Und täglich grüßt die Polarisierung

Die Polarisierung, die sich derzeit in vielen Gesellschaften der Welt abzeichnet, wird in den kommenden Jahren extremer werden. Das, was sich in den Banlieues Frankreichs und in vielen Städten der USA ereignet – dass sich die über Jahrzehnte verfestigte Spaltung in Gewalt entlädt – kommt langsam auch nach Deutschland. Deshalb müssen wir genau hinsehen, was uns spaltet, um es zu bekämpfen, und das, was uns zusammenbringt, zu befördern:

Identitätspolitik spaltet uns. Schuld spaltet uns. Eine verkrampfte Streitkultur und Maulkörbe spalten uns. Die Bewaffnung der Gefühle spaltet uns. Die Kriminalisierung der Religionskritik und das Verharmlosen des islamistischen Rassismus spaltet uns. Sprachpolizei und Moralismus spalten uns. Das Abstempeln von Ostdeutschland als Hort des Rassismus spaltet uns. Muslime pauschal als Terroristen zu verdächtigen, spaltet uns. Migranten als Masse zu betrachten, nicht als einzelne Individuen, spaltet uns. Aussagen wie „Der Islam gehört zu Deutschland“ spalten uns, ebenso wie Parallelgesellschaften. Das Leugnen, dass wir ein Rassismus-Problem haben, spaltet uns. Die Aussage, dass alle Weißen, alle Deutschen Rassisten sind, spaltet uns. Die Liste ließe sich fortsetzen.

Ob Desintegration, Nationalismus, Rassismus oder Islamismus, dahinter steckt ein gemeinsames Phänomen: Deutsche und Migranten, die sich zunehmend von dieser Gesellschaft entfremden und Schwierigkeiten damit haben, sich zu ihren Werten zu bekennen. Menschen, die vergangenheitsbezogene Identitäten und Legenden attraktiver finden als die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Man kann sicherlich nicht alle Ideologen bekehren, aber man kann seine Werte erstens klar definieren, und zweitens diese gemeinsame Sprache auch aktiv gegen ihre Feinde verteidigen. Leider verteidigen Nationalisten, Rassisten und Islamisten ihre Positionen vehementer, stehen fester zu ihren Werten, mehr als wir zu unseren. Und hier liegt das Hauptproblem. Rassismus ist nie nur ein Problem von Randgruppen, sondern eines der Gesamtgesellschaft. Denn es legt offen, wie eine Gesellschaft auf sich selbst, auf die eigenen Werte und die Freiheit blickt! Auch deshalb ist das Thema Rassismus ein Charaktertest für unser Land und alles, wofür es steht!

Dies ist ein Auszug aus Hamed Abdel-Samads neuem Buch „Schlacht der Identitäten“, das Mitte März 2021 erscheint.

Dieser Auszug erschien zuerst auf Hamed Abdel-Samads Facebookseite.

Foto: Raimond Spekking CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

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Sabine Schönfeld / 08.01.2021

Meinungen und verschiedene Ansichten per se spalten wohl eher nicht die Gesellschaft. Diskussionen sind und waren von jeher das Mark der Demokratie und es muss grundsätzlich jedem erlaubt sein, seine subjektiven Ansichten mitzuteilen und jedem anderen, diese abzulehnen und seine eigenen Ansichten zu äußern. Aber sollten wir hier nicht auch davon sprechen, was es ist, das uns eint? Wir hatten in Deutschland eine gute Gesellschaft in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts, auf der Basis der besagten freiheitlich-demokratischen Grundordnung, auf der Basis der Menschenrechte, aus denen unser Grundgesetz und die daraus folgenden Gesetze resultieren. Und es war zumindest von unserem Selbstverständnis her eine Normalität, dass jeder, der dazukommt, sich einfügt und ein Teil dieser Gesellschaft wird, ihre Vorzüge genießt, aber auch für sie einsteht. Also muss es doch möglich sein, offen darüber zu reden, warum es plötzlich erstrebenswert sein soll, diese gute Ordnung aufzulösen, für das abgehobene Ideal einer Gesellschaft, das in dieser Weise nirgends existiert? Ich bin beispielsweise nicht bereit, stumm lächelnd importierte Frauenverachtung zu akzeptieren und auch keine Zwangsheiraten von Minderjährigen. Ich bin nicht bereit, eine mir bislang fremde Messerkultur zu akzeptieren, noch eine Kultur, in der Übergriffe auf die Frauen der Alteingesessenen zur Normalität erklärt werden. Es gibt Gründe, warum ich mir die deutsche Gesellschaft des ausgehenden letzten Jahrhunderts zurückwünsche und die haben klar damit zu tun, dass es eine bessere Gesellschaft war als diese. Diejenigen spalten, die uns unsere Errungenschaften wegnehmen wollen, für die unsere Vorfahren über Jahrhunderte gekämpft haben. Solange von großen Teilen des Establishments dafür und letztlich gegen die Rechte der Menschen gekämpft wird, solange wird die Spaltung existieren und ich werde ein Teil davon sein. Ich möchte das Deutschland zurück, in dem alle Frauen, alle Menschen frei und sicher leben konnten!

Ingolf Dammasch / 08.01.2021

@Thomas Bode: Yippie, ich bin nicht der einzige hier !

