Henryk M. Broder / 22.08.2018 / 12:00 / Foto: A.Savin / 62 / Seite ausdrucken

Wegen Auschwitz in die Politik. Oder umgekehrt?

Es ist noch nicht lange her, dass Bundespräsident Steinmeier das Grab von Jassir Arafat besucht, einen Kranz niedergelegt und sich vor dem toten "Rais" verbeugt hat. Nach Angaben der deutschen Vertretung in Ramallah war es "das erste Mal, dass ein deutscher Bundespräsident den früheren Präsidenten (der Palästinener) auf diese Weise" ehrte. Unvergessen auch der Besuch von Sigmar Gabriel in seiner Rolle als deuscher Außenminister in Israel, als er ein Treffen mit Vertretern regierungkritischer Organisationen einem Termin beim israelischen Ministerpräsidenten vorzog.

Nun wäre die SPD aber nicht die SPD, wenn sie nicht für jeden Deckel auch einen passenden Topf hätte. Um den von Steinmeier und Gabriel angerichteten Image-Schaden zu begrenzen, erklärte Heiko Maas bei seiner Antrittsrede als neuer Außenminister, er sei "wegen Auschwitz in die Politik gegangen". 

Nun ja. Es gibt Menschen, die wegen Auschwitz ihren Glauben an Gott verloren haben, und es gibt Menschen, die wegen Auschwitz ihren Glauben an Gott wiedergefunden haben. Maas ist eben wegen Auschwitz in die Politik gegangen. Das ist einer der  Kollateralschäden der Geschichte, die man so hinnehmen muss wie den Verlust der deutschen Ostgebiete infolge von WK 2. Ohne Auschwitz wäre Heiko Maas vielleicht ein passabler Jurist geworden. Ein Grund mehr, die Alliierten immer wieder zu fragen, warum sie die Mordfabrik nicht bombardiert und die Befreiung des Lagers den Russen überlassen haben.

Nun ist Maas tatsächlich nach Auschwitz gefahren und hat anlässlich des ersten Besuches eines deutschen Außenministers seit 26 Jahren am „Anus mundi" Folgendes in das Gästebuch geschrieben: „Die Hölle auf Erden – sie war eine deutsche Schöpfung namens Auschwitz.“

Ich würde gerne wissen, ob ihm dieser Satz spontan eingefallen ist oder ob eine Handvoll seiner Referenten ihm den Spruch auf den Weg mitgegeben hat, nach einem langen und anstrengenden Brain storming. Irgendwie hört er sich nach Paul Celan an. O-Ton Maas pur ist dagegen der Satz: "Wir brauchen diesen Ort, weil unsere Verantwortung nie endet.“

Wirklich? Gehört es zu der nie endenden Verantwortung, dass die Bundesregierung ein EU-„Gesetz" mitträgt, das deutsche Firmen verpflichtet, sich den US-Sanktionen gegen den Iran zu widersetzen? War der Besuch von Sigmar Gabriel im Iran, nur Tage nach dem Bekanntwerden des so genannten Atom-Abkommens mit dem Iran im Juli 2015, Teil der nie endenden deutschen Verantwortung dafür, dass sich der Holocaust nicht wiederholt? In der Tat hat Gabriel "im Vorfeld seiner Reise den Iran zur Verbesserung seiner Beziehungen zu Israel aufgefordert". Was ein wenig kurz gedacht war, denn "besser" ist der Komparativ von "gut". Ebenso logisch wäre es zu sagen, die deutsch-jüdischen Beziehungen hätten sich seit 1945 wesentlich "verbessert". Hat die Bundesregierung sich ein Beispiel an den USA genommen und ihre Botschaft ebefalls von Tel Aviv nach Jerusalem verlegt? Nein, hat sie nicht. Sie hat den Schritt der Amis als nicht hilfreich kritisiert. 

Maas redet gern von "Verantwortung". Und der Komparativ von "Verantwortung" lautet "moralische Verantwortung". Die Aufnahme eines von den USA ausgebürgerten ehemaligen und inzwischen 95 Jahre alten SS-Mannes war ein "klares Zeichen der moralischen Verantwortung Deutschlands", erklärte das AA. Aber wofür? Für die deutsch-amerikanischen Beziehungen? Für den Lebensabend von KZ-Wächtern, die beizeiten vor ein Gericht zu stellen versäumt wurde?

Das alles ist wohlfeiles Geschwätz, einzig dazu bestimmt, ein Vakuum namens SPD mit gepökelter Luft zu befüllen. 

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Gudrun Meyer / 22.08.2018

Ihre Kritik an der Doppelzüngigkeit und Taktlosigkeit unseres Außenministers und großer Teile unserer polit-medialen Klasse ist völlig berechtigt. Aber sparen Sie sich doch die Wut für die sehr viel schlimmeren Fälle auf, die die dt. Politik und Journaille sich leisten! 2011 (?) demonstrierten 20 oder 30 Leute in Köln gegen den Bau eines riesigen Koran-Reaktors in ihrer Nachbarschaft. Ihnen entgegen kamen ca. 5000 muslimische und linke Gegendemonstranten, wobei die Muslime sich in Kostümverleih-KZ-Häftlingsuniformen oder ähnlich gestreifte Schlafanzüge geworfen hatten. Hehren Opfertumes stelzten sie den grauenhaften “Rechtspopulisten” entgegen, die zwar niemanden ins KZ stecken wollten - aber auf diese Kleinigkeit brauchte man ja nicht einzugehen. Die selbsternannten “KZ-Opfer” fanden ihren Schmierenauftritt cool und ihrer unendlichen Opferstellung angemessen. Sie beneideten die Juden um den Holocaust,  so grotesk das auch klingt, aber nicht etwa um dessen Realität. Keine dieser kostümierten Gestalten sehnte sich danach, tatsächlich jahrelang im KZ zu leiden und dabei sämtliche Angehörige zu verlieren. Von einem Wunsch nach lebenslänglicher Traumatisierung habe ich auch nichts gehört. Aber dafür hatten sie ganz doll bewiesen, dass die Nazis schon im 2. Weltkrieg die Muslime in KZs gesteckt und in Gaskammern ermordet haben - jawohl, ausgerechnet die Muslime. (Sicherlich auch die von Al Husseini geleitete muslimische SS auf dem Balkan). Die Linken, die den Märtyrergang der Muslime begleiteten und die Redaktion der “Frankfurter Rundschau” fanden die paar “islamophoben” Demonstranten jedenfalls gefährlich und den schmutzigen Faschingsumzug der Muslime einfach supi. Darüber können und sollten Sie sich aufregen, nicht über das ideologische Gesülze und nicht mal über den schädlichen Mangel an Diplomatie bei unserem unerhörten Außenminister, der an Eignung fürs Amt demnächst vielleicht sogar die Verteidigungsministerin unterbietet.

