beschlossen habe, dass viele bislang nötige Umweltschutzprüfungen beim Bau von Windrädern wegfallen sollen.
In diesem Zusammenhang nahm er Bezug auf seine Zeit als CEO des Windkraftunternehmens REpower Systems, für das er Windräder entwickelt und diese Energieform mit „groß gemacht“ habe. Schon damals stand fest, dass ein Windrad pro Jahr im Schnitt 10 Fledermäuse tötet. Demnach kämen pro Jahr etwa 240.000 Fledermäuse durch Windkraft buchstäblich „unter die Räder“. Die A20 werde hingegen bei Bad Segeberg seit 10 Jahren nicht weiter gebaut, weil in der naheliegenden Kalkberghöhle 30.000 Fledermäuse überwintern. Nach dieser Logik müsste es einen absoluten Stopp für Windenergie geben. Ebenfalls würden hohe Zahlen von Insekten durch den Aufprall auf die Rotorflügel der Windräder getötet.
Die Bestückung Deutschlands mit Windenergie sei demnach ein „Großversuch“. Man müsse sich zudem fragen, welche meteorologischen Auswirkungen Windkraft habe – und welchen Einfluss sie auf Regen, Wind und Trockenheit ausübe. Man dürfe diese Energieform daher nicht überstrapazieren.
„Idealer geht es nicht.“
Angesichts dieser Bekenntnisse fragte ich ihn, wie er dies mit seinem eigenen Wirken in der Windkraftbranche zusammenbringe und ob man überhaupt weiterhin Windräder bauen sollte? Daraufhin antwortete Vahrenholt:
„Die Windenergie hat natürlich eine Berechtigung in windstarken Regionen, da können Sie durchaus für unter 5 Cent pro Kilowattstunde Strom produzieren. Insofern ist es eine zu rechtfertigende Ergänzung im Energiemix. Sie ist CO2-frei. Aber Sie haben jetzt die Situation, dass wir sie nicht mehr als Teil eines Gesamtsystems betrachten. Deswegen fordere ich im Buch, Windkraftwerke weiter zu bauen, aber nur, wenn sicher ist, dass für jedes Windkraftwerk, was dazu kommt, auch ein Backup mitgeplant ist. Entweder als Speicher oder als Gaskraftwerk. Dann habe ich nichts dagegen.
Um ein Beispiel zu geben: Bayern ist als Windstandort völlig zu vernachlässigen. Ein Windkraftwerk in Oberammergau produziert nur ein Achtel der Energie eines Windkraftwerkes in Husum. Und da muss man doch wirklich bescheuert sein, wenn man jetzt eine Debatte darüber führt, dass die Bayern Windenergie einführen sollen. Ich habe mich als Windmanager immer dagegen gewehrt, dass wir irgendwann einmal Windkraft im Wald bekommen. Genauso wie wir beim Kohlekraftwerk die Abwärme nicht in Flüsse leiten, sondern in Kühltürme.“
Im Anschluss fragte ich ihn, ob man überhaupt noch Windkraft bräuchte, wenn man die Kernkraft ausbauen würde?
„Schon. Wenn man Windkraft aus Regionen wie der Nordseeküste nutzte, hätte man eine durchaus ideale Kombination mit der Kernenergie. Die Kernenergie steht leider im Rufe, nicht abschaltbar zu sein, doch das genaue Gegenteil ist der Fall. Die Kernenergie ist der ideale Partner von Erneuerbaren Energien. Letztere haben das Problem, dass sie schnell abfallen und schnell hochfahren. Wenn eine Windböe über Deutschland fährt, dann geht es richtig hoch bis zum Zehnfachen innerhalb einer Stunde. Und in dem Moment muss ja ein anderes Kraftwerk runtergefahren werden.
Vor allem Journalisten behaupten, Kernkraftwerke könne man nur „Strich fahren“ (rund um die Uhr fahren, Anm. d. Red.) Völliger Blödsinn. Es war Bundeskanzler Schmidt, der damals gesagt hat: ‚Ich will, dass die Atomkraftwerke 50 Jahre lang fahren.‘ Und dann hat man ihm wohl gesagt, dass man nachts nicht so viel Strom braucht. Und dann wurde in Deutschland eine Technologie entwickelt, die innerhalb weniger Minuten die Kernkraftwerke runter- und rauffahren kann. Das ist die Konvoi-Lösung. Zum Beispiel das Kraftwerk Isar, das wir jetzt abstellen. Solche Kernkraftwerke können innerhalb weniger Minuten die Last runterfahren, indem Sie die Steuerstäbe reinfahren lassen und dann wieder rausfahren. Sie können es nicht auf null fahren, aber 60 Prozent rauf- und runterfahren. Idealer geht es nicht.“
„Die große Energiekrise und wie wir sie bewältigen können“ von Fritz Vahrenholt, 2023, München: Langen Müller Verlag. Hier bestellbar.