Renate Bahl / 08.01.2021

Die Poralisierung ist doch seitens der Politclowns gewuenscht. Waere dies nicht der Fall, haette es schon laengst ein Misstrauensvotum geben muessen. Bis auf die AfD sitzen die Altparteien doch im selben Boot. Und da die 4. Gewalt, die Medien, nicht mehr vorhanden ist, wird indoktriniert was das Zeug haelt. Da offensichtlich meine Generation davon überzeugt ist, dass ueber das Staatsfernsehen die Wahrheit vermittelt wird (war auch lange Zeit so, zumindest wurde kontrovers berichtet/diskutiert, schon lange her), wird der Riss immer größer. Und nun spielt man mit dieser Coronapanik sogar noch die Familien untereinander aus. Drittes Reich ud DDR, und keiner wird wissen, wie es dazu kommen konnte - einfach nur zum Kotzen (Entschuldiung).

Werner Arning / 08.01.2021

Ich finde es immer erfrischend, wenn es kontrovers zugeht. Im Falle von Trump war Kontroverse in der Öffentlichkeit jedoch die letzten Jahre völlig ausgeklammert. Zu Trump gab es keine zwei Meinungen. Durfte es keine zwei Meinungen geben. Und das war von Anfang an so. Seit seinem Wahlsieg. Da stellt sich dann ganz natürlich eine gewisse Müdigkeit ein in Bezug auf die eine gültige Meinung, die bezüglich Trump „erlaubt“ ist. Also, in der deutschen Öffentlichkeit erlaubt ist. Fast zwangsläufig wird Trump dann von einer sich von dieser deutschen „Öffentlichkeit“ ebenfalls ausgebremsten Minderheit verteidigt. Sie solidarisiert sich mit ihm. Ist deshalb geneigt, ihm seine Fehler nachzusehen. Trump geschieht vielfach Unrecht, so wie einer verunglimpften, kritischen Minderheit in Deutschland. Vielen gilt die Achse als Zufluchtsort vor dieser Verunglimpfung. Deshalb entsteht Enttäuschung, wenn diese Zuflucht als nicht mehr so eindeutig erscheint. Jedoch im Sinne demokratischer Meinungsvielfalt und Toleranz, um die es uns allen ja geht, müssen „wir da durch“. Denn zu lernen, haben wir alle.

HaJo Wolf / 08.01.2021

Freiheit und Demokratie sind in Schland längst zu einer leeren Worthülse degradiert, in einem Deutschland, in dem eine SED-Funktionärin und immer noch stramm linientreue Sozialistin die Wirtschaft meuchelt, Reht und (Grund)Gesetz mit Füßen ritt und in faschistischer Manier herrscht. Ein Land, wo Leute wie CR, die Koboldtusse oder Habeck Macht ausüben, ist unrettbar verloren. Wie sprach Pollonius durch Schakespeares Feder: “Though this be madness, yet there is method in’t. - Ist dies auch Wahnsinn, so hat es doch Methode” Das ist kein Spalt, das ist ein klaftertiefer Riss, den einige wenige machtgeile faschistische Sozis und linksgrüne Terroristen in das Volk gesprengt haben.

Frances Johnson / 08.01.2021

Kann sogar passieren, dass wir Individuen und die Muslime uns noch ganz bannig gut verstehen und zusammentun gegen einen übrgriffigen Staat, der uns Kontakte verbietet, und auch gegen den mittleren deutschen Spießbürger mit Blockwartmentalität hinter seinem Faltschiffchen vorm Maul. So wie ja auch Grüne ausscheren aus diesem Irrsinn. Twitter-Kurznachrichten können übrigens extreme Spaltungen hervorrufen.

Rafael Rasenberger / 08.01.2021

@ H. Hotz: Exakt auf den Punkt gebracht! - dennoch sind diese Gedanken fester Teil unserer Kultur… und da treffen Sie sich mit dem “wir” des Autors. Man muß nicht in allem einer Meinung sein um gemeinsam FÜR etwas zu sein. ...noch ein Wort zum Rassismus: Sicher gibt es auch Rassisten, aber ich bin überzeugt, daß in den meisten Fällen dieses Wort fälschlich anstelle des Begriffs “Vorurteil” benutzt wird. Das Vorurteil ist nichts anderes als Wahrscheinlichkeitsrechnung aufgrund von Lebenserfahrung. Beispiel: Sie sehen einen farbigen, jungen Mann in Rapper-Kleidung mittags allein im Park. Ihr Vorurteil: Drogendealer. Dieses Vorurteil kann falsch sein. Möglicherweise wartet er nur auf seine Freundin und ist zum Mittagessen verabredet. Aber ihre Erfahrung sagt ihnen, daß es wahrscheinlicher ist, daß es sich um einen Drogendealer handelt. Deswegen sind sie aber kein Rassist.

Manni Meier / 08.01.2021

“Migranten als Masse zu betrachten, nicht als einzelne Individuen, spaltet uns.” Ehrlich gesagt fällt es mir schwer eine Anzahl von ca. zwei Millionen Migranten, sozusagen auf einen Rutsch plötzlich da, nicht als “Masse” zu betrachten. Und ich bin mir aber ebenfalls sicher, dass uns “einzelne migrantische Individuen” nicht spalten würden.

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