Dr.med. Antonio de la Casa / 22.08.2018

Herr Broder hat recht. Es kann nicht sein, dass Maas sich erdreistet auf Bitten der USA einen alten Mann, der im KZ nichts weiter getan hat, als seine Pflicht zu erfüllen, nach Deutschland zu verbringen. Es ist auch unerträglich, dass ihm hierfür sogar der Botschafter der USA ausdrücklich dankte, während alleinerziehende Mütter gegenüber Kindern von Zugereisten benachteiligt werden, aber Maas dazu schweigt.

Rainer Nicolaisen / 22.08.2018

Herr Broder, Sie sind wieder einmal zu freundlich. Bestünde das deutsche Politpersonal doch nur aus lauter Nullen, es wäre gegenüber dem real existierenden Grauen eine gewaltige Verbesserung!

Rainer Segen / 22.08.2018

Dass Maas “wegen Auschwitz” in die Politik gegangen sei, glaube ich ihm sogar. Ob er aus Auschwitz aber auch wirklich die richtigen Schlüsse gezogen hat und dabei auch zum wirklichen Kern des Problem vorgedrungen ist, bezweifle ich allerdings. Dazu gehört schon mehr als einfach nur oberflächlich gegen “rechtsextrem” zu sein, und das zu einem Sammelbegriff “rechts” zu machen, das dann stellvertretend, inflationär und nach Belieben für “rechtsextrem”, “rechtsradikal”, “rechtspopulistisch”, “nationalistisch”, “rassistisch”, “fremdenfeindlich”, “islamophob” etc. verwendet wird.

Winfried Lorek / 22.08.2018

Bitte sortieren Sie ebenfalls mit ein, was Heiko für zukünftige Lager Besuche durch Schulklassen von sich gab: .....das sollte nicht weiter verpflichtend sein…. Mir schoss sofort durch den Kopf, dass er erahnt, wie sich zukünftig (bunt) zusammen gesetzte deutsche Schulklassen dort aufführen könnten.

Marcel Seiler / 22.08.2018

Ich sagte es schon früher, und ich sage es wieder: Wer Auschwitz braucht, um eine Moral zu begründen, hat keine. Wer es tut, missbraucht die ermordeten Juden zur eigenen Selbsterhöhung. Wer Auschwitz zur deutschen Staatsraison macht, verurteilt dieses Land zu unmoralischem weil maßlosem Handeln.

Dr.rer.nat.Bruno Taut / 22.08.2018

Was Maas sich erlaubt entspricht nicht der Kunst der Proportion und ist skandalös. Vergleichbar mit der Rekonstruktion des Berliner Schlosses. Die Kompetenz und die Wertschätzung klassischer Architektur Haubrichs ist zu respektieren. Gleichwohl hätte ich mir eine reflektiertere Herangehensweise erwartet. Zitat: „Und die Details dieses großartigen barocken Kunstwerks kann man sich nicht nach den Moden der aktuellen politischen Korrektheit zurechtschnitzen.“  Der durchaus verständliche Verzicht auf das Kreuz - ein Symbol einer Buchreligion, die lange genug Allmachtsfantasien hegte - würde keineswegs das hochbedeutende Wiederaufbauwerk der barocken Teile beeinträchtigen, da es Teil der Kuppel des 19. Jahrhunderts ist. Und diese Kuppel mit ihrem sehr mechanischen polygonalen Tambur ist zwar eine recht markante aber dennoch eher gewöhnliche historistische Gebrauchsarchitektur. Das barocke Schloss zeigte kein hohes Dach oder sonstigen Aufbau sondern schloss wie eine Italienischer Palast mit der Balustrade oberhalb des mächtigen Gesimses ab. Das Kreuz hätte bei einer Rekonstruktion der Kapelle Berechtigung, da es Teil einer Gesamtwiederherstellung dieses Bereiches wäre und auf die Funktion des Raumes hinweisen würde. Da nun aber das Kreuz auf der Laterne der Kuppel befestigt wurde, sollte auf dem Kreuz auch noch ein Wetterhahn das Schloss zieren.

Sepp Kneip / 22.08.2018

Maas? Warum wird um dieses Männlein ein solches Bohei gemacht? Es gibt eine kommunizierende Röhre zwischen den dummen Sprüchen einiger SPD-Politiker und den Umfragewerten dieser Partei. Allein, dass einer wie Maas Außenminister ist, muss an den Grundfesten der SPD rütteln. Die unsinnigen Sprüche dieses Herren schaden nicht nur der SPD sondern ganz Deutschland. Aber vielleicht sollen sie das ja auch. Maas ist mit Merkel auf Kurs Deutschlandvernichtung.